Münchner Stadträtin Bettina Messinger (SPD) kandidiert nicht mehr: Will wieder leben
München - Während des Telefonats mit der AZ muss sich Bettina Messinger (SPD) immer wieder entschuldigen: Entweder, es fährt ein lauter Traktor vorbei oder sie ist gerade in einem Funkloch. Die ehrenamtliche Stadträtin nimmt sich während der politischen Sommerpause im Rathaus eine Auszeit: Sie wandert am Freitag mit Freunden von der Kreuzstraße über Hohendilching zur Mangfall.
Eine solche Ich-Zeit möchte sich die 51-jährige Münchnerin künftig viel häufiger gönnen: Am Donnerstagabend hat sie auf dem sozialen Netzwerk Twitter öffentlich verkündet, dass sie im März 2020 nicht mehr für den Stadtrat kandidieren möchte.
"Will in erster Linie wieder leben"
Messinger schreibt in ihrer Ankündigung von "insgesamt zu wenigen, die sich für etwas einsetzen". Nicht immer gehe es um das Allgemeinwohl und die Solidarität untereinander, sondern mehr um die eigenen Interessen – habe sie während ihrer Stadtratsarbeit gemerkt. Knatsch in der ohnehin schon von Krisen geprägten SPD? "Nein, das ist allgemeine Gesellschaftskritik. Meine Entscheidung ist persönlich. Ich will in erster Linie wieder leben", erklärt Messinger der AZ.
Auf ihrer Webseite schreibt sie, dass der Stadtrat nach wie vor ein Ehrenamt ist. Man bekomme zwar eine Entschädigung, "aber ist nicht sozial- oder krankenversichert", sagt Messinger, die zuletzt im Fraktionsvorstand und im Ältestenrat war. Im Stadtrat kümmerte sie sich zwölf Jahre lang thematisch vor allem um Frauen- und Gleichstellungspolitik und den Radverkehr der Stadt.
Hauptberuflich ist sie Gewerkschaftssekretärin bei Verdi Bayern für Frauen und Gleichstellung. Bisher hat sie beides gleichzeitig gemacht – und regelmäßig für Job oder Rathaus-Ehrenamt bis in die späten Abendstunden oder am Wochenende gearbeitet.
SPD bedankt sich bei Bettina Messinger
"Ich liebe meinen Beruf und möchte mich jetzt voll und ganz darauf konzentrieren", sagt Messinger der AZ. "Und freue mich darauf, wieder Freundschaften zu pflegen, mehr mit meinem Hund zu unternehmen, wieder mehr zu kochen, oder auch einfach mal nichts zu tun."
SPD-Politiker aus Stadt und Land äußern sich am Freitag zu Messingers Ankündigung. Der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn bedankt sich via Twitter für ihren Einsatz, genauso wie Markus Rinderspacher.
Auch Stadträtin Anne Hübner (SPD): "Wer ihre Begründung liest, bekommt eine Ahnung, wie es ist mit Job und Ehrenamt." Der AZ sagt sie: "Der Stadtrat ist ein gut entschädigtes Ehrenamt (Stadträte kassieren in München monatlich 2.769 Euro), aber der Zeitaufwand ist enorm."
"Man sollte gehen, wenn es am Schönsten ist"
Sie findet es "bitter, dass oft ausgerechnet die Stadträte mit großem inhaltlichen Anspruch gehen" – eben wegen des Zeitaufwands, den es braucht, alle Unterlagen zu studieren. Sie beobachte – und bedauere, dass vor allem viele Frauen den Stadtrat verlassen.
Auch in ihrer SPD: Neben Bettina Messinger hätten Birgit Volk, Heide Rieke und Ulrike Boesser angekündigt, nicht mehr zu kandidieren. Hübner gibt zu: "Ein Gedanke, der sicher jedem von uns schon mal durch den Kopf gegangen ist."
"Man sollte gehen, wenn es am Schönsten ist", findet Bettina Messinger. Befürchtet die Noch-Stadträtin, der ein guter Listenplatz für die Wahl 2020 eigentlich sicher war, etwa, dass auch die SPD-Fraktion ihre schönsten Zeiten bald hinter sich hat? "Es gibt viele gute Bewerber, darunter viele tolle Frauen, die für den Stadtrat kandidieren wollen", streitet sie ab.
Anne Hübner sieht das kritischer: "Kandidaten gibt es. Aber dass eine von ihnen Bettina Messinger ersetzen kann, glaube ich nicht." Bevor Messinger im März geht, möchte sie insbesondere noch für zwei Radwege kämpfen, sie "am liebsten gebaut sehen": einen durchgängigen zwischen Schwanthaler- und Paul-Heyse-Straße und einen an der Elisenstraße.
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