Nach dem US-Schock-Auftritt: Wie Selenskyj die Siko zum Lachen bringt

Wolodymyr Selenskyj scherzt, ein Vertrauter von Donald Trump macht Andeutungen und Manfred Weber ist für eine EU-Armee. Alles, was man zur Münchner Sicherheitskonferenz wissen muss, gibt es hier im großen Überblick.
Ralf Müller |
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Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
MSC/Angelika Warmuth 5 Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Manfred Weber hat sich während der Münchner Sicherheitskonferenz für eine EU-Armee ausgesprochen. (Archivbild)
Philipp von Ditfurth/dpa 5 Manfred Weber hat sich während der Münchner Sicherheitskonferenz für eine EU-Armee ausgesprochen. (Archivbild)
Will Schwarz-Grün im Bund als Option offenhalten: CSU-Vize Manfred Weber. (Archivbild)
Peter Kneffel/dpa 5 Will Schwarz-Grün im Bund als Option offenhalten: CSU-Vize Manfred Weber. (Archivbild)
Moskau wird Europa auseinanderreißen, wenn wir als Europäer einander nicht vertrauen, warnt Selenskyj.
Boris Roessler/dpa 5 Moskau wird Europa auseinanderreißen, wenn wir als Europäer einander nicht vertrauen, warnt Selenskyj.
CDU-Chef Friedrich Merz wurde bei der Siko versehentlich schon zum Kanzler gemacht.
IMAGO 5 CDU-Chef Friedrich Merz wurde bei der Siko versehentlich schon zum Kanzler gemacht.

München - Viele hatten gehofft, dass sich die neue US-Administration auf der Münchner Sicherheitskonferenz gemäßigter geben würde als der Neustart von Präsident Donald Trump befürchten ließ. Die Hoffnungen wurden enttäuscht. US-Vizepräsident J. D. Vance schockte mit seinem Auftritt vor allem die Deutschen und am Rande der Konferenz ließ Ukraine-Sonderbeauftragter Keith Kellogg wissen, dass die Europäer bei den anstehenden Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs wie befürchtet nicht mit am Verhandlungstisch sitzen würden. Er hätte auch "natürlich" hinzufügen können, denn – so der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) und CSU-Vize Manfred Weber: "Die Amerikaner haben wir jetzt verloren."

Will Schwarz-Grün im Bund als Option offenhalten: CSU-Vize Manfred Weber. (Archivbild)
Will Schwarz-Grün im Bund als Option offenhalten: CSU-Vize Manfred Weber. (Archivbild) © Peter Kneffel/dpa

Der Schock-Auftritt von Vance vom Freitag überschattete die ganze 61. Münchener Sicherheitskonferenz bis zum Ende. Dass er in seiner Ansprache die sicherheitspolitischen Sorgen der Europäer völlig ignoriert hatte und ihnen mangelndes Demokratieverständnis vorwarf, soll seinem Chef Trump in Washington gefallen haben, hieß es. Danach war klar: Gegen "Trump 2.0" wird dessen erste Amtszeit wie ein laues Lüftchen erscheinen.

Seit vielen Jahren versprechen sich die EU-Länder einander und vor allem den Partner USA verstärkte Anstrengungen auf dem Verteidigungssektor, jetzt aber soll wirklich Ernst gemacht werden, beteuerten alle europäischen Politiker unisono, unter anderem Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vereidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

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Nach Vance war es Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj, der die Münchner Sicherheitskonferenz aufrüttelte – allerdings auf eine völlig andere Weise als der US-Vizepräsident. Es hatte den Anschein, als ob der heimliche Führer Europas neuerdings von einem Nicht-EU-Land gestellt wird. Viele Europäer ärgerten sich über den Brüsseler EU-Apparat, sagte der Präsident des angegriffenen Landes am Samstag im Hotel "Bayerischer Hof". Aber sie sollten sich klar machen: "Wenn es nicht Brüssel ist, ist es Moskau".

Die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft werde er "nicht vom Tisch nehmen", bekräftigte Selenskyj. Der ukrainische Präsident warb nachdrücklich für den Aufbau einer "europäischen Armee" und ging sogar so weit, das aufgerüstete und kriegstüchtige Militär seines Landes als eine Art Ersatz für einen möglichen Rückzug der Amerikaner aus Europa anzubieten. Beim EVP-Vorsitzenden Weber stieß er dabei auf offene Türen: "Wir müssen die Kraft haben, eine europäische Armee auf den Weg zu bringen."

Moskau wird Europa auseinanderreißen, wenn wir als Europäer einander nicht vertrauen, warnt Selenskyj.
Moskau wird Europa auseinanderreißen, wenn wir als Europäer einander nicht vertrauen, warnt Selenskyj. © Boris Roessler/dpa

Ungute historische Parallelen

Die ukrainische Delegation hatte sich am Rande der Veranstaltung mit der Vance-Abordnung getroffen. Dabei habe man ihr zugesagt, dass er bei den anstehenden Verhandlungen, die angeblich in Saudi Arabien stattfinden sollen, zwischen den USA und Russland mit am Verhandlungstisch sitzen würde. Mit welchem Gewicht blieb freilich offen. Bei den Ukrainern allerdings war von einer Einladung nichts bekannt. Die Verwirrung – ein Markenzeichen von Trump 2.0 – war wieder einmal komplett.

Der finnische Präsident Alexander Stubb sah sich an der Konferenz von Jalta vor 80 Jahren erinnert, als die Mächtigen aus den USA, Russland und Großbritannien die Welt aufteilten. Hoffentlich komme es nicht zu einer Neuauflage von "München 1938", als in einem Versuch zur Beruhigung Nazi-Deutschlands die Tschechoslowakei zur Abtretung von Gebieten gezwungen wurde. "Ein Diktatfrieden wird niemals unsere Unterstützung finden", betonte Kanzler Scholz. Dass die Ansage eines Regierungschefs mit nahendem Ruhestand in Washington groß Eindruck macht, glaubte allerdings kaum jemand.

"Eine attraktive Idee"

Er habe Trump berichtet, dass Putin Angst vor ihm – Trump – habe, berichtete Selenskyj in einer Talkrunde. "Und Putin weiß das jetzt auch", fügte Selenskyj zur allgemeinen Heiterkeit hinzu: "Wir müssen leben und Gelegenheit zum Lachen haben. Das ist wichtig." Die Angst Trumps vor Trump werde helfen, meinte auch der republikanischen Senator und Trump-Vertrauten Lindsey Graham. Beweis: Während der ersten Amtszeit Trumps habe sich Putin nicht getraut, die Ukraine anzugreifen, "Weil Putin Angst vor Trump hat." Graham deutete an, wohin die amerikanischen Pläne gehen könnten: Wenn Russland nach einem Waffenstillstand noch einmal angreifen sollte, könnte die Ukraine automatisch Nato-Mitglied werden. "Eine attraktive Idee", meinte der Finne Stubb.

CDU-Chef Friedrich Merz wurde bei der Siko versehentlich schon zum Kanzler gemacht.
CDU-Chef Friedrich Merz wurde bei der Siko versehentlich schon zum Kanzler gemacht. © IMAGO

CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz ging ausgesprochen aufgekratzt in die Diskussion auf der Hauptbühne der Konferenz, weil ihn die Moderatorin schon einmal als "Kanzler" begrüßt hatte. Dazwischen lägen noch 60 Millionen Stimmen, bemerkte Merz bescheiden, aber gut gelaunt. Zur Frage der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ob er bereit zur Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine sei, rang sich der Kanzlerkandidat ein "Ja, aber" ab. Ja, sagte Merz, Deutschland sollte die Raketen liefern, aber nur in Absprache "mit den europäischen Partnern".

Europäer und insbesondere Deutsche machten sich nicht nur Sorgen um die Sicherheit, sondern auch ums Geld. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug Ausnahmen vom europäischen Stabilitätspakt vor, wenn Mitgliedsstaaten deutlich mehr Geld für die Verteidigung ausgeben und dazu Schulden machen wollten. Ohne Lockerung der Schuldenbremse werde man den notwendigen massiven Aufbau der Bundeswehr nicht schultern können, betonte Scholz. Der Kanzler erwartet, dass dies nach der Bundestagswahl unverzüglich angegangen wird, unabhängig davon, wer dann regiert. Merz vermied es, eine deutliche Existenzgarantie für die Schuldenbremse abzugeben und lenkte ab. Erst müsse man die Themen Standardisierung, Vereinfachung und Skaleneffekte bei den Nato-Armeen angehen, so der Kanzlerkandidat. Vorher mache es gar keinen Sinn, "Zahlen zu diskutieren".

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"Das gehört sich nicht unter Freunden"

Die Provokation von US-Vizepräsident wirkte nach. Kanzler Scholz erinnerte den nicht mehr anwesenden Stellvertreter Trumps an dessen Besuch im Konzentrationslager Dachau. So etwas dürfe nie wieder passieren, hatte Vance bei dieser Gelegenheit gesagt. Das sei mit Vances Unterstützung für die AfD "nicht in Einklang zu bringen", schimpfte Scholz. Zugunsten dieser Partei in die deutsche Demokratie und die Wahlen einzugreifen "gehört sich nicht unter Freunden. Das weisen wir zurück". Kanzlerkandidat Merz war in diesem Punkt einmal mit Scholz einig. In Berlin werde kein missliebiger Journalist aus der Bundespressekonferenz verbannt, wie das im Weißen Haus unter Trump der Fall sei, startete Merz einen Gegenangriff auf Vances Schelte. 

 

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  • AufmerksamerBürger am 16.02.2025 15:34 Uhr / Bewertung:

    Scholz wirkt wie ein trotzig heulender Bub, der zur Strafe ins Zimmer geschickt wurde und noch immer nicht verstanden hat warum dies zurecht so geschehen musste.

    Man kann der U.S.- Regierung dankbar sein, dass sie soviel Charakter hat, auch unter Freunden Missstände klar anzusprechen.

    Weber fällt immer mehr als Apparatschik stalinistischer Prägung auf, dem es einzig und allein nur darum geht, sich und seine Clique an der Macht zu halten.

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