Münchner Philatelisten-Treff: Sammeln als Leidenschaft

Briefmarkensammeln ist aus der Mode gekommen. Oder nicht? Die AZ hat sich auf der Briefmarkenbörse im MOC umgesehen.
von  Anna Rauch
Briefmarkenmesse im MOC in München.
Briefmarkenmesse im MOC in München. © Daniel von Loeper

München - Bedächtig und mit Kennerblick sortiert Klaus Simonis die vor sich liegenden Briefmarken mit einer Pinzette. Nein, jetzt gerade könne er nicht sprechen, jetzt müsse er sich konzentrieren, sagt der 68-Jährige. Doch als er wenig später mit seiner Sortierarbeit fertig ist, möchte er nur zu gerne von seinem Hobby erzählen. Seit 1955 ist Simonis Briefmarkensammler und heute einer der Besucher der Internationalen Briefmarkenbörse im MOC.

Ein Mitschüler hatte Simonis damals in der ersten Klasse mit der Leidenschaft für die Postwertzeichen angesteckt: "Als Sechsjähriger ging es mir natürlich erst mal um schöne Bildchen, aber über die Jahre habe ich mich immer mehr in das Thema eingelesen", erzählt er.

Es wird immer schwieriger für die Sammler

Inzwischen hat er sich auf Marken aus den Deutschen Abstimmungsgebieten Oberschlesien und Marienwerder und den deutschen Besetzungsgebieten während des ersten Weltkrieges spezialisiert. Die sind nicht leicht zu bekommen, aber vielleicht, so hofft Simonis, wird er auf der Messe fündig: "Das Problem ist natürlich, je weniger einem fehlt, umso schwieriger wird es."


Sammler aus Leidenschaft: Klaus Simonis bei der Suche. Foto: Daniel von Loeper

Ähnliche Hoffnungen scheinen an diesem Tag viele Sammler ins MOC geführt zu haben. Bereits kurz nach der Eröffnung tummeln sich unzählige von ihnen an den Ständen. Sie durchsuchen Auslagen, führen Fachgespräche und vergleichen ihre in Aktenkoffern mitgebrachten Alben.

Briefmarken, so wirkt es, scheinen nach wie vor ein Publikumsmagnet zu sein - wenn auch mit Einschränkungen. Denn eines fällt beim Rundgang über die Messe schnell auf: Philatelie, wie die Briefmarkenkunde fachterminologisch korrekt heißt, ist kein weit verbreitetes Hobby unter Jugendlichen. "Sie sehen es ja: Durchschnittsalter 75", scherzt so auch ein selbst nicht mehr ganz junger Herr, auf die Frage nach dem typischen Sammler.

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Auch Frauen sucht man in der Halle nahezu vergeblich. Zwar ist die ein oder andere Ehefrau mit ins MOC gekommen, die meisten beschränken sich aber darauf ihren Männern Aktentaschen und Mäntel zu halten, während die sich durch die Kästen mit Marken arbeiten.

In diesem doch recht homogenen Publikum fällt eine Familie wie die Drexlers schnell auf. Vater Andreas ist mit Sohn Lukas (13) und Tochter Marion (10) auf die Messe gekommen. Fürs Briefmarkensammeln begeistern sich alle drei, seit über einem Jahr sind sie in der Philatelisten Jugend engagiert.

Begonnen hatte alles mit einer Sammler-Erstausstattung, die dem 13-Jährigen Lukas auf einer Spielemesse in die Hände fiel: "Zuhause hat Papa dann die Sammlung aus seiner Jugend rausgeholt und wir haben die erst einmal richtig sortiert", erzählt Lukas.


Der Nachwuchs bei der Arbeit: Marion (10) und Lukas Drexler (13) zeigen Messebesuchern worauf es beim Sammeln der Postwertzeichen ankommt. Foto: Daniel von Loeper

Der 13-Jährigen mag am Briefmarkensammeln vor allem, dass er sich die Zeit für sein Hobby frei einteilen kann: "Man ist nicht so gebunden, wie zum Beispiel beim Fußballtraining." Allerdings hat auch Lukas schon gemerkt, dass die meisten 13-Jährigen sich heute doch eher für den FC-Bayern als für die Blaue Mauritius begeistern: "Die meisten meiner Freunde finden Briefmarken langweilig", sagt er.

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Dabei hat das Sammelhobby zumindest für Vater Andreas viele Vorteile: "Man merkt, wie die Kinder runterkommen, wenn sie sich mit den Marken beschäftigen. Da wird dann selbst das Handy uninteressant". Auch dass seine Sprößlinge einiges lernen, gefällt dem 46-Jährigen. "Man hat zum Beispiel eine Marke mit dem ersten Präsidenten von Burundi. Den kennt man so nicht, aber wegen der Marke schaut man das dann nach", sagt er und zitiert ein Sammler-Sprichwort: "Briefmarkensammler sterben arm, aber schlau".

"Ein Sammler verkauft nicht"

Moment mal: arm? Was ist mit Geschichten von Sammlern, die mit seltenen Marken plötzlich reich werden? Solche Fragen rufen auf der Briefmarkenmesse höchstens ein Lachen hervor: "Reich werden können Sie vergessen", meint auch Sammler Simonis ganz pragmatisch. "Die Marken sind ein Hobby keine Geldanlage." Denn selbst wenn die Sammlung etwas wert sei, bekäme man auf dem Markt nur einen Bruchteil.

Und überhaupt: "Ein Sammler verkauft nicht", findet Simonis. Eine Meinung, die auch der Nachwuchs teilt: "Es ist schon cool, eine Marke zu haben, die 200 Euro wert ist, aber die würde ich nicht verkaufen", sagt Lukas, lenkt dann aber ein: "Na gut, vielleicht wenn ich sie doppelt hätte."

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