Münchner Rathaus-Beben: Was verloren geht
Alexander Reissl geht von der SPD zur CSU - und ist damit bei Weitem nicht der einzige Überläufer. AZ-Lokalchef über den Zustand der Münchner Sozialdemokraten.
10 Prozent. So hoch ist der Anteil der Stadträte, die nicht mehr in der Fraktion sind, für die sie die Münchner 2014 gewählt haben. Das ist bizarr. Und im Ergebnis schädlich für die Kommunalpolitik, die bei Wahlbeteiligungen von unter 50 Prozent eh unter dem Desinteresse der Münchner und einer fehlenden Legitimation ächzt. Die ständigen Fraktionswechsel sind Wasser auf den Mühlen all jener, die das Gefühl haben, denen da oben gehe es ja doch nur um sich, sie nutzen jenen, die kaum Unterschiede zwischen den Parteien erkennen wollen, letztlich jenen, die glauben, was man wähle, sei am Ende egal.
Alexander Reissls Abgang ist aber mehr als ein weiteres Kapitel in der endlosen Geschichte plötzlicher Parteiübertritte. Es ist ein Vorgang, der viel sagt über den Zustand der Münchner SPD.
SPD hat jetzt noch mehr Probleme - und die CSU?
Reissl konnte sich lange halten, obwohl er sehr unbeliebt war. Das galt persönlich. Es galt auch politisch. Reissl stand für die alt-münchnerische SPD, eine Partei, die in den Vierteln und bei den Resten der Stammwählerschaft immer auch die Partei der kleinen Leute gewesen ist. Man spricht derbe. Klartext. Bairisch. Es ist eine andere Welt als die der neuen SPD-Funktionsträger- Generation, die Debatten um Symbole eines bunten Münchens (und oft das nächste lustige Selfie auf Facebook) wichtiger findet als das kommunalpolitische Klein-Klein. Reissl fremdelt sichtbar mit dieser Welt.
Die anderen haben gewonnen. Zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Eine Alternative von Reissls politischem Gewicht ist nicht in Sicht. Irgendwer muss den Laden jetzt führen. Unerfahren, plötzlich, wenige Monate vor der schweren Wahl. Das kann der SPD nicht guttun. Und der CSU? Symbolisch wirkt dieser Neuzugang nicht gerade wie ein Zeichen des Aufbruchs. Im Alltag ist Reissl eh kein Typ, der gewohnt ist, sich hinten anzustellen. Die SPD hat seit gestern noch mehr Probleme. Ob das bei der CSU anders ist, muss sich erst zeigen.
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