Münchner verwundert über Strompreise: Kaufen die Stadtwerke falsch ein?

Warum unterscheiden sich die Strompreise in den Städten? Ein Münchner glaubt, die Stadtwerke kaufen falsch ein. Im Rathaus geben ihm manche recht.
Myriam Siegert
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
23  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bernd Gerstlauer ärgert sich, dass der Münchner Stadtwerke-Strom teurer ist als der in anderen Städten.
Bernd Gerstlauer ärgert sich, dass der Münchner Stadtwerke-Strom teurer ist als der in anderen Städten. © Daniel von Loeper

München - Gute 75 Kilometer, etwas über eine Stunde Fahrt, liegen zwischen München und Landshut. Bernd Gerstlauer fährt die Distanz regelmäßig. Gemeinsam mit seiner Frau kümmert sich der Obergiesinger um seine über 90-jährige Schwiegermutter, erledigt wichtige Angelegenheiten für sie.

Große Schere: Strom in München teurer als in Landshut

Als ihm die alte Dame neulich ihre Benachrichtigung zur Strompreiserhöhung zeigt, wundert er sich. "Zu unserem großen Erstaunen haben wir festgestellt, dass die Stadtwerke Landshut die Preise für eine kWh Strom um gerade einmal 6,16 Cent, von 22,72 Cent auf 28,88 Cent erhöhen", so Gerstlauer zur AZ. "Ab dem 1. Januar 2023 kostet die kWh in Landshut bei mittlerem Verbrauch 28,88 Cent brutto, also knapp halb soviel wie in München bei den SWM." Er selbst zahle derzeit 23,55 Cent pro kWh, ab 1.1. soll der Preis auf 58 Cent steigen, so Gerstlauer. Wie eine solche Diskrepanz zustande kommt, das möchte er gerne wissen.

Gerstlauer erklärt, er sei seit über 30 Jahren Kunde im Ökostromtarif der SWM, vor zwei Jahren habe er sich aus ökologischen Gründen ein E-Auto gekauft. Dass die Kosten dafür nun so sehr steigen, davon sei er natürlich nicht begeistert.

Gerstlauer schreibt an die SWM und auch an den OB, mit der Bitte um eine Erklärung für die Preispolitik der Stadtwerke. Er erhält eine Antwort, allerdings vom Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner.

Stromeinkauf: Landshuter besseren Job als die Münchner gemacht

Die SWM würden die benötigte Energie über einen längeren Zeitraum hinweg beschaffen. Dies sei nachhaltig und sicher und habe sich bewährt, heißt es darin. Für das Lieferjahr 2023 sei eine extreme Steigerung der Beschaffungskosten in den Zeitraum gefallen, in dem man noch einen erheblichen Anteil der benötigten Strom- und Erdgasmengen beschaffen musste.

Bernd Gerstlauer findet die Antwort eher unbefriedigend. "Warum die Stadtwerke Landshut ihren Kunden sehr viel günstigere Preise anbieten können, ist für mich daraus nicht ersichtlich." Sein Eindruck ist eher, "die für den Stromeinkauf verantwortlichen Personen bei den Stadtwerken Landshut haben ihren Job im Sinne der Kunden wesentlich besser gemacht."

Grundversorgung oder Großkonzern?

So sieht es auch ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff. Er kritisiert: Die Stadtwerke machten ganz offensichtlich Fehler in der Einkaufspolitik, würden zu kurzfristig agieren. "Dass die Stadtwerke so teuer einkaufen mussten, ist ein Versagen", so Ruff. Andere kauften Jahre im Voraus, so sei man Marktschwankungen weniger ausgesetzt. Die Ursache dafür vermutet Ruff in der Unternehmenskultur der SWM. Er sieht darin eher das "fast schon spekulative Gebaren eines Großkonzerns", "das hat mit Grundversorgung nicht mehr viel zu tun", so Ruff.

Tatsächlich liegen die SWM auch nach eigenen Angaben im Großstadtvergleich derzeit im oberen Preisbereich. Auf AZ-Nachfrage erklären die SWM, tatsächlich hätten die vergleichsweise hohen Preise in München mit dem Einkauf der Energieanteile zu tun. In einer Stellungnahme heißt es: "In diesem Jahr hatten wir den unglücklichen Umstand, dass wir noch ausstehende Anteile für den Kundenbedarf zu einem sehr hohen Preis einkaufen mussten." Als großer Versorger benötige man weit mehr Energieanteile, um alle Kunden zu versorgen, als ein kleinerer Energieversorger wie etwa Landshut.

In den aktuellen unvorhersehbaren Zeiten sei es nicht einfach, am Energiemarkt größere Mengen zu besorgen, ohne dass der Großhandelsmarkt unmittelbar mit Preissteigerungen reagiere. Es sei in diesem Sommer ungewöhnlich schwierig gewesen, Energie einzukaufen, weil Verkäufer zurückhaltend waren, so die SWM.

ÖDP: Antrag auf Stadtratshearing

ÖDP-Stadtrat Ruff nimmt das Beispiel München-Landshut nun jedenfalls als Anlass für einen Antrag im Stadtrat. Darin fordert er, die Verwaltung solle "zur extremen Teuerung der Strompreise der SWM" ein Stadtratshearing veranstalten. Zu dem sollen die deutschlandweit fünf Stadtwerke, die die günstigsten Strompreise anbieten können, eingeladen werden. "SWM-Chef Florian Bieberbach hat in der Vergangenheit nur zu deutlich gemacht, dass er dringend Nachhilfe von anderen deutschen Stadtwerken braucht", heißt es in dem Antrag.

Immerhin, etwas Verbesserung ist in Sicht: Die Stadtwerke verweisen darauf, dass sie die Preise für Privat- wie Gewerbekunden bis 100.000 kWh Jahresverbrauch zum 1. April 2023 um 10 Cent pro Kilowattstunde senken (AZ berichtete).

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Schon bei der Ankündigung der Preiserhöhung hätte man zugesagt, mögliche Spielräume zur Preissenkung sofort zu nutzen, so die SWM. Dies sei auch Wunsch des Oberbürgermeisters und der Stadtpolitik gewesen.

Eine solche Möglichkeit habe sich nun ergeben, da die SWM aus den Erträgen ihrer Windparks weniger als ursprünglich angekündigt an den Bund zur Finanzierung der bundesweiten Strompreisbremse abführen müssen. Dies nutze man, auch wenn der Stromvertrieb der SWM dadurch vorübergehend mit Verlust arbeiten werde.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
23 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Rudi 678 am 23.12.2022 17:55 Uhr / Bewertung:

    Jeder Kunde kann sich seinen Energieversorger für Strom und Gas aussuchen. Wenn der Herr meint Landshut bietet einen günstigeren Tarif, dann soll er einfach wechseln. Aktuell ist dies natürlich nicht so einfach, den etliche Versorger bieten gar keinen Tarif mehr an.

  • Dr. Schönfärber am 23.12.2022 14:38 Uhr / Bewertung:

    Die ganze E-Mobilität wird zum größten Rohrkrepierer der neueren Geschichte.

  • Glitzerkugel am 23.12.2022 15:06 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Dr. Schönfärber

    Von wegen. Die Chinesen wollten das, und sie bekommen es. Und da unsere Automobilindustrie vom chinesischen Markt abhängig ist bekommen wir es auch. Pech gehabt. 🤷

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.