Münchner Ex-Taxlerin warnt: Bald gibt es keine Taxis mehr
München - Schon als junge Frau hatte ich eine Lieblingsautomarke – die mit dem Stern. Manchmal träumte ich davon, nur durch die Stadt zu fahren, stundenlang. Die Vorstellung fühlte sich an wie Freiheit. 1998 war es soweit. Nachdem ich mich zwölf Jahre lang als Arzthelferin in Arztpraxen eingesperrt gefühlt hatte, beschloss ich, frei zu sein und einen Job zu machen, der mir Spaß macht: Taxifahren.
Also machte ich den Taxischein und fuhr nachts durch München. Die Fahrgäste winkten mich herbei. Ohne Navi und GPS-Überwachung brachte ich sie von A nach B. Freiheit und Spaß pur. Die Taxi München e.G. war die einzige Zentrale, man konnte den Funk anschalten oder nicht, niemand war gezwungen.
Hubl: "Ohne Navi und GPS war Taxifahren Freiheit und Spaß pur"
Doch mit der Freiheit war es bald vorbei. Eine weitere Taxizentrale wurde gegründet. Das Monopol der Taxi München e.G. bekam Konkurrenz. An sich etwas Gutes. Konkurrenz belebt das Geschäft. Aber der Isar-Funk sollte der bessere Taxianbieter sein. Dort wurde ein ausgeklügeltes Datenfunksystem eingerichtet, um die Taxifahrten besser koordinieren zu können.
Einziger Nachteil: Die Fahrer wurden dabei automatisch überwacht. Nach anfänglichen Kleinkriegen zwischen den Taxizentralen und auch zwischen den Fahrern bekam man die Sache aber in den Griff. Es waren genug Aufträge vorhanden, um gut überleben zu können. 2009 war mittlerweile das Zeitalter der Smartphones und Apps angebrochen. Zwei Studenten hatten eine Taxi-App entwickelt: mytaxi. Glaubt man hartnäckigen Gerüchten, haben die beiden Studenten die Taxi-App schon sehr früh der Taxi München e.G. angeboten. Sie funktioniert deutschlandweit in jeder Stadt, an der sich Taxis einloggen. Angeblich lehnte Taxi München das Angebot der beiden ab. Der damalige Preis: 30.000 Euro – so erzählte man sich.
Wie mytaxi die Unternehmer bedroht
Ein anderer Unternehmer ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. In München entstand das erste mytaxi-Büro. Mytaxi war geboren. Schon bald besaß (fast) jeder Taxifahrer ein Smartphone. Der Anschluss an die App war da nicht mehr weit. War es anfangs nicht ganz leicht, die Unternehmer wegen den Extrakosten zu überzeugen, bahnte man den Weg über die Fahrer an.
Die Strategie ging auf. Die Taxler freuten sich über mehr Aufträge, die Vermittlungsgebühr sollte rechtmäßig der Unternehmer begleichen. Wenn der Unternehmer seinen Fahrer nicht verlieren wollte, aber dieser ohne mytaxi nicht mehr arbeiten wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit einzusteigen.
So war auch ich ab 2013 als geschäftsführende Gesellschafterin eines Münchner Taxiunternehmens gezwungen, mit mytaxi zusammen zu arbeiten. Nun bekam ich Einblicke. Als ich einige mytaxi-Mitarbeiter persönlich kennenlernte, spürte ich sofort, dass es hier nicht ums Taxigewerbe ging.
Selbst die Geschäftsführer von mytaxi hatten noch nie mit dem Taxibusiness zu tun gehabt. Sie holten sich alle notwendigen Informationen aus Meetings mit Taxiunternehmern und wollten letztendlich nur eines: unser Geld.
Uber sagt es deutlich: "Das Taxi muss vernichtet werden"
Ich ließ mich von den amerikanischen Businessfloskeln nicht einlullen, war eine unangenehme, aber respektierte Unternehmerin. Ich hatte ganz unten angefangen und das Gewerbe geliebt, gelebt und mit Hingabe vollzogen.
Zwölf Jahre nachts, drei Jahre tags fuhr ich in meiner geliebten Stadt umher. Kein Zentimeter war mir fremd. Und dann wollte man mir erzählen, worum es im Taxigewerbe geht? Echt jetzt?
2015 war ein weiteres Jahr des Umbruchs für meinen Job. Der Mindestlohn verursachte viel höhere Personalkosten. Und dann kam auch noch mit Uber ein neuer Konkurrent auf die Straße. Das Personenbeförderungsgesetz berücksichtigte dieses Unternehmen einfach nicht.
Es gab keinen Tarif, Preise wurden je nach Auftragslage erhöht oder ins Bodenlose gekürzt, nur um an den Auftrag zu kommen. Die Fahrer wurden ausgebeutet, mit ihren Kosten für ihren eigenen Pkw im Regen stehengelassen. Sie machten mit, bis sie bankrott waren. Doch der nächste Fahrer steht schon da. Keine Sozialabgaben, keine Steuern, keine Aufzeichnung – nichts.
Und das in den Straßen Münchens, in ganz Deutschland, und bald auf der ganzen Welt. Hat doch Uber damals einen schönen Satz formuliert: "Das Taxi ist ein Arschloch, das vernichtet werden muss." Wie kommt man dazu, so etwas zu sagen, wenn man selbst nur auf Versklavung und Ausbeutung der Fahrer sowie auf Datensammlung von den Kunden aus ist? Und dieser Verein ging jetzt offiziell an die Börse.
Als Konkurrenz zu Uber kommt nun eine weitere App. Sie heißt free now. Mytaxi gehört nun auch dazu. Hier kann sich der Fahrgast aussuchen, mit welchem Mittel er transportiert werden möchte: vom persönlichen Fahrer in einer schwarzen Limousine, bis zu den Mietwagenanbietern Drive Now oder Car2go oder mit einem elektrischen Tretroller "for the last mile" – am Ende doch vielleicht mit einem Taxi, also mit mytaxi.
In den USA ist das Taxi fast schon ausgestorben
An diesem Punkt schaue ich in die USA, nach San Francisco. Ich sehe die Stadträtin, die vor Uber warnte – schon vor Jahren! Uber hat dort das Taxigewerbe bereits vernichtet. Dort fährt kein einziges Taxi mehr. Durch die Flut an privaten Fahrern wird sogar schon der öffentliche Nahverkehr bedroht. Die Straßen sind stärker verstopft als je zuvor.
Zurück nach München: Jetzt sendet free now noch einmal mehr Mietwägen auf die Straße. Das Mietwagengesetz befiehlt den Fahrern eigentlich, dass sie nach einem Auftrag wieder zur Basis zurückkehren müssen, um den nächsten Auftrag entgegenzunehmen. Dieses Gesetz ist so alt wie das Personenbeförderungsgesetz. In Zeiten des Klimawandels und der App-Generation wird wahrscheinlich ein neues Gesetz kommen.
Wenn es nach Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU geht, dann soll das bisherige Gesetz für Personenbeförderung gekippt werden. Also pro Uber & Co.
Es wäre der Todesstoß für das traditionelle Taxigewerbe. Denn kein anständiges Taxiunternehmen kann mit Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz überleben, wenn die Konkurrenz so überhandnimmt und genau diese Gesetze einfach nicht einhalten muss.
Nach 20 Jahren habe ich das Taxigewerbe 2018 an den Nagel gehängt. Ich habe viele Höhen und noch mehr Tiefen durchlebt. Mein einstiger Traumberuf wurde zum Alptraum – zur Gefängniszelle ohne Fenster. Freiheit ist etwas ganz Besonderes. Man sollte besser darauf acht geben und die Zeichen der Zeit nicht ignorieren.
In der ganzen Stadt werden Taxistände zurückgebaut. Die Größe des Taxistands am Candidplatz etwa hat sich in den letzten Jahren halbiert. Aus der frei gewordenen Fläche wurden Fahrradstellplätze. München ist immer weniger eine Taxi-Stadt. Zum Glück habe ich rechtzeitig aufgehört. I feel free now.
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