Münchner Virologe Keppler: Omikron nicht mild - Kliniken vor neuer Welle

Seit bald zwei Jahren bestimmen die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen den Alltag. Der Münchner Virologe Oliver T. Keppler hält die Prophezeiungen eines baldigen Endes der Pandemie für gefährlich.
AZ/dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
7  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Oliver T. Keppler, Vorstand am Max-von-Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. (Archivbild)
Oliver T. Keppler, Vorstand am Max-von-Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. (Archivbild) © MvP-Institut/scienceRELATIONS/dpa

München - Die deutschen Krankenhäuser steuern nach Einschätzung des Münchner Virologen Oliver T. Keppler auf neuerlich sehr hohe Zahlen von Corona-Patienten zu. 

Oliver Keppler: "In den USA sehen wir ein monströses Infektionsgeschehen"

Die Wucht der Infektionswelle wird sich nach Einschätzung des Wissenschaftlers in den Kliniken niederschlagen. "Eine Verharmlosung von Omikron wäre daher fatal, die häufig zu lesende Einordnung als "mild" halte ich für brandgefährlich", sagte der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität der Deutschen Presse-Agentur.

Die Ausgangslage in Deutschland sieht Keppler wegen des vergleichsweise hohen Durchschnittsalters der Bevölkerung und vieler Ungeimpfter als schwierig an.

"In den USA sehen wir ein monströses Infektionsgeschehen mit bis zu einer Million neuer Infektionsfälle am Tag", sagte der Vorstand des Max von Pettenkofer-Instituts. "Dort sind mehr Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern als jemals zuvor in der Pandemie, und auch die Todesfallzahlen nehmen in den letzten Wochen wieder deutlich zu. Das ist nun alles andere als "mild"."

Wie steht es um Omikron-Infektionen im Kontext von Long Covid?

Vorläufige Untersuchungen aus Großbritannien und den USA deuteten darauf hin, dass Omikron-Infektionen in der Breite etwa zwei bis dreimal seltener zur Einweisung ins Krankenhaus führten als Delta-Infektionen. Keppler:  "Aber diese neue Variante erzeugt ja eine viel höhere Infektionsdynamik mit Neuinfektionszahlen, die zehn- bis zwanzigfach höher liegen als in der Delta-Welle zu einem vergleichbaren Zeitpunkt."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Darüber hinaus gab Keppler zu bedenken, dass die langfristigen Auswirkungen von Omikron-Infektionen noch nicht im Kontext von Long Covid untersucht werden konnten.

Keppler: Deutschland mit besonderer Konstellation von Demographie und Immunität

Deutschland sei glücklicherweise etwa vier bis fünf Wochen hinter der Omikron-Welle in den USA und Großbritannien zurück und könne daraus lernen, sagte der Virologe. "Auch in Deutschland werden wir bald 200.000 bis 400.000 Neuinfektionen am Tag sehen. Das wird ohne Zweifel unsere Normalstationen in den Kliniken stark belasten und den Regelbetrieb einschränken."

Leider habe Deutschland "noch eine besondere Konstellation von Demographie und Immunität, die Sorge bereitet", sagte Keppler. "Wir haben etwa 17 Millionen Ungeimpfte, die meisten davon sind wahrscheinlich auch ungenesen. Davon sind etwa 2,5 Millionen über 60, haben also ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe, die eine Behandlung auf der Intensivstation zur Folge haben können. Das unterscheidet uns von anderen Ländern."

Keppler: "Bei uns trifft Omikron auf Ungeimpfte und Ungenesene"

Auch ein Vergleich mit dem Verlauf der Omikron-Welle in Südafrika mache wenig Sinn. Dort sei die Bevölkerung viel jünger. Die Impfquote liege zwar nur bei 30 Prozent, aber man gehe davon aus, dass der größte Teil der Bevölkerung sich schon zwei- oder dreimal infiziert habe. "Bei uns dagegen trifft Omikron auf Ungeimpfte und Ungenesene, von denen viele im Risiko sind."

Keppler kritisiert Vorhersagen eines baldigen Endes der Corona-Pandemie

Hilfreich gegen die Omikron-Welle könnte nach Kepplers Einschätzung die Kooperationsbereitschaft der Bürger sein. "Da ist Deutschland zum Glück eher auf der vorsichtigen Seite mit Regeln, die ständig an die Infektionsdynamik und die Belastung des Gesundheitssystems angepasst werden. Auch die Disziplin in der Bevölkerung hinsichtlich des Tragens von Masken ist bei uns im Verhältnis zu anderen Ländern sehr gut."

Keppler kritisierte die Vorhersagen eines baldigen Endes der Pandemie: "Die Leute, die teilweise jetzt schon zum dritten Mal lautstark das Ende der Pandemie ausrufen, sollten ein bisschen zurückhaltender sein, weil viele Menschen dann unvorsichtig werden und größere Risiken eingehen."

Der Virologe warnte, dass die Pandemie auch im Herbst noch nicht überwunden sein könnte: "Basierend auf den Erkenntnissen der letzten zwei Jahre müssen wir aber davon ausgehen, dass Menschen, die sich jetzt mit Omikron infizieren und eine Impfung ablehnen, im Herbst bereits fast keinen Immunschutz gegen eine neue SARS-CoV-2-Variante mehr haben werden."

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
7 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Leserin am 22.01.2022 12:39 Uhr / Bewertung:

    Danke für dieses Interview/diesen Beitrag. Ein Wissenschaftler ohne Glaskugel dafür beobachtet er offensichtlich die Entwicklungen in der Welt, wägt ab ob und wie die Erkenntnisse auf unsere Situation übertragen werden können. Er beschränkt seine Vorhersagen auf das, was statistisch aufgrund der Fallzahlen erwartbar ist und gibt keine Vorhersage für die weitere Zukunft, sonder mahnt zur Vorsicht, weil es ja immer wiede neue Mutationen geben kann. Er sagt auch klar, wo die Wissenschaft noch nicht genug weiss. Das sollte alles Wissenschaftlicher Standard sein. Ist es aber leider im Lärm der Corona-Bberichterstattung nicht mehr. Umso erfrischender hier über Herrn Keppler zu lesen. Danke!

  • BBk am 22.01.2022 12:33 Uhr / Bewertung:

    Gottseidank gibt es also auch noch Virologen - und man muss extra betonen - vernünftige Virologen, die nicht den Politikern nach dem Munde reden und aus reiner Medien-Geilheit überall versuchen mit neuen Thesen anzukommen

  • Kampf den Schwurblern am 22.01.2022 15:06 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von BBk

    BBK
    Ja das sie schreiben ist ja alles gut und schön, jetzt kommt das große " Aber "
    Der Virologe Keppler hat recht, doch was macht Söder-Lockerungen und meint.
    ( Wir können Omikron nicht mit Delta vergelichen und beruft sich auf Impfungen und Medikamente.
    So was nun tun und glauben.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.