Münchner Polizist über Eskalation im E-Garten: "Diese Gewalt macht Angst"

München - Wäre Jakob S. ohne seinen schwarzen Polizeioverall an diesem Tag im Englischen Garten unterwegs gewesen, man hätte ihn nicht unterscheiden können von den vielen jungen Leuten, die an jenem 8. Mai Erholung und Entspannung auf der Wiese unterhalb des Monopteros gesucht haben.
Doch der 28-jährige Polizeihauptkommissar war nicht zum Vergnügen unterwegs, sondern zusammen mit seinen Kollegen von der Ersten Einsatzhundertschaft, um dafür zu sorgen, dass die Corona-Regeln eingehalten werden.
"Es war ein ganz normaler Einsatz, zumindest am Anfang", erzählt Jakob S.. Er und seine Kollegen hatten sich darauf eingerichtet, dass eine Menge Leute im Park sein würden, dass man vielleicht mit dem einen oder anderen diskutieren werde. Doch mit Randale, mit Flaschenwürfen, Pöbeleien und purem Hass hatte keiner gerechnet.
"Von einem Moment auf den anderen kippte die Stimmung"
"Wir wurden Zeugen einer Schlägerei", sagt Jakob S.. Ein 16-Jähriger aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck hatte eine 14-jährige Münchnerin begrapscht und gegen ihren Willen umarmt. Als die Polizisten den Täter festnahmen, war das wie eine Initialzündung. "Das war der Wendepunkt. Von einem Moment auf den anderen kippte die Stimmung", sagt der Hauptkommissar. Er und seine Kollegen wurden von Umstehenden angepöbelt, beschimpft.
Leute, die überhaupt nicht wussten, warum die Uniformierten eingegriffen hatten, mischten sich ein. Immer mehr Leute solidarisierten sich, bezogen Front gegen die Polizisten. Schließlich sahen sich die Beamten rund 200 überwiegend jungen Männer gegenüber, die es auf Krawall abgesehen hatten.
Flaschenregen im Englischen Garten
Plötzlich flogen Flaschen - Bier-, Wein- und Sektflaschen flogen durch die Luft. Die Polizisten wurden völlig überrascht, hatten noch nicht einmal Gelegenheit, ihre Schutzausrüstung und die Helme anzulegen. "Ich habe Leute in der Menge gesehen, die aus 20 Meter Entfernung ausgeholt und dann sehenden Auges die Flaschen in unsere Richtung geworfen haben", sagt Jakob S..

Ein regelrechter Flaschenregen ging auf sie nieder. "In dem Moment war ich froh, nicht alleine zu sein, sondern dass ich meine Kollegen neben mir wusste", sagt Jakob S. Während er erzählt, spürt man den Stolz auf seine Einheit, dass sie gemeinsam diese brenzlige Lage durchgestanden haben.
"Wenn man diese Gewalt sieht, bekommt man unweigerlich Angst", gibt der Kommissar offen zu. "Jeder von uns hätte getroffen werden können", sagt der 28-Jährige, "dass es nicht zu schlimmeren Verletzungen kam, war reiner Zufall."
Polizisten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein
Mindestens 50 Flaschen flogen. Manche trafen. Insgesamt 19 Polizisten wurden bei der Randale auf der Karl-Theodor-Wiese verletzt, manche erlitten Schnittwunden, Schrammen und Prellungen. Um sich zu verteidigen, setzten die Beamten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Polizisten nahmen sechs männliche Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren fest, darunter auch den Grapscher. Sie wurden wegen Körperverletzung, Widerstand und tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte sowie Landfriedensbruch angezeigt.
Die Polizisten sprechen noch heute, Wochen später, über das, was sie erlebt haben. "Das lässt dich so schnell nicht los", sagt Jakob S. "Man muss aufpassen, dass man nicht verbittert und sein im Grunde positives Menschenbild nicht verliert. Immerhin bin ich Polizist geworden, weil ich Menschen helfen, sie beschützen will."