Münchner Wirt serviert Stierhoden
Im Lokal „Braunauer Hof“ wird wieder „Stierbeutel“ serviert. AZ-Kolumnist Graeter weiß Bescheid
Eine Münchner Delikatesse, die jahrelang verboten war, taucht neuerdings in den Speisekarten gehobener bayerischer Küche wieder auf. EU-Recht macht's möglich. In Rudi und Burgi Plabsts Traditionsgaststätte „Braunauer Hof“ beim Isartor, bekannt auch für exzellentes Gulasch, gibt es seit neuestem „Stierbeutel“.
Rudi bietet die Feinkost, der man aphroditische Wunderwirkung nachsagt, sauer oder überbacken an. Ich bestellte sauer, zubereitet wie Niere sauer, und bekam ein sterneverdächtigen Gericht serviert, mit Biss und einmaliger Soße, für die ich zum Schluß radikal das ganze Brot vom Korb aufbrauchte.
Als Stierhoden bei uns, in Madrid oder Sevilla ganz selbstverständlich auf der Karte, strikt untersagt waren und sich die Metzger strafbar machten, wenn sie diese Organe nicht der Pharmazie zur Verfügung gestellt haben, gönnten sich namhafte Feinschmecker im Geheimen die rustikale Sünde. Später kam noch ein jetzt ausgehebeltes Gesetz heraus, dass in Bayern keine Geschlechtsteile auf den Teller kommen.
Einmal im Jahr wurden sogar im konspirativen Kreis auf dem Oktoberfest in einem Zelt Stierbeutel aufgetischt, so groß war das Verlangen und der damalige Wiesn-Wirt deklarierte die Speise mit dem allergrößten schlechten Gewissen als „Niere sauer“.
Man wollte wichtigen Herren den Gaumen-Wunsch nicht abschlagen. Franz Josef Strauß und der verstorbene Regierungssprecher und „Bild“-Chefredakteur Peter Boenisch lechzten danach und fuhren meilenweit, wenn jemand mit Rinderhoden lockte. Münchens legendärer Sheriff Manfred Schreiber zählt zu den Fans, wie auch die Politiker Peter Gauweiler und Thomas Zimmermann, „Boettner“-Senior-Chef Roland Hartung, der smarte Sportrechte-Boss Martin Steinmeyer („Infront“) und Frankfurts Groß-Reinigungsunternehmer Klaus Gramlich.