Interview

Münchner Kabarettist Christian Springer hilft Syrien: "Emotional, aber mit klarem Kopf"

Christian Springer will Syrien vom Libanon aus mit Tausenden Decken versorgen.
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Rosemarie Vielreicher
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Rettungskräfte suchen in Aleppo nach Überlebenden.
Stringer/XinHua/dpa 3 Rettungskräfte suchen in Aleppo nach Überlebenden.
Die Orienthelfer können Decken spenden.
Orienthelfer e.V. 3 Die Orienthelfer können Decken spenden.
Christian Springer
Orienthelfer e.V. 3 Christian Springer

München - AZ-interview mit Christian Springer: Der Münchner Kabarettist ist bekannt für sein soziales Engagement mit seinem Verein Orienthelfer e.V.

AZ: Herr Springer, wie können Sie mit dem Verein Orienthelfer gerade Menschen im Erdbebengebiet unterstützen?
CHRISTIAN SPRINGER: Ich bin heute Nacht um 4 Uhr aus Beirut abgereist und gerade erst zu Hause zur Tür rein, weil ich heute Abend wieder einen Auftritt habe. Aber unsere Leute vor Ort organisieren nun die Hilfe für die syrische Seite, auf der bisher nicht so toll geholfen werden kann wie in der Türkei.

Christian Springer: "Mit Assad will kein Mensch etwas zu tun haben"

Weil es dort nur einen einzigen offenen Grenzübergang zur Türkei gibt?
Nun ja, vor einer Woche hat das Assad-Regime das Gebiet im Nordwesten Syriens noch bombardiert, das jetzt am stärksten vom Erdbeben betroffen ist. Für die internationalen Helfer ist es schwer, dorthin zu kommen. Die Türkei hat zugemacht – aus Angst vor weiteren Flüchtlingen. Und mit Assad will kein Mensch etwas zu tun haben, außer Nordkorea und Russland. Wir haben nun aber eine Chance zu helfen.

Wie?
Wir werden vom Libanon aus den ersten Versuchsballon mit Decken starten. Die Entfernung beträgt nur knapp 300 Kilometer. Wenn die Decken im syrischen Gebiet gut angekommen sind, werden wir das ausbauen. Unser Glück ist, dass wir aufgrund des Winters noch zwischen 6.000 bis 7.000 Decken im Lager im Libanon haben. Die werden wir alle hochschicken. Außerdem haben wir eine Partnerorganisation vor Ort, mit der wir schon seit Jahren zusammenarbeiten. Wir sind die Glücklichen unter den Helfern: Wir müssen nicht erst Telefonnummern sammeln und auch keine Struktur aufbauen, – wir haben das alles. Dadurch können wir direkt helfen.

Wie schwierig ist es für Einsatzkräfte vor Ort?
Sie können mit schweren Baumaschinen nicht in alle Regionen vordringen, weil Straßen kaputt oder aufgeplatzt sind. Auch die Helfer müssen versorgt werden. Sie haben ohne Decken auf nacktem Boden in Ruinen geschlafen, um am nächsten Tag wieder mit den Händen nach Menschen zu suchen. Es sind nun so viele Stunden vergangen und man hat auch viele Überlebende tatsächlich noch gefunden. Aber noch mehr Tote. Noch eine derart kalte Nacht und wenn man auch keine Schreie, kein Stöhnen mehr hört – dann schwindet die Hoffnung. Es folgen die Aufräumarbeiten und die Versorgung der Überlebenden.

Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien: So können Sie helfen

Das Erdbeben in der Türkei und Syrien forderte bereits über 40.000 Todesopfer, unzählige Menschen sind verletzt, verloren zudem ihr gesamtes Hab und Gut. Wer spenden möchte, kann dies unter anderem beim speziellen Spendenkonto der Stadt München tun:

Überweisungen an die Stadtsparkasse München  |  IBAN DE86 7015 0000 0000 2030 00  |  Verwendungszweck "Erdbebenhilfe"

"Auch wenn die ganze Welt jetzt zusammenhilft: Es ist ein so großes Elend"

Wie steht es darum?
Das Gebiet ist so groß, die Zahl der Betroffenen so immens – man kommt nicht überall und zu jedem hin, die Krankenhäuser und -stationen sind in einem schrecklichen Ausmaß komplett überfüllt, ebenso fehlt Medizin. Auch wenn die ganze Welt jetzt zusammenhilft: Es ist ein so großes Elend. Man wird akzeptieren müssen, dass es auch danach noch viele Opfer geben wird, weil man sie nicht genügend versorgen kann.

Wie lässt sich das ändern?
Heute früh habe ich noch einen Syrer gefragt, was sie brauchen. Er hat gelacht und gesagt: Frieden! Dann wären die Grenzen offen für humanitäre Hilfe. Auf einem türkischen Flughafen hat man gesehen, wie ein israelisches und ein iranisches Flugzeug nebeneinander stehen, um Hilfe zu leisten. Das braucht diese Welt! Ich empfinde das als wahnsinniges Symbol.

Sie sind nach Beirut geflogen, kurz bevor es zu dem Erdbeben in der Region kam. Wie haben Sie es im Nachbarland erlebt?
Ich bin in meinem normalen Turnus – einmal im Monat – hingeflogen und schon da sind wir in ein Unwetter geraten, die Straßen waren überflutet, ich kam kaum noch ins Hotel. Als ich endlich im Bett lag, kam das Erdbeben. Viele Libanesen sind auf die Straße raus, im Schlafanzug. In den ersten Stunden meiner Ankunft ist schon sehr viel zusammengekommen und seitdem laufen wir im Notfallmodus.

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Und jetzt wieder nach Hause und auf die Bühne – wie geht das zusammen?
Ich kann es nicht erklären, aber es geht. Vielleicht auch deswegen, weil man zwar emotional berührt ist, aber trotzdem mit klarem Kopf so viele Dinge organisieren muss. Mir fehlen die Worte für das Elend, das ich gesehen habe.

Wann fliegen Sie wieder in den Libanon?
Ich sitze gerade über dem Kalender und schaue, ob es noch Ende Februar oder Anfang März geht.


Spendenkonto Orienthelfer e.V.:
Stadtsparkasse München
IBAN: DE92701500000000574111
BIC: SSKMDEMM

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