Na Prost! Bier-Streik in München

München - Hunderttausende Flaschl bleiben leer, zig Fassl ebenso, und Lastwagen bleiben stehen. Zuadraht is! In den großen Braustätten der Stadt, in Riem und Langwied, am Marsfeld und im Westend, läuft am Dienstagmorgen nichts, kein Augustiner, kein Hacker, kein Löwenbräu. Weil die Brauer nicht da sind. Sie stehen stattdessen an der Kreuzung der Brienner Straße zum Oskar-von-Miller-Ring und sind grantig. Der Grund: Im Braugewerbe schäumt’s.
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Der Münchner Bier-Streik ist Teil des aktuellen Tarifkonflikts im Gewerbe. Nach einem guten Jahr für die Brauereien wollen die Angestellten ihren Teil vom Erfolg und fordern sechs Prozent mehr Lohn. Sauber zu viel, sagen die Unternehmer und bieten 1,6 Prozent. Für die Brauer ist das wiederum nicht mehr als ein Noagerl.
Nichts läuft mehr: Ab sechs Uhr in der Früh stehen die Anlagen still
Darum hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu einem Warnstreik aufgerufen – und die Brauer haben mitgemacht. Am Dienstagmorgen um sechs Uhr steht die Frühschicht zwar in allen Betrieben bereit, gearbeitet wird aber nicht. Die Anlagen bleiben aus, die Brauer treten in den Ausstand. Acht Stunden lang wird kein Münchner Bier produziert, zumindest keines der hiesigen Großbrauereien.
Was das heißt, lässt sich zum Beispiel an der Produktion von Hofbräu ausrechnen. Im Bräu des Freistaats werden in einer normalen Schicht pro Stunde rund 30 000 Flaschen abgefüllt. In acht Stunden macht das also 240 000 Flaschen.
Hunderttausende Liter Bier werden nicht abgefüllt
Dazu kommen noch die Fassl für die Gastronomie, im Fachjargon „Kegs“ genannt. Hier gibt es unterschiedliche Größen, aber im Schnitt werden pro Schicht mindestens 56 000 Liter in Fässer gepumpt. Zusammen mit dem Flaschenbier geht’s also um insgesamt rund 176 000 Liter. Und das allein bei Hofbräu.
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Zum Vergleich: Aufs Jahr gesehen produziert der Brauriese Paulaner gut das Achtfache mehr als Hofbräu. Insgesamt bleibt also schon ganz schön was im Kessel am Dienstag.
Rund 350 Brauer sind bei dem Streik dabei. Dabei heißt Brauer nicht unbedingt, dass jemand am Kessel steht und nach dem Sud schaut – auch Beschäftigte, die etwa an der Abfüllanlage arbeiten, gehören dazu. „Diese Mitarbeiter haben es verdient, am Erfolg der Brauereien beteiligt zu werden“, sagt Freddy Adjan der AZ. Der NGG-Landeschef führt für die Gewerkschaft auch die Tarifverhandlungen und fordert nicht nur sechs Prozent mehr für jeden Angestellten, sondern auch ein Plus von 50 Euro für alle Auszubildenden.
Die bayerischen Brauereien hätten im vergangenen Jahr rund 2,5 Prozent mehr Bier verkauft, im Export habe die Bierausfuhr aus Bayern mit knapp 21 Prozent „ein nie gesehenes Niveau erreicht“. Entgegen dem bundesweite eher ernüchternden Trend stünden die Bier-Unternehmer im Freistaat gut da.
Gibt es morgen keine Lösung, droht der Dauer-Ausstand
Das stimme schon so, sagt Lothar Ebbertz vom Brauerbund. Er ist Adjans Gegenüber bei den Tarifverhandlungen. Allerdings müsse man auf die letzten 15 Jahre schauen. Über diesen Zeitraum sei der Absatz nur um rund sechs Prozent gewachsen, die Löhne wesentlich stärker, ebenso wie die Preise, etwa für Rohstoffe. Deshalb sei das Angebot von 1,6 Prozent mehr Lohn durchaus ein gutes, meint Ebbertz. „Eine Frechheit“, nennt es hingegen Freddy Adjan. Sechs und 1,6 Prozent, das ist natürlich wie der Vergleich von Wiesn-Bier mit Radler vom Scheps. Da wird man sich nicht so schnell einig, weshalb die Verhandlungen bisher auch gescheitert sind. Am Donnerstag steht nun eine neue Runde an. Und dann könnte es ernst werden: Denn für den Fall, dass das Tarifgespräch scheitert, droht NGG-Funktionär Adjan mit einem unbefristeten Streik.
Geht dann das Bier aus? So weit wird’s wohl nicht kommen. Zwar würde es bei den Brauereien nach etwa einer Woche Ausstand doch stark spürbare Lieferengpässe geben, aber vorher sollte man sich doch zusammengerauft haben. Vielleicht hilft ja eine Halbe Bier.