Münchner Oberstaatsanwalt im Visier
München - Hat sich ein Münchner Oberstaatsanwalt strafbar gemacht, als er vor vier Jahren die libysche Botschaft in Berlin über eine geplante Hausdurchsuchung bei Saif al-Arab Gaddafi informierte? Das wird nun die Staatsanwaltschaft in Nürnberg prüfen. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt“, bestätigte gestern die Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft, Antje Gabriels-Gorsolke. Auch Geheimnisverrat steht im Raum. Die Ermittlungen gegen den Oberstaatsanwalt wurden aufgenommen, nachdem ihn die „Initiative Bayerischer Strafverteidiger“ am 13. Juni angezeigt hatte.
Der Mega-Fuhrpark des Gaddafi-Sohns in München:
2007 war der Oberstaatsanwalt Vize-Chef der Staatsanwaltschaft München I. Am 17. Juli 2007 reiste er persönlich nach Berlin, um in der libyschen Botschaft in Berlin abzuklären, ob der zweitjüngste Sohn des libyschen Machthabers völkerrechtliche Immunität genießt. Am Vortag war in München ein Durchsuchungsbeschluss gegen Saif al-Arab Gaddafi erlassen worden.
Offiziell war der damals 25-Jährige Student in München. Zwischen 2006 und 2010 beschäftigte er die Polizei laut bayerischem Justizministerium insgesamt elf Mal – unter anderem weil er in getunten Rennwagen ohne Führerschein durch München dröhnte, Polizisten beleidigte oder gedroht haben soll, einem Disco-Türsteher das Gesicht verätzen zu lassen.
Doch Gaddafi junior kam fast immer glimpflich davon. Nur drei Mal gab’s Geldstrafen: wegen Fahrens ohne Führerschein, der Hinterziehung von Hundesteuer für Gaddafis drei Rottweiler sowie wegen einer Fahrt mit 2,37 Promille.
Im Sommer 2007 ermittelte die Staatsanwaltschaft München I gegen Saif al-Arab Gaddafi wegen Waffenschmuggels. Die Ermittler hatten Hinweise bekommen, dass Gaddafi junior in seiner „Studentenbude“ – einer Suite im Luxushotel Bayerischer Hof – sowie in einer Villa, die von der libyschen Botschaft als Gästehaus deklariert war, Waffen versteckte. Doch vor der geplanten Hausdurchsuchung wollte die Staatsanwaltschaft sicher gehen, dass Gaddafi junior als Sohn eines ausländischen Staatsoberhauptes in Deutschland nicht Immunität genießt.
Anstatt sich beim Auswärtigen Amt zu erkundigen, sprach der Oberstaatsanwalt bei der libyschen Botschaft vor - und warnte damit möglicherweise indirekt Gaddafi junior. Das zumindest wirft die „Initiative Bayerischer Strafverteidiger“ dem Oberstaatsanwalt in ihrer Strafanzeige vor: „Da aufgrund von Zeugenaussagen der konkrete Verdacht bestand, dass der Beschuldigte im Besitz von Waffen war, wurde dem Beschuldigten durch die Vorsprache des Oberstaatsanwalts ermöglicht, Beweismittel zu vernichten bzw. aus seinen Räumlichkeiten zu entfernen“, heißt es in der Anzeige.
Fakt ist: Als Polizisten die Hotelsuite sowie die Villa am 9. August 2007 endlich durchsuchten, wurden dort keine Waffen gefunden. Die Ermittlungen wurden wenig später eingestellt.
Dafür wird nun gegen den Oberstaatsanwalt ermittelt. „Wir prüfen derzeit die Sach- und Rechtslage. Der Ausgang des Verfahrens ist unklar“, sagte Nürnbergs Justizsprecherin Gabriels-Gorsolke. Die entsprechenden Akten wurden von der Münchner Justiz angefordert. Dass bei Ermittlungen gegen Mitarbeiter einer Justizbehörde eine andere Staatsanwaltschaft ermittle, ist üblich. Gabriels-Gorsolke: „Es wäre unglücklich, wenn eine Behörde gegen den eigenen Mitarbeiter ermittelt.“
Saif al-Arab Gaddafi soll im Frühjahr bei einem Nato-Bombardement getötet worden sein. Der BND und der italienische Geheimdienst bezweifeln das aber.
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