Münchner Rentner über Strompreise: "Langsam wird es zu viel"

Weil die Gaspreise so steigen, kann sich Walter Schoofs vieles nicht mehr leisten. Die Linke fordert einen Tarif für Bedürftige.
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Die Strom- und Gaspreise in München steigen und werden für manche so langsam zu hoch.
Marcus Brandt/Illustration/dpa Die Strom- und Gaspreise in München steigen und werden für manche so langsam zu hoch.

München - Walter Schoofs (76), Witwer und gelernter Schlosser, weiß, dass er nicht zu Münchens Ärmsten zählt. Und trotzdem kann er sich ein paar Träume, die er sich in seinem Ruhestand gerne erfüllt hätte, nicht mehr leisten. Denn jedes Jahr werde das, was er zahlen muss, ein bisschen mehr. "Und so langsam wird es zu viel", sagt Schoofs.

Das, was übrig bleibt, reicht nicht für viel

Er bekomme 1.700 Euro im Monat Rente und zahle für seine 63 Quadratmeter große Wohnung in Harlaching 900 Euro Miete. Von dem, was übrig bleibt, habe er in München keine großen Sprünge machen können. Aber so manches leistete sich der 76-Jährige doch: das Zeitschriften-Abo, ab und zu einen Urlaub mit dem Wohnmobil, dann und wann einen Theaterbesuch.

Vieles davon, befürchtet Schoofs, wird bald nicht mehr gehen. Vor ein paar Tagen bekam er Post von den Stadtwerken. Darin kündigten sie erhebliche Preiserhöhungen an: Ab Januar wird ein Zwei-Personen-Haushalt rund 23 Euro pro Monat mehr für Gas zahlen. Das ist ein Viertel mehr als früher. Auch die Strompreise steigen. Bei zwei Bewohnern werden es etwa vier Euro mehr.

Dass er diesen Winter frierend in der Wohnung sitzen wird, glaubt Walter Schoofs zwar nicht. "Mein Zeitungsabo werde ich vielleicht kündigen. Und ich werde wohl die ein oder andere Kulturveranstaltung nicht mehr besuchen."

Manche Träume müssen zerplatzen 

Und den Traum, einmal im Glacier Express durch die Schweiz zu fahren, wird er sich vielleicht nie erfüllen. "Natürlich kann ich auch ohne Glacier Express leben", sagt Schofs am Telefon und klingt doch enttäuscht: "Aber was machen erst die, die noch weniger haben als ich?"

Diese Frage stellt sich auch Stefan Jagel, der Chef der Linken im Stadtrat. Er befürchtet, dass der Winter für viele Münchner kalt werden könnte, weil sie die Heizung bei diesen Preisen lieber nicht aufdrehen.

Linke fordert einen Sozialtarif für Bedürftige

Jagel hat mit seiner Partei deshalb gestern beantragt, dass die Stadtwerke (SWM) einen extra Sozialtarif für bedürftige München schaffen sollen.

Der Tarif sollte aus Jagels Sicht maximal so teuer sein wie die Strom- und Gaspreise derzeit. In Anspruch sollen dieses Angebot all jene nehmen dürfen, die auch einen "München Pass" beziehen können.

Das sind nicht nur arbeitslose Menschen, sondern alle, die in München als armutsgefährdet gelten. Dazu zählen Menschen, die weniger als 1.350 Euro im Monat netto zur Verfügung haben. Mit dem "München Pass" erhalten sie einen günstigeren Eintritt in Museen und Schwimmbäder, auch das U-Bahn-Ticket wird damit billiger - und, wenn es nach der Linken geht, auch die Preise für Strom und Gas.

Stadtwerke sehen sich nicht in der Verantwortung

Doch die Münchner Stadtwerke wollen da nicht mitmachen. Auf eine AZ-Anfrage antwortet die Pressestelle: Als Energieversorger habe es sie nichts anzugehen, wie hoch das Einkommen ihrer Kunden sei: "Zumal Haushalte, die mit der Zahlung ihrer Energierechnung Probleme haben, in der Regel auch an anderen Stellen vor finanziellen Herausforderungen stehen." Vielmehr sei die Sozialpolitik gefragt. Als SWM arbeite man mit Sozialbürgerhäusern zusammen, dort bekämen Betroffene Beratung und Unterstützung: "Die Kooperation mit den Einrichtungen ist gut eingespielt und erfolgreich."

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Auch die Münchner Sozialdemokraten können dem Antrag wenig abgewinnen. Stadtrat Christian Köning, der sich bei der SPD um Sozialpolitik kümmert, sorgt sich zwar auch, dass sich viele das Heizen bald nicht mehr leisten können. Doch er fürchtet, dass mit einem Sondertarif vor allem die Bürokratie steige: "Wie sollen die Stadtwerke überprüfen, wer berechtigt ist?"

Auch die SPD will Anträge im Stadtrat stellen

Vielmehr sollte die Stadt von Menschen, die ihre Strom- und Gasrechnung nicht bezahlen können, die Rechnung übernehmen, fordert Köning. Anträge dazu will seine Fraktion in der nächsten Woche stellen.

Doch so weit, dass Mahnungen für die Stromrechnung im Briefkasten liegen, will es Stefan Jagel von der Linken gar nicht erst kommen lassen. Dass durch einen Sozialtarif wesentlich mehr Aufwand entsteht, fürchtet er nicht. Schließlich klappe es bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) auch, dass die Berechtigten ihren München Pass vorzeigen und ein günstiges Ticket erhalten.


Caritas: So lässt sich Strom sparen

Mit einem Kühlschrank, der wenig Strom verbraucht, lassen sich im Jahr zwischen 60 und 100 Euro sparen. Das schätzt Thomas Keimerl, der seit zehn Jahren für die Münchner Caritas als Energiesparberater arbeitet. Insgesamt sei es möglich, bis zu 150 Euro im Jahr an Kosten für Wasser, Strom und Gas zu sparen - man muss nur wissen wie.

Das Team der Caritas besucht deshalb Menschen in Stadt und Landkreis zu Hause, gibt Tipps und verschenkt Produkte, die beim Energiesparen helfen sollen - zum Beispiel neue Duschköpfe oder LED-Birnen und Steckerleisten. Auch beim Kauf eines neuen Kühlschranks oder einer neuen Gefriertruhe hilft die Caritas.

Einen Termin kann man unter stromspar-check-muc@caritasmuenchen.de oder unter 089/ 678202-70 ausmachen. Außerdem bietet die Caritas am Donnerstag, 11. November, ab 12 Uhr eine kostenlose Energiespar-Sprechstunde im Gebrauchtwarenhaus an der Dachauer Str. 192 an.

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39 Kommentare
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  • SL am 07.11.2021 14:25 Uhr / Bewertung:

    Kaiserin, evtl,. haben Sie überlesen, dass das die Durchschnittswerte für die Pensionen aus einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienst sind und nicht die Pensionen des gehobenen und höheren Dienst. Bei diesen liegen die Werte noch deutlich darüber

  • Kadoffesalod am 06.11.2021 11:15 Uhr / Bewertung:

    Wegen der Preiserhöhungen braucht man nicht auf den Stadtwerken herumhacken.

    Das Ganze ist das erklärte Ziel der grünen Politik. Bürger wie Walter Schoofs (welche von grünen Politikern und Politikerinnen als "alte weiße Männer" bezeichnet werden, sollen mit den Preiserhöhungen gezwungen werden, weniger Gas und Strom zu verbrauchen und durch die höheren Lebenserhaltungskosten gezwungen werden, auf individuelle Nutzung von Kraftfahrzeugen zu verzichten. Reisen mit dem Wohnmobil sind für Grüne ein unsozialer Luxus. Natürlich nur bei anderen. Bei sich selbst ist das ganz was anderes. Da genießt ein alter VW Bus ("Bully"), der weder Katalysator noch Partikelfilter hat, Kultstatus und ist ein Symbol der grünen-alternativen linken Kultur.
    Wer mit so einer Kiste (Verbrauch weit über 10 Liter / 100 km, Euro nix) auch heute noch unterwegs ist, wird als einer der ihren gefeiert. Hingegen wird der Fahrer eines Kompakt-SUV (Verbrauch um 7 Liter / 100 km, Euro 6 aufwärts) als Umweltsau beschimpft.

  • SL am 06.11.2021 19:31 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kadoffesalod

    Es gibt wohl nichts umweltfreundlicheres als ein Auto, wie z.B. einen VW Bully lange zu fahren. Alle zwei Jahre sich ein Auto anzuschaffen, noch dazu einen SUV ist wohl nicht umweltfreundlich. Schon mal was vom CO2-Rucksack bei der Herstellung gehört?

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