Münchner Firmen setzen auf Produktion von Trennscheiben

Mehr Sicherheit für Mitarbeiter von Apotheken, Bäckereien oder Tankstellen: Münchner Firmen stellen kurzfristig um auf die Produktion durchsichtiger Trennwände.
Eva von Steinburg |
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Noch provisorisch: Mitarbeiterschutz in einem Netto-Markt.
tse Noch provisorisch: Mitarbeiterschutz in einem Netto-Markt.

München - Sie nennen sich Hustenschutz, aber auch Nies- und Spuckschutzwände: rund einen Meter hohe Plexiglasscheiben, die immer mehr Apotheken, Arztpraxen, aber auch Bäckereien, Tankstellen oder Lotto-Stellen in München auf ihrer Theke platzieren. Damit werden Mitarbeiter mit direktem Kundenkontakt, wie im Verkauf, besser vor einer Tröpfcheninfektion mit dem Coronavirus geschützt. Unten hat die durchsichtige Trennwand eine Durchreiche für die Versichertenkarte, für Geld oder Papiere.

"Unser Telefon steht nicht mehr still. Heute hatten wir über 100 Bestellungen. Mein Sohn liefert die Schutzwände jetzt persönlich mit dem Auto aus. Das geht einfach am schnellsten", sagt Peter Ruppert, Inhaber von Repro Ruppert in Unterhaching.

Prototyp innerhalb drei Tagen entwickelt

Innerhalb von drei Tagen hat der 59-Jährige mit seinem Geschäftspartner Matthias Wenzel einen Prototyp für Schutzwände aus Kunststoff entwickelt und produziert: ein einfaches Stecksystem aus fünf Millimeter dickem Plexiglas für Theken, Schreibtische oder Kassen. Bei der Firma Hansa Print in der Thalkirchner Straße schneiden Mitarbeiter große Plexiglasplatten, die sonst für den Druck von Fotos dienen, auf 60 Zentimeter Breite und 80 Zentimeter Höhe zu.

Die Idee ist vergangene Woche entstanden, als Rupperts Frau Anke beim Besuch eines Kunden auf dessen Schreibtisch eine abenteuerlich improvisierte Schutzkonstruktion erblickte: Zwei Versandrollen aus Pappe waren die Stützen. Dazwischen hatte der Schreibtischinhaber Klarsichtfolie gespannt. "So ein Schutz vor dem Atem- und Tröpfchenkontakt ist für uns kinderleicht herzustellen und effektiv. Der Mitarbeiter hinter der Plastikwand fühlt sich sicher", dachte sich Peter Ruppert.

Noch provisorisch: Mitarbeiterschutz in einem Netto-Markt.
Noch provisorisch: Mitarbeiterschutz in einem Netto-Markt. © tse

Er pflegt gerade keinen persönlichen Kundenkontakt mehr. Die allgemeine Corona-Unsicherheit kennt er aber vom Besuch im Supermarkt. "Es ist schon ein mulmiges und blödes Gefühl, dass man denkt, da schwirren vielleicht Viren herum."

Der Umsatz steigt innerhalb von vier Tagen um 600 Prozent

Auch ein Metall- und Kunststoffhandel in Kirchheim hat seinen Betrieb jetzt auf Nachtschicht ausgeweitet. "In den letzten vier Tagen hatten wir eine Umsatzsteigerung um 600 Prozent", sagt Stefan Thomaschitz (48), einer der Geschäftsführer. Normalerweise schneidet der Betrieb Plexiglaswände für Terrarien zu, auch als Abdeckungsplatte und Trennwand. Nun hat Stefan Thomaschitz in nur 24 Stunden einen Hustenschutz aus Plexiglas entwickelt, den er über Amazon vertreibt.

"Letzte Woche war ich privat in der Apotheke. Ich habe dort so einen Plexiglasschutz gesehen und mir gedacht: Mensch, das verkaufen wir jetzt auch." 130 Einheiten davon bauen sie im Moment pro Tag. "Unser Hustenschutz schafft eine wichtige Distanz. Wir haben Anfragen für 400 Stück für eine Bäckereikette in München", sagt der 48-jährige Mittelständler.

Bei seinem täglichen Arbeitsweg ist er auf die S-Bahn angewiesen. Die Stimmung in den Zügen findet er befremdlich: "Die Leute halten Abstand. Im Vierersitz sitzt man grundsätzlich allein. Wenn ich in der Firma ankomme, wasche ich mir sofort die Hände."

Seine 21 Mitarbeiter "wissen vor Arbeit kaum mehr, wohin", beschreibt der Mitgeschäftsführer der Firma B&T die Stimmung. Als Profiteur der Krise will der Unternehmer sich aber nicht "seine Wasserhähne vergolden", wie er sagt, sondern in erster Linie etwas Sinnvolles tun: "Ich möchte jedem Tankwart und jeder Bäckersfrau applaudieren, dass sie aus dem Haus gehen und das System am Laufen halten."

Lesen Sie auch: Offener Brief - Münchner Top-Häuser "in höchster Not"

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