Münchner Forscher: So gesund ist Kaffeetrinken wirklich
München - Malte Rubach (38) ist Ernährungswissenschaftler und hat an der TU München zum Thema Kaffe geforscht.
AZ: Herr Rubach, eine wichtige Frage vorab. Ist Kaffee gesund oder nicht?
MALTE RUBACH: Sagen wir es umgekehrt. Niemand wird krank, weil er Kaffee trinkt. Das Getränk ist sicher nicht ungesund.
Wurde mal das Gegenteil behauptet?
Noch bis vor fünf bis zehn Jahren hieß es bei Alltagsleiden oder auch schwereren Leiden gerne mal: Ach, lassen Sie doch den Kaffee weg.
Und das hilft nicht?
Das ist in großen Teilen widerlegt.
Rubach: "Niemand wird krank, weil er Kaffee trinkt"
Wird derzeit viel zum Thema geforscht?
Ja, Kaffee ist ein sehr interessantes Forschungsobjekt. Viele Bestandteile kennt man noch nicht. Auch zwischen meinem ersten Buch aus dem Jahr 2012 und meinem aktuellen Buch „Kaffee-Apotheke“ hat sich der Wissensstand verändert. Es wurden Populations-Studien ausgewertet und Meta-Analysen erstellt, die sehr deutliche Ergebnisse liefern.
Die wären?
Verglichen wurden Gruppen, die regelmäßig Kaffee trinken oder keinen Kaffee trinken. Und der überwiegende Teil der Studien kommt zu dem Ergebnis, dass Kaffee-Trinker deutlich seltener von bestimmten Krankheiten betroffen sind. Das trifft auch zu, wenn man Kaffee-Viel-Trinker mit Wenig-Trinkern vergleicht.
Rubach: "Das Diabetes-Risiko sinkt für Kaffee-Trinker um fast 30 Prozent"
Um welche Krankheiten handelt es sich?
Vor allem Alzheimer, Demenz oder Parkinson, also sogenannte neurodegenerative Krankheiten. Das führt man unter anderem auf die Wirkung von Koffein zurück. Es stimuliert die Nerven, hält sie quasi in Betrieb. Ein weiterer großer Komplex sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch hier sind die Kaffee-Trinker deutlich seltener betroffen. Bei Viel-Trinkern sinkt sogar das Todesrisiko nach einem Herzinfarkt.
Interessant, um wie viel Prozent sinkt das Todesrisiko?
Um fast 50 Prozent. Kaffee-Viel-Trinker bedeutet übrigens: ab vier Tassen pro Tag.
Weitere Beispiele?
Ganz großes Thema: Lebererkrankungen, Leberkrebs, Leberzirrhose, Leberfibrose, chronische Leber-Insuffizienz.
Kaffee-Viel-Trinker reduzieren die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, um wie viel Prozent?
Um fast 40 Prozent. Das Risiko, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken, sinkt um 30 Prozent. Aber auch Krebserkrankungen kommen bei Kaffeetrinkern seltener vor.
Rubach: "Kaffeetrinker erkranken seltener"
Welche genau?
Das Darmkrebsrisiko ist 15 Prozent geringer, Leberkrebs 25 Prozent seltener, bei Viel-Trinkern sinkt das Risiko sogar um 50 Prozent. Interessanterweise ist auch die Erkrankungsgefahr bei Leukämie um 40 Prozent geringer.
Über welchen Zeitraum wurden diese Studien erstellt?
Meistens über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren.
Und wie groß sind die Vergleichsgruppen?
Zwischen 1.000 bis 200.000 Personen und mehr. Gerade bei den größeren Gruppen sind die Ergebnisse sehr aussagekräftig.
Kann man denn sagen, welche Inhaltsstoffe dafür sorgen, dass man zum Beispiel seltener an Krebs erkrankt?
Nein. Kaffee hat mehr als 1.000 Inhaltsstoffe. Und die sind nicht alle erforscht. Etwa 80 Prozent sind Substanzen wie Aromen, die beim Rösten entstehen. Aber auch Aromen können einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Neben den psycho-olfaktorischen Effekten haben Forscher inzwischen auch Geruchsrezeptoren aus der Nase im Darm, in Blutgefäßen oder auch den Geschlechtsdrüsen entdeckt. Warum und was dort passiert, ist noch unklar. Ich kenne eigentlich niemanden, der Kaffee nicht gerne riecht.
Welchen Rückschluss kann man aus all dem ziehen?
Dass offensichtlich die Kombination der Inhaltsstoffe für ein niedrigeres Erkrankungsrisiko sorgt und kein einzelner Stoff alleine.
Wie müsste ich also meinen Kaffee trinken, um mein Krankheitsrisiko größtmöglich zu senken?
Indem Sie heißes Wasser und Kaffee lange zusammenwirken lassen. So lösen Sie die meisten guten Inhaltsstoffe heraus.
Befolgen Sie selbst die Regel?
Könnte man so sagen. Ich mahle den Kaffee eigenhändig und verwende die French Press, also die Stempelkanne. Da bleiben alle Bestandteile drin, es geht nichts verloren. Türkischer Mokka funktioniert ja ähnlich, nur ohne Stempel. Da wird Kaffee direkt aufgebrüht. Das Kaffeepulver sinkt irgendwann in der Tasse ab, und man trinkt den Überstand.
Rubach: "Auch in koffeinfreiem Kaffee ist Koffein, bis zu 0,1 Prozent"
Was ist bei Filterkaffee anders?
Das Wasser fließt am gemahlenen Kaffee vorbei, löst viele Inhaltsstoffe und fließt wieder ab. Einige Bestandteile bleiben bei der Methode also zurück und landen nicht im Getränk.
Also kann man nach so eindeutigen Studien doch sagen, dass Kaffee gesund ist.
Ein Wissenschaftler würde das mit den Ergebnissen der Vergleichs-Studien nie sagen. Dafür müsste ein klarer, kausaler Zusammenhang zwischen Inhaltsstoffen und deren gesunder Wirkung bestehen. Alles deutet darauf hin, dass Kaffee der Gesundheit nutzen könnte.
Was ist, wenn ich Kaffee nicht vertrage, ihn aber gerne trinken würde?
Das liegt meistens am Koffein. Manche bekommen davon Herzrasen. Das ist natürlich nicht gesund. Aber da kann man ja auf koffeinfreien Kaffee umsteigen. Auch hier ist übrigens Koffein drin. Der Anteil darf maximal 0,1 Prozent im Kaffeepulver betragen.
Wie war das bei den Studien? Wurden Personen, die Koffein trinken und Trinker von entkoffeiniertem Kaffee gemeinsam untersucht?
Nein, da wurde schon unterschieden. Und man kam zu einem interessanten Ergebnis: Bei koffeinfreiem Kaffee sank das Erkrankungsrisiko nicht so stark wie bei koffeinhaltigem Kaffee.

Also steht Koffein im Verdacht, besonders gesund zu sein?
Richtig, aber mit einer Einschränkung: nur in Kombination mit allen anderen Inhaltsstoffen. Das Gesamtpaket ist entscheidend.
Wie lässt sich das feststellen?
Obst, Milch, Fleisch – egal bei welchen Lebensmitteln: Es bringt immer wenig, einen bestimmten Inhalt zu isolieren und dann einzunehmen. Es gibt ja zum Beispiel Koffeintabletten. Aber die haben nicht die positive Wirkung von Kaffee. Das haben Ernährungsmediziner in den vergangenen Jahren festgestellt.
Von welchen weiteren Kaffee-Inhaltsstoffen weiß man, dass sie definitiv eine gesunde Wirkung haben?
Zum Beispiel von den Melanoidinen, die für die schwarze Farbe des Kaffees sorgen, und von den Chlorogensäuren. Beide Bestandteile sind sogenannte Anti-Oxidantien. Beide waren früher in Verruf geraten, sind aber wichtig für die vorbeugende Wirkung bei vielen Krankheiten, die mit oxidativem Stress durch freie Radikale entstehen.
Sie sprachen davon, dass mehr als 1.000 Inhaltsstoffe in der Kaffeebohne sind. Stimmt es, dass die geerntete Bohne noch nicht so viele Bestandteile hat?
Das ist richtig. Erst durch die Röstung explodiert die Anzahl förmlich. Das ist übrigens bei allen Lebensmitteln so, die erhitzt werden. Man spricht vom "Maillard-Effekt".
Was muss ich für maximales Koffein im Kaffee tun?
Da hilft es, wenn Sie einen groben Mahlgrad wählen.
Erstaunlich. Warum ist das so?
Durch die Röstung verliert die Bohne Wasser. Sie wird porös. Man kann sich das vorstellen wie ein verästeltes Höhlensystem. Wenn Sie die Bohne jetzt fein mahlen, haben Sie nur die Außenoberfläche, aus der die Inhaltsstoffe wie Koffein gelöst werden. Wenn die Bohne aber grob gemahlen ist, setzt sich das Wasser länger in der Bohne fest und kommt erst langsam wieder heraus. Sie addieren innere und äußere Oberfläche. Und Inhaltsstoffe wie Chlorogensäuren landen im Kaffee.
Rubach: "Je dunkler die Röstung, desto weniger Koffein "
Weitere Einflussfaktoren?
Die Röstung. Da gilt die Faustregel: Je dunkler die Röstung, desto weniger Koffein ist in der Bohne. Wer also viel Koffein und Anti-Oxidantien will, sollte grob mahlen und hell rösten. Wer weniger will, fein mahlen und dunkel rösten.
Es gibt angeblich mehr als 1.000 Kaffeesorten auf der Welt. Aber in Deutschland werden nur zwei verkauft. Warum ist das so?
Arabica und Robusta haben sich weltweit einfach durchgesetzt. Sie lassen sich leichter anbauen und sorgen für größere Ernteerträge. Es gibt übrigens noch eine dritte Sorte, die aber nicht häufig gehandelt wird: Liberica. Die Bohne hat aber in etwa nur einen Anteil von einem Prozent auf dem Weltmarkt.
In einem früheren Interview haben Sie gesagt, dass Sie täglich pures heißes Wasser trinken. Was ist die Vorgeschichte?
Während meines Studiums habe ich sehr viel Tee getrunken. Und irgendwann nervte mich der Müll, den ich mit den ganzen Teebeuteln erzeugte. Da sah ich im Fernsehen, wie der Politiker Henning Scherf erzählte, dass er immer pures heißes Wasser trinkt und sich damit wohl fühlt. Ich probierte das auch aus und blieb dabei – bis ich meine Frau kennengelernt habe, die aus Brasilien stammt. Sie hat mir dann meinen ersten echten Kaffee überhaupt in Brasilien beschert. Bis dahin war ich Heißwasser-Trinker. Ich trinke aber immer noch bis zu drei Tassen heißes Wasser pro Tag.
Was bringt das?
Es ist ein angenehmes, bekömmliches Gefühl und reinigt den Mund sowie den Magen, gerade dann, wenn man irgendetwas Süßes oder Salziges gegessen hat – und es hat zudem eine beruhigende Wirkung. Heißes Wasser fördert auch die Verdauung. Ich fühle mich wohl damit.

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