Münchner Juso-Chef: "Stadt soll Pizza selbst ausliefern"
München - AZ-Interview mit Benedict Lang: Der 26-Jährige ist seit neuestem Stadt-Juso-Chef.

AZ: Herr Lang, die AZ hat kürzlich berichtet, unter welch großem Druck Gorillas-Fahrer auch in München arbeiten. Waren Sie überrascht?
BENEDICT LANG: Mich hat das nicht überrascht. Wir kennen viele Erzählungen über schlechte Arbeitsbedingungen bei Gorillas. In Berlin sind wilde Streiks ausgebrochen, weil ein Mitarbeiter, der einmal zu spät kam, fristlos gekündigt wurde. Ähnliche Geschichten hören wir überhaupt viel aus der Lieferbranche - auch in München.
Vorschlag der Münchner Jusos: Ein städtisches Lieferando
Die Jusos schlagen unter anderem ein städtisches Lieferando vor, das frisches Essen aus Restaurants nach Hause liefert. Wie könnte das funktionieren?
Wir beobachten, dass immer mehr Menschen immer mehr frische Dinge des täglichen Bedarfs im Internet nach Hause bestellen. Das ist im Bereich der Nahversorgung und insofern auch der Daseinsvorsorge. Es wäre nur logisch, dass sich die Kommune engagiert.
Und ganz konkret?
Konkret muss die Stadt zum Beispiel eine Genossenschaft gründen, in der Restaurants Mitglied werden können oder über eine städtische Tochtergesellschaft eine Lieferinfrastruktur aufbauen, die Arbeitsbedingungen in den Vordergrund stellt und nicht nur das Erzielen von Gewinnen auf dem Rücken der Leute, die das ausfahren.
Glauben Sie wirklich, dass die Stadt auf diesem Markt mit seinem krassen Preisdruck mithalten kann?
Ich glaube, dass sie mithalten kann, wenn sie keine Gewinnerzielungsabsicht hat. Das sollte uns von anderen Playern am Markt unterscheiden. Ich glaube, dass es viele Leute gibt, die im Internet bestellen und ein Interesse haben, dass es fair zugeht. Eine Alternative, die soziale und ökologische Kriterien in den Vordergrund stellt, hat eine Chance.
Idee: Nur noch ein Lieferdienst pro Lieferzone
Sie fordern, die Stadt in Lieferzonen einzuteilen. Was soll das mit Arbeitsbedingungen zu tun haben?
Statt einem Wildwuchs von Paketdiensten, die alle hintereinander in einer Reihe die Straße zuparken oder den Radweg blockieren, soll es nur noch einen geben, der in dem Gebiet ausliefern darf. Und die Zuteilung, wer das ist, soll nach sozialen und ökologischen Kriterien in der Ausschreibung festgelegt werden.
Wie könnte das ökologisch die Lage verbessern?
Ich glaube, dass Elektromobilität auf den letzten Metern etwas ausmacht - oder die Frage, ob ich von Lagern aus die letzten Meter mit einem E-Lastenrad mit Anhänger fahren kann. Auch, was Verpackung angeht bei Paketen aber auch beim Essen. Wenn man da eine Mehrwegverpackung hat, macht das etwas aus, wenn man Mehrweggeschirr hat und kein Styropor und Alu wegwerfen muss. Dazu gibt es Nebeneffekte wie den, dass Radwege nicht zugeparkt sind.
Paketzustellung per S-Bahn? "Man muss alle Möglichkeiten prüfen"
Sie glauben, dass Pakete in Zukunft in der S-Bahn transportiert werden könnten. Ernst gemeinter Vorschlag?
Man muss alle Möglichkeiten prüfen, wie Pakete zugestellt werden können. Der Transport mit der Schiene ist effizient. Ich kann mir vorstellen, wenn man zum Beispiel zwischen zwei Stationen eine Möglichkeit findet, ein Depot zu schaffen, dass wir das prüfen könnten. Auch eine Paket-Lasten-U-Bahn, die zwei Mal am Tag durch die Stadt fährt, könnte eine Option werden. Aber klar: Das wird nicht morgen passieren. Wir müssen das intensiv prüfen.
In der Corona-Krise wurde viel online bestellt. Aber wäre jetzt nicht eigentlich erstrebenswert, dass die Münchner wieder in den Laden um die Ecke gehen? Haben die Jusos den klassischen Einzelhandel aufgegeben?
Nein, das haben wir nicht. Aber ich glaube, dass viele Menschen ihre Gewohnheiten verändert haben und nicht mehr aufhören, Getränke oder Essen nach Hause liefern zu lassen. Viele Leute werden nicht mehr anfangen, alle Besorgungen in den Läden zu machen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.