Münchner machen Party: Wir feiern die Scheidung!

München - Ein Brautkleid beschmiert mit Blut und eine lächelnde Frau – keine Szene aus einem Horrorfilm, sondern Realität. Die Dame auf dem Bild ist nicht verrückt, sie zerstört ihr Brautkleid mit Absicht.
Der Grund: Sie hat sich von ihrem Mann getrennt und möchte so die Trennung verarbeiten. Die Frau, das ist Nadya Habig, Kindergärtnerin, 35 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern und: „Glücklich geschieden. Endlich geschieden.“ Sagt sie.
Dass sie jemals ihr Brautkleid mit roter Farbe beschmieren würde, hätte Nadya Habig nie gedacht. Geheiratet hat sie einst ihre Jugendliebe, gemeinsam zeugten sie zwei Kinder.
Doch irgendwann war die Liebe weg und eine Trennung unvermeidbar. „Ich hege keinen Hass gegenüber meinem Ex-Mann. Immerhin ist er der Vater meiner Kinder. Ich habe ihn sogar zu meiner Scheidungsparty eingeladen. Leider musste er an dem Abend arbeiten“, erzählt die Erzieherin.
Scheidungsparty? „Ja, ich habe meine Scheidung mit einer Party gefeiert. Schließlich gab es auch eine Hochzeitsparty.“
Die Idee dazu hatte Claudia Kusch aus München. Die 43-Jährige hat selbst eine Trennung hinter sich, die, wie sie sagt, nicht einfach war. Sie heiratete mit 37, zwei Jahre später war ihre Ehe kaputt. „Ich wurde sehr enttäuscht“, sagt sie dazu.
Lesen Sie hier: Die Münchner Heirats-Statistik
Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2012 in Deutschland 179147 Ehen geschieden, während sich 387423 Paare das Ja-Wort gaben.
Die Zahlen verraten auch: Die ersten beiden Jahre überstehen die meisten Ehen, danach aber steigt das Trennungsrisiko. Wurde in den 50er-Jahren weniger als jede achte Ehe geschieden, endete in den Jahren 2001 bis 2010 mehr als jede zweite Ehe mit einer Scheidung.
Wer eine Trennung hinter sich hat, dem sind solche Zahlen egal. Claudia Kusch ging es nach dem Aus ihrer Ehe darum, wieder zu sich selbst zu finden. „Viele Menschen geben sich in einer Beziehung auf und merken das erst, wenn die Beziehung vorbei ist“, sagt sie.
In Österreich, Japan, USA gibt's das schon
Nachdem die Münchnerin ihre Scheidung mit einer Party gefeiert hatte, gründete sie die Agentur „Trennungsglück“ – damit ist sie das genaue Gegenteil einer Wedding Planerin.
Ihr Konzept: Eine Trennung läutet immer einen neuen Lebensabschnitt ein, was viele Veränderungen bedeutet. Und das darf dann gefeiert werden. Nicht sofort nach einer Trennung, versteht sich. Aber nach einer gewissen Zeit.
Lesen Sie hier: Die skurrilsten Ehe-Strafen Münchens
Claudia Kusch möchte ihren Kunden zur Seite stehen. „Ich arbeite mit Psychologen und Anwälten zusammen und schaue mir bei meinen Kunden immer genau an, wo sie gerade stehen“, sagt sie. Würde jemand anrufen, der nur weint und die Trennung noch gar nicht verarbeitet hat, dann wäre eine Party keine gute Idee.
Ist eine Trennung noch ganz frisch, rät Kusch ihren Kunden immer, sich zuerst eine eigene Wohnung zu suchen, zur Not tut es anfangs auch eine Wohngemeinschaft. „Möglichst schnell weg von dem Ex-Partner und sich ein eigenes Nest bauen. Alles andere kommt dann“, rät Kusch.
„Trennungsglück“ ist eine der ersten Trennungsagenturen in Deutschland. Hierzulande setzt sich der Trend nur langsam durch. In Österreich, Japan oder den USA werden Scheidungen und Trennungen schon länger groß gefeiert.
Letzten Sommer schmiss unter anderem Katie Holmes eine große Scheidungsparty in New York. Ihre Trennung von Tom Cruise lag da genau ein Jahr zurück.
Claudia Kusch möchte jetzt den deutschen Markt erobern und sagt: „Auf den Partys ist eigentlich alles erlaubt. Zu makaber würde ich zwar nicht werden wollen, aber wenn sich eine Kundin Toilettenpapier mit dem Namen ihres Ex-Mannes wünscht – warum nicht?"
Ein Stammtisch, an dem sich Getrennte treffen
Neben Brautkleid zerstören und hemmungslos feiern gehört oft eine Scheidungstorte zu den Wünschen ihrer Kunden. Hochzeitstorte andersrum. Wobei die Betroffenen ihrer Fantasie freien Lauf lassen: Eine Braut mit dem Kopf ihres Mannes unter dem Arm, klassisch ein gebrochenes Herz oder gar eine Mülltonne mit dem Ex-Partner drin – erlaubt ist, was gefällt.
Vorausgesetzt, der Bäcker macht mit. Denn: Einmal hat eine Konditorei die Wünsche von Claudia Kusch schon abgelehnt. Auf der Scheidungstorte von Nadya Habig war eine Straße zu sehen, die in die Freiheit führt. Genau so hat sie sich gefühlt: frei. Obwohl ihre Trennung einige Jahre zurückliegt, hat sie die Party genossen. „
Danach hatte ich das Gefühl, dass es jetzt wirklich zu Ende ist“, erzählt Nadya Habig. Auch wenn sie schon vor dem Fest einen neuen Partner hatte, die Trennung von ihrem langjährigen Ehemann nochmals bewusst zu zelebrieren, habe ihr gut getan. Die meisten Anfragen bekommt Claudia Kusch von Frauen.
Sie glaubt: „Frauen gehen anders mit einer Trennung um und verarbeiten diese anders. Ich Freude mich, wenn auch Männer anrufen, denn nicht immer sind Frauen die Opfer.“ Claudia Kusch lebt wieder in einer glücklichen Beziehung. Heiraten möchte sie nicht mehr. Wahrscheinlich.
Ein Motto von ihr lautet: „Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lache, weil es passiert ist.“ Nach diesem Leitsatz versucht sie, ihre Partys zu gestalten und ihre Kunden aufzufangen. Eine weitere Idee ist der Scheidungsstammtisch. „Viele Menschen sind nach einer Trennung allein zwischen Paaren oder haben während der Partnerschaft ihren Freundeskreis vernachlässigt.
Bei einem Stammtisch können neue Kontakte zu Gleichgesinnten geknüpft werden“, sagt Claudia Kusch. Sie ist überzeugt, dass sich ihr Konzept durchsetzen wird: „Eine Trennung ist immer erstmal schlimm, keine Frage. Aber wenn sie verarbeitet ist, kommt das neue Glück. Da bin ich ganz sicher. Deswegen heißt es auch Trennungsglück.“
Der erste Stammtisch „Trennungsglück-Begegnungen“ für frisch Getrennte oder solche, die sich gerade trennen, findet am 4. Februar 2014 um 19 Uhr im Café „Miss Lillys“ statt, Oefelestraße 12.