AZ-Serie Garteln in München: Grünpaten zaubern Blumenbeete am Straßenrand

Anwohner werden zu "Grünpaten": Brach liegende Flächen vor der Haustür können bepflanzt werden – mit Unterstützung der Stadt.
Nina Job |
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Wasser marsch: Anja Pilz kümmert sich um dieses kleine Stück Natur in der Stadt.
Wasser marsch: Anja Pilz kümmert sich um dieses kleine Stück Natur in der Stadt. © Daniel von Loeper

München - Begonnen hat es einst mit "Samenbomben": Verkleidete Umweltaktivisten verstreuten im Schutz der Dämmerung Blumensamen auf verwahrlosten Verkehrsinseln. Die Aktionen nannten sich ganz konspirativ Guerilla Gardening.

Seit mittlerweile acht Jahren geht es auch ganz legal mit Genehmigung und Unterstützung der Stadt: Brachliegende, ungenutzte Flächen an Straßenbäumen vor Läden und Häusern können von Anwohnern verschönert werden. Eine Kooperation des lokalen Umweltvereins Green City mit dem Baureferat Gartenbau der Stadt München macht's möglich.

Schöneres Straßenbild: Am Ende profitieren alle

Die Pflanzen dafür gibt es sogar geschenkt. Insgesamt etwa 75 "Grünpaten" legen in München regelmäßig Hand an und verschönern das Straßenbild: Sie hegen und pflegen Blumen und Sträucher auf Beeten, wo sonst bestenfalls Unkraut sprießen würde. Sie jäten, zupfen Unkraut und gießen regelmäßig, um für mehr Natur zu sorgen.

Bedingungen: Zäune sind verboten, auch dürfen die Pflanzen nicht in die Straße oder in Radwege hineinragen, Sichtachsen dürfen nicht eingeschränkt werden. Am Ende profitieren alle davon: auch Passanten und Nachbarn, die nicht gärtnern.

"Kein Problem, das man mit Bußgeldern verfolgen müsste"

Doch auch die "Wilden", die einfach so Blümchen neben die Straße pflanzen, gibt es nach wie vor – aber ohne Masken. "In München gibt es sicher mehr als 100 solcher Flächen, wo Bürger einfach so pflanzen", schätzt Benjamin Zeckau von Green City.

Strafbar machen sie sich damit nicht. "Das ist kein Problem, das man mit Bußgeldern verfolgen müsste", bestätigt auch Dagmar Rümenapf, Sprecherin des Baureferats. "Das Schlimmste, was passieren kann", ergänzt Gärtnermeister Zeckau, "ist, dass es der Stadt zu bunt wird und sie die Flächen abmäht."

Himbeeren zum Frühstück

Es gibt Beete, die ausschauen, als stammen sie aus einem Gartenprospekt: Kein Unkraut sprießt, und nur selten ist mal eine welke Blüte zu sehen – denn sie wird gleich abgezupft.

Das große, eigentlich doppelte Beet, das Anja Pilz an der Streitfeldstraße betreut, ist anders: wilder! Hier wuchern Beerensträucher unter den Straßenbäumen, dazwischen wachsen Farne und Akeleien, die sich wild ausgesät haben und auch Brennnesseln machen sich an einigen Stellen breit. "Hier gibt's viel Futter für die Bienen", sagt die 42-Jährige lachend. "Und aus den Brennnesseln könnte man Salat machen."

Anja Pilz war die erste Grünpatin in Berg am Laim

In ihrem Beet wächst generell viel Essbares. Zur Zeit können die Onlinemarketingmanagerin und ihre Nachbarn jeden Tag ernten: An den Sträuchern, die sie unter Anleitung von Green City mit Hilfe von Freunden und Anwohnern gepflanzt hat, hängen jede Menge Himbeeren. "Die kommen morgens in meinen Smoothie", erzählt Anja Pilz.

Auch rote und weiße Johannisbeeren wachsen auf dem Streifen zwischen Gehweg und Straße reichlich. Anja Pilz war die erste Grünpatin in Berg am Laim. "Früher war hier nur brauner Modder", erinnert sie sich. Geparkte Autos gruben mit ihren Reifen tiefe Furchen in die Erde. Zwischen den hohen Bäumen lag oft Unrat.

Nicht ohne Frust: Gärtnern im öffentlichen Raum

Seit zweieinhalb Jahren freuen sich die Bewohner des Wohnkomplexes "Buchenhöfe" nun schon an dem Beet. Als die AZ zu Besuch kommt, bleibt ein Mann stehen und dankt Anja Pilz dafür, dass sie sich um die Pflanzen kümmert. "Das passiert ganz oft", erzählt sie. Ganz frustfrei ist die Aufgabe, im öffentlichen Raum zu gärtnern, allerdings nicht.

"Ich ärgere mich, wenn die Leute gar nicht achtgeben", sagt sie und zeigt auf einen Trampelpfad, der an einer Stelle mitten durch die Pflanzen getreten wurde. Auch muss sie immer wieder mal leere Flaschen aus dem Beet sammeln. "Manchen fehlt einfach das Bewusstsein, dass das hier ein Stück Natur ist."

Und so haben die Brennnesseln für Anja Pilz noch einen anderen positiven Effekt: "Dort, wo die wachsen, stellt keiner sein Rad hin oder trampelt durch."

Zwei Gartenprojekte in Kürze

Sandra Mayr, die Besitzerin des Cafés "Henry hat Hunger" in der Au, kümmmert sich mit zwei weiteren Grünpaten in der Zeppelinstraße 27 um ein kleines Beet. Bei der Pflanzaktion im Mai 2016 kamen so viele, dass das Arbeiten eher gemütlich ausfiel.

Eines der größten Projekte haben Schüler der Grundschule an der Schäferwiese in Langwied mit ihren Lehrern realisiert: Sie wandelten 200 Quadratmeter artenarmen Rasen im Juni 2017 in eine artenreiche Blühwiese und Insektenweide um. Sie wird nun nur noch ein bis zwei Mal im Jahr gemäht.
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Wollen Sie Grünpate werden? Mehr Infos unter: www.greencity.de

 

Teil 1: Schrebergärten - Grünes Glück mitten in der Stadt

Teil 2: Zu wenig Platz in der Stadt - Lange Warteliste für Kleingärten

Teil 3: Gruppenbeete und Gartenprojekte in der Stadt

 

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