MVG-Chef: Bis 2030 ist die Bus-Flotte elektrisch

München - Ingo Wortmann (46) ist seit November 2016 Chef der MVG.
AZ: Herr Wortmann, was ist Ihr liebstes Verkehrsmittel?
INGO WORTMANN: U-Bahn, Bus und Tram. Und für Fernreisen am liebsten die Eisenbahn. Ich sitze lieber im verspäteten Zug, als mit dem Auto im Stau zu stehen.
Haben Sie selbst kein Auto mehr?
Ich besitze eins, bin aber in 3,5 Jahren nur rund 1.500 Kilometer pro Jahr damit gefahren. Da sind auch Fernfahrten dabei.
Wir sitzen in einem neuen E-Bus der Linie 100. Bis wann wird diese Linie komplett elektrisch betrieben?
Wir haben momentan bis zu fünf E-Busse hier im Einsatz. Unser Ziel ist es, im zweiten Halbjahr dieses Jahres auf der Linie nur noch Elektrobusse einzusetzen.

Warum gerade die Linie 100?
Auf einigen Abschnitten der Linie ist die Luftbelastung besonders hoch. In der Prinzregentenstraße – oder in einigen Bereichen der Innenstadt.
Ist München im Vergleich zu anderen Städten Vorreiterin?
Einige andere Großstädte machen das auch schon so wie wir. Die Hamburger haben jetzt sehr viele Elektrobusse bestellt. Sie fokussieren sich ähnlich wie wir auf Elektroantrieb. Und Wiesbaden als kleinere Landeshauptstadt zum Beispiel auch.
"So richtig rentieren wird sich ein E-Bus vorerst nicht"
Also eher Mitschwimmerin?
Ja. Und das ist auch ganz gut so.
Bitte erklären Sie das.
Wir stellen gerade fest, dass E-Busse eine Serienreife bekommen. Die Bonner zum Beispiel waren zwar Vorreiter, haben aber teilweise E-Busse gekauft, bei denen sind die Türen herausgefallen.

Das passiert uns heute auf der Fahrt nicht, oder?
Nein, der Bus von der niederländischen Firma Ebusco macht bisher einen sehr guten Eindruck.
Was kostet so ein E-Bus?
Ein Elektro-Bus kostet das Doppelte von einem Dieselbus.
Wie wird das finanziert?
Über Fördermittel vom Bund und Freistaat. Auch die Stadt finanziert mit.
Wie viele Jahre muss der Bus fahren, bis sich die Anschaffung lohnt?
So richtig rentieren wird sich das vorerst nicht. Der Elektrobus ist zwar teurer in der Beschaffung als ein Dieselbus, aber von der Wartung und Instandhaltung günstiger. Das wird aber wieder aufgehoben dadurch, dass man beim Elektrobus nach etwa sechs Jahren einen Batterietausch machen muss. Das kann sich aber ändern, wenn die Batterien besser werden und die Preise für Elektrobusse sinken.
Wie viele Kilometer kann ein E-Bus fahren?
Etwa 250 Kilometer. Die Busse laden dann im Wesentlichen über Nacht im Betriebshof.
Also sind sie längst noch nicht auf allen Linien einsetzbar.
Was noch nicht geht, sind 300 oder gar 400 Kilometer am Tag. Gerade auf langen Linien kommen solche Umläufe vor.
Bis 2030 wollen Sie die gesamte MVG-Busflotte auf E-Fahrzeuge umstellen. Ist das wirklich realistisch?
Das ist auch deswegen ein sehr ambitioniertes Ziel, weil München wachsen wird. Das heißt, wir müssen nicht nur unsere heutigen Busse auf E-Betrieb umstellen. Sondern wir müssen nach unseren ersten Berechnungen noch mal 450 zusätzliche Busse kaufen und unsere Flotte damit fast verdoppeln. Somit kämen wir 2030 nach unseren Plänen auf insgesamt rund 1.000 Elektrobusse. Wir müssen sicherstellen, dass wir dafür mehr Fördergelder über einen längeren Zeitraum bekommen.
"Wasserstoff-Busse haben eine ganz andere Reichweite"
Die MVG will sich immer mehr mit dem Umland vernetzen. Wie können in ländlichen Regionen, in denen die Kilometerleistung höher ist, E-Busse funktionieren?
Ich halte es durchaus für möglich, dass wir da künftig Wasserstoff-Technologie einsetzen. Mit Strom erzeugen wir dabei Wasserstoff, dadurch wird die Energie lagerfähig. Wasserstoff-Busse haben eine ganz andere Reichweite.
Bei der U3 und U6 sollen im Sommer die Weichen erneuert werden. Auch hier soll der Busverkehr während der Zeit den der U-Bahn ersetzen. Müssen dann nicht im Minutentakt Busse fahren?
Alle zwei Minuten wird da in Spitzenzeiten ein Bus fahren.
Der dann im Stau steht.
Die Busse werden beschleunigt über Lichtsignalanlagen. Damit reduzieren wir das Risiko, dass sie ständig im Stau stehen.
Der Streckenabschnitt ist erst der Anfang. Sie haben gesagt, dass die Schienen überall veraltet sind.
Wir werden auch die Weichen am anderen Bahnhofskopf der Münchner Freiheit austauschen müssen. Beim Fahrweg liegt der Erneuerungsbedarf in den nächsten zehn Jahren bei rund 6.000 Metern Schiene und durchschnittlich etwa fünf Weichen pro Jahr.

Der Stadtrat will jetzt auch noch Nacht-U-Bahnen. Wahnsinnig schwierig bis gar nicht umsetzbar?
Durchgängig unter der Woche wäre das sehr schwierig. Da bauen wir ja nicht nur, sondern inspizieren und warten die Strecke. An den Wochenend-Nächten ist das eher machbar. Aber ich finde auch: Nur die U-Bahn bringt nichts, wir müssen uns das ganze Nachtnetz anschauen. Also auch Trambahnen und Nachtbus. Und wir schauen, ob wir den Isartiger verstärkt nachts einsetzen. Wir wollen da übrigens künftig mit den Taxis zusammenarbeiten – nicht gegen sie.
Ist die Nacht-U-Bahn nicht auch ein Sicherheitsthema?
Am Wochenende haben wir nachts vor allem Partygänger. An U-Bahnstationen, die weniger nachgefragt sind, müssen wir schauen, wie das sicherheitstechnisch geht. Beim Bus ist das ein bisschen anders. Da hat man einen direkten Kontakt zum Fahrer, der Gefahrensituationen auch sieht – und im Zweifel Hilfe rufen kann. In einer Marktforschung, die wir durchgeführt haben, haben – ganz grob zusammengefasst – rund 50 Prozent der Befragten gesagt, dass sie eine Nacht-U-Bahn nutzen würden. Die anderen 50 Prozent fahren in dieser Zeit viel lieber Bus oder Tram-Bahn. Deshalb schauen wir jetzt auch, wie man damit in Hinblick auf die Kundenwünsche umgeht.
"Nachwuchs? Suchen wir bei Firmen, die in die Insolvenz geraten"
Wie sieht es mit der Fahrer-Suche bei der MVG aus?
Bei den Busfahrern läuft sie momentan sehr gut. Wir haben das Bewerbungsverfahren deutlich vereinfacht. Und wir schauen bei Firmen, die in die Insolvenz geraten sind, ob wir da Leute gewinnen können.
Im Ernst?
Ja klar. Wir fahren dann in Absprache mit der Firmenleitung mit Info-Bussen aufs Firmengelände und werben um neue Kolleginnen und Kollegen.
Sind Busfahrer einfacher zu finden als U-Bahn-Fahrer?
Ja. Die U-Bahn-Fahrer arbeiten den ganzen Tag unterirdisch. Morgens im Dunkeln runter und abends im Dunkeln wieder hoch – das kann etwas mit einem machen. Wir haben neue Kollegen, die bei der ersten praktischen Fahrt merken: Das ist nichts für mich, mit 80 Kilometern pro Stunde durch einen dunklen Tunnel zu rasen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Busfahrer, die nicht den ganzen Tag durch dieses Verkehrsgewusel fahren möchten. Die sind dann mal ganz froh, wenn sie im dunklen Tunnel hin- und herfahren können.
Gibt es Fahrer, die deshalb beides machen?
Ja. Und das wollen wir stärker ausbauen. Wir arbeiten gerade daran, dass wir mit der Gewerkschaft Qualifizierungsstufen verhandeln. Wer mehr fahren kann, ist vielfältiger einsetzbar, qualifizierter – und soll dementsprechend auch mehr verdienen.
Der Sharing-Markt breitet sich insgesamt immer mehr in der Stadt aus. Stehen Carsharing und Co. Ihren Mobilitätsplänen im Weg?
Überhaupt nicht. Die Leute, die Sharing-Autos nutzen, haben in der Regel kein privates Auto. Und fahren automatisch auch mehr ÖPNV. Wir wollen alles auf einer Plattform unterbringen. Dazu unterhalten wir uns derzeit mit verschiedenen Anbietern. Wir wollen München zur Sharing-Metropole machen!
Werden da bald auch Fahrdienstanbieter wie Uber zu finden sein?
Das wissen wir noch nicht. In jedem Fall aber gilt: Wenn wir einen Haufen Uber-Autos und weniger ÖPNV-Fahrgäste in der Stadt haben, dann nutzt das der Verkehrswende überhaupt nicht. Im Gegenteil: Das würde das Verkehrsproblem noch verschärfen.
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