Interview

Münchner Ingenieurin: "Wir bohren bis zu 70 Meter tief"

Daria Mundt ist eine der wenigen Ingenieurinnen auf Münchens Baustellen. Mit der AZ sprach sie am Weltfrauentag über Frauen-Quoten und Grundwasserpegel.
Hüseyin Ince
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Daria Mundt auf dem Dach des DB Info-Centers am Marienhof. Sie bestimmt derzeit, wo blaue Bohrer, wie rechts im Hintergrund, insgesamt etwa 100 Brunnen sowie Grundwasser-Messstellen rund um die neue S-Bahnhaltestelle gesetzt werden.
Daria Mundt auf dem Dach des DB Info-Centers am Marienhof. Sie bestimmt derzeit, wo blaue Bohrer, wie rechts im Hintergrund, insgesamt etwa 100 Brunnen sowie Grundwasser-Messstellen rund um die neue S-Bahnhaltestelle gesetzt werden. © Bernd Wackerbauer

München - AZ-Interview mit Daria Mundt. Die ganze Familie der russischen Wahlmünchnerin besteht aus Ingenieuren.Bauingenieurin Daria Mundt (33) ist gebürtige Moskauerin. Seit acht Jahren arbeitet sie für die Deutsche Bahn in München, ist eine Spezialistin für Bahnhofsbau und sorgt an der Baustelle am Marienhof für die künftige zweite Stammstrecke für das richtige Grundwasserniveau rund um die Baugrube.

AZ: Frau Mundt, wollten Sie schon als Kind Ingenieurin werden?
DARIA MUNDT: Ich wusste zumindest eindeutig, dass meine Stärken in den Naturwissenschaften liegen.

Eine vererbte Gabe?
Ich denke schon. Meine beiden Großmütter, ihre Männer, sowie meine Eltern sind allesamt Ingenieure.

Eine Art Ingenieurs-Dynastie. Ich habe gehört, Sie haben einen vierjährigen Sohn. Wird der auch mal Ingenieur?
Gut möglich. Er spielt ausgiebig mit Steck-Bausteinen. Gebäude, Fahrzeuge, Flugzeuge. Es macht ihm offensichtlich sehr viel Spaß. Und mein Mann ist übrigens auch ein Ingenieur.

Ein greifbarer Beruf

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?
Dass am Ende etwas Echtes, Greifbares steht: ein Haus, eine Brücke, ein Flughafen - oder wie eben hier am Marienhof: eine komplett neue S-Bahn-Haltestelle.

Wie sind eigentlich die Planungen, wann wird die Haltestelle fertig sein?
Wir werden mindestens noch die nächsten sechs Jahre am Marienhof arbeiten, bis die Station fertig ist.

Ihre Aufgabe ist es, das Grundwasserniveau zu regulieren. Wie genau tun Sie das?
Sehen Sie den blauen Bohrer dort drüben? Mit so einem Gerät werden die Brunnen und Grundwassermessstellen gebaut. Insgesamt sind etwa 50 Bohrungen auf dem Baufeld und weitere 52 Bohrungen in den nahe liegenden Straßen geplant. Zum Großteil werden sie für die Wasserentnahme, also als Brunnen gebaut. Und zum Teil entstehen Grundwassermessstellen, sogenannte Pegel. Das Wasser, das sich in den Brunnen sammelt, pumpen wir ab und leiten es in den Stadtgrabenbach. So senken wir den Grundwasserpegel sowie den Wasserdruck.

Das Grundwasserniveau muss sinken

Warum muss er sinken?
München hat grundsätzlich ein recht hohes Grundwasserniveau. Und damit sich die Baugrube der künftigen Haltestelle Marienhof nicht mit Wasser füllt und kein zu großer Druck auf die Außenwände entsteht, muss das Niveau gesenkt werden. Sonst lässt sich nicht arbeiten.

Daria Mundt an der Frauenkirche. Auch hier wird einer der Brunnenschächte im Umfeld der Marienhof-Baustelle gebohrt.
Daria Mundt an der Frauenkirche. Auch hier wird einer der Brunnenschächte im Umfeld der Marienhof-Baustelle gebohrt. © Bernd Wackerbauer

Können Sie das etwas genauer erklären?
Ab Herbst wird erst Stück für Stück die Stahlbeton-Decke der neuen Haltestelle Marienhof gegossen. Dann gräbt man sich Stockwerk für Stockwerk, Decke für Decke etwa 60 Meter in die Erde. Dafür muss die Baugrube stabil sein. Dazu braucht man außenrum sogenannte Schlitzwände. Das sind am Ende die Außenwände der Haltestelle. Sie sind bereits gesetzt.

Später werden die Brunnen wieder abgebaut

Wie hoch würde das Grundwasser stehen, wenn man das Niveau nicht senken würde?
Das Grundwasser steht am Marienhof sechs bis neun Meter unter der Geländeoberkante.

Wie tief sind die Brunnen eigentlich?
Zwischen 30 und 70 Metern, je nach Bedarf.

Was passiert mit den Brunnen, wenn die Haltestelle fertig ist?
Man baut sie ab und stellt den ursprünglichen Zustand wieder her.

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Ein Projekt im Herzen Münchens

Gibt es besondere Herausforderungen bei Ihrem Job, speziell hier an dieser Baustelle?
Ich denke, eine große Aufgabe ist es, hier im Herzen der Stadt, bei laufendem Betrieb ein so großes Projekt auf die Beine zu stellen. Es ist ja alles dicht bebaut, die Straßen sind eng. Da müssen wir alle Tätigkeiten gut koordinieren.

Diesen Montag war ja Weltfrauentag. Sie arbeiten in einem Beruf, der extrem männerlastig ist. War es für Sie schwierig, in dieser Männerwelt so selbstverständlich mitarbeiten zu können?
Es ist nicht immer einfach. Aber die Zusammenarbeit läuft gut und wir kommen gut zurecht. Am Ende zählt immer nur die Leistung.

Gab es Momente, in denen Sie sich ausgeschlossen fühlten?
Nein, in meinem Beruf lief es bisher relativ reibungslos.

Vorurteile überwinden

Mussten Sie keine Vorurteile überwinden?
Am Anfang vielleicht schon. In der Kennenlernphase. Aber sobald du zeigst, dass du dein Fach beherrschst, fallen eigentlich alle Vorurteile.

Was denken Sie, wie viel Prozent der Ingenieure sind weiblich?
Ich denke zehn bis 20 Prozent.

Warum gibt es immer noch deutlich weniger Frauen in Ihrem Job?
Das ist wirklich schwierig zu sagen und hat in jedem Land unterschiedliche Ursachen. Ob jetzt Männern Technik besser liegt oder nicht? Vielleicht sind auch verfestigte Denkweisen und Strukturen eine Ursache.

Sind Sie für die Frauenquote?
Ich glaube, es wäre optimal, ein Bildungssystem zu haben, das bei jedem Mann und bei jeder Frau die eigenen Stärken fördert, ganz ohne Vorurteile. Egal welches Geschlecht.

Auch die Bauingenieure sind gerade viel im Homeoffice

Machen Frauen und Männer ihren Job als Ingenieur jeweils anders?
Bestimmt. Aber das würde ich nicht am Geschlecht festmachen. Die eine Frau macht ihren Job sicher auch anders als die andere.

Haben Sie als Bauingenieurin eigentlich mehr Arbeit am Schreibtisch oder direkt auf dem Baufeld?
Ich würde sagen, zu 70 Prozent plane ich am Schreibtisch. Deshalb ist es so spannend, zu sehen, was dann daraus entsteht.

Viel Homeoffice?
Im Moment ja.

Wie entspannen Sie sich dann von ihrem Job?
Ich laufe oft und gerne im Park. Bis zu zwei Stunden. Etwa 17 Kilometer habe ich mal gemessen. Das baut sehr viel Stress ab.

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