MVV: So fährt München in (die) Zukunft

München - Tag für Tag quälen sie sich aufs Neue in und durch die Stadt: Nicht nur in den Autos im leidvollen Stau. Nein, es sind auch jene, die mit immer höheren Rekordwerten auf dem Ökoticket Busse und Bahnen benutzen. Sie drängen sich täglich zu Hunderttausenden in U- und S-Bahnen, in Bussen und Trambahnen.
Kein Wunder: Allein München ist in den vergangenen zehn Jahren um zwei Großstädte gewachsen! Mehr Bürger, mehr Umsteiger vom Auto, mehr Fahrgäste: Da stößt das System MVV und Öffentlicher Nahverkehr im rasant wachsenden München und in der immer weiter reichenden Region immer häufiger an die Kapazitätsgrenzen.
Wohin fährt der Zug in den nächsten Jahren? Was braucht München – und wie soll das bloß funktionieren?
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Die Summen für die Investitionen sind gigantisch: Allein die MVG (Stadtwerke) gibt dieses Jahr 335 Millionen Euro für neue Busse, U-Bahnen, Trambahnen und Gleiserneuerungen aus.
Der Wachstumsfaktor ist gewaltig und viel höher als in früheren Jahrzehnten, dass die Verantwortlichen mit dem Bau nicht nachkommen. Es dauert Jahre, bis eine neue Strecke geplant und gebaut ist, es dauert inzwischen wegen der immer komplizierteren Genehmigungsverfahren auch Jahre, bis neue Tram- und U-Bahnen ausgeliefert werden können.
Heute leben in München 1,464 Millionen Menschen. Vor zehn Jahren waren es nur 1,273 Millionen – das sind fast 200000 mehr geworden. Das entspricht zwei Großstädten.
Nach den Prognosen sollen es bis Ende des Jahres 1,5 Millionen sein – und in zehn Jahren 100000 Bürger mehr werden (1,6 Millionen). Allein in München.
Das Umland wächst auch mit, und das Einzugsgebiet wird immer größer. „Gleichzeitig wandelt sich das Mobilitätsverhalten: weg vom Auto“, stellt MVG-Chef Herbert König fest.
Die MVG plant deshalb einen eigenen Fahrradverleih. Und der Dachverband MVV bietet bereits Carsharing-Kooperationen. Das Statistische Amt der Stadt schlussfolgert: „Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur spielt mit zunehmender Distanz zwischen Arbeits- und Wohnort eine entscheidende Rolle.“
Die Pendlerströme werden immer größer: Nach der letzten Zählung im Jahre 2011 pendelten täglich 325000 Menschen nach München herein – und 135000 aus der Stadt heraus, fand das Statistische Amt heraus. Die Zahl der Pendler stieg seit dem Jahr 2000 um rund 30 Prozent.
Im vorigen Jahr wurden im gesamten MVV-Raum 13 Millionen Fahrten mehr gemacht. Allein die MVG in München kam bei U-Bahn, Bus und Tram auf zusammen 544 Millionen Fahrten. Bis zu 800000 Fahrten zählt die S-Bahn an einem Tag im gesamten Raum.
„Die U-Bahn hat überdurchschnittlich steigende Fahrgastzahlen“, berichtet König über die vergangenen Jahre: Um bis zu zehn Millionen Fahrten im Jahr: Von 2007 bis 2012 ein Plus von 12,5 Prozent.
Aber jetzt wird es eng. Der MVV und seine Gesellschaften (S-Bahn, Regionalbusse und MVG – U-Bahn, Bus und Tram in München) bekommen das zu spüren. Deshalb melden sie seit zehn Jahren auch immer neue Rekorde.
Aber das System ist nicht im gleichen Maße mit gewachsen. Nur die Preise.
Auf vielen Ebenen wird geplant:
U-Bahn
- Als Schnellmaßnahme Taktverdichtungen auf der U2, U3, U6 und eine neue Verstärkerlinie U10 Richtung Norden. Das fängt gerade einmal die Wachstums-Kapazitäten der nächsten sechs Jahre ab.
- Deshalb plant die MVG eine neue, sechs Kilometer lange U-Bahnlinie U9: Implerstraße, Theresienwiese-Hautbahnhof (mit einem eigenen U-Bahnhof), Pinakotheken, Giselastraße (der Halt würde vierspurig ausgebaut) zur Münchner Freiheit. Das brächte für Hauptbahnhof, Oktoberfest und Arena-Besucher eine spürbare Entlastung.
- Eine U5 nach Pasing wurde im Rathaus lange verschleppt. Jahrelang von der CSU gefordert, erkennt jetzt auch die SPD die Notwendigkeit.
- Dieses Jahr kauft die MVG für 175 Millionen Euro neue U-Bahnzüge. Damit kann das Angebot ausgeweitet werden.
- Modernisierung von U-Bahnhöfen: Am Hauptbahnhof und Marienplatz wird schon gearbeitet (Kosten nur dieses Jahr: 23 Millionen Euro). Ab 2016 will die MVG den von Menschenmassen völlig überlasteten Halt Sendlinger Tor (145000 Ein- und Umsteiger am Tag) komplett umbauen und mit neuen Wegen die Engstellen auf den beiden U-Bahnebenen beseitigen.
Tram
- Am weitesten sind die (umstrittenen) Pläne für die Westtangente vom Romanplatz zur Aidenbachstraße durch die Fürstenrieder Straße. Dieses Jahr gibt die MVG 32 Millionen für neue Trambahnfahrzeuge aus, und mehr als 20 Millionen für Gleiserneuerungen bei Tram, und U-Bahn.
- Im Entwurf steht der Plan für eine 2,7 Kilometer lange „Steinhausen-Tram“ vom Max-Weber-Platz-Einsteinstraße-Vogelweideplatz zum S-Bahnhof Berg-am-Laim.
- Vorgesehen sind: Die Verlängerung der Parkstadttram 23 nach Norden, die Nordtangente zwischen Neuhausen und Bogenhausen (durch den Englischen Garten) oder die Tram zum neuen Stadtteil Freiham.
S-Bahn
Ob die milliardenschwere zweite Stammstrecke jemals kommt, weiß heute niemand zu sagen. Die Pläne sind noch nicht komplett genehmigt, und die Finanzierung steht nicht.
Zuständig ist allein der Freistaat, nicht die Stadt. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat zum Jahreswechsel angekündigt, den bisherigen Zeitplan zu verwerfen und eine völlig neue Kosten- und Realisierungsplanung machen zu lassen.
Kritiker meinen: Wenn schon zweite Röhre, dann soll sie auch von Regionalzügen befahren werden können. Das entlaste den Bahnknoten München.
Der Widerstand gegen die zweite Röhre ist groß. Aber sie wird gebraucht – vom wachsenden Umland und seinen Pendlern.
Was auf der Wunschliste der Kunden steht: Eine Vereinfachung des Tarifsystems, eine Ausweitung des MVV-Gebiets, mehr Tangential-Linien (auch für die S-Bahn).