Garteln in München: Zu wenig Platz - lange Warteliste für Kleingärten
München - Tomate ist nicht gleich Tomate. Und dass die Roten nicht allweil die Besten sind, wissen Münchner Kleingärtner nur zu gut. Deshalb sähen sie mit Vorliebe historische Sorten. In der Siedlung am Harthof hat sich schnell herumgesprochen, dass ein Bio-Gärtner auf der Auer Dult Samen für seltene Sorten verkauft. Am Harthof wird die Tomatenernte heuer also bunt. Ein seltenes Gärtnerglück, das in München vielen verwehrt bleibt.
"Unsere Mitglieder wissen, dass der eigene Garten der beste Bioladen ist", sagt Friedrich Pils, Vorsitzender des Kleingartenverbands München. Verbote für Pestizide und chemische Düngemittel würden, so Pils, überwiegend eingehalten und nur selten gebrochen. Größere Probleme bereitet den Gartlern ohnehin etwas anderes: Wie so vielen in der Stadt mangelt es auch den Kleingärtnern an Platz.
Etwa 100 Kleingartenanlagen in München
Mit etwa 100 Anlagen ist München gegenüber anderen Großstädten abgehängt. "Pro 1.000 Einwohner können in Hamburg 20 Einwohner garteln, in München sind es gerade einmal sechs", sagt Pils. Sein Verband betreut 83 Siedlungen auf knapp 300 Hektar städtischem Grund. Er hat 11.000 Mitglieder, die entweder in einer der 8.708 Parzellen garteln – oder auf ein Fleckerl Grün warten.
Der zweitgrößte Verband in München, die Bahnlandwirtschaft, hat knapp 3.000 Mitglieder in 16 Siedlungen. Private Grundstücke werden kaum zum Sähen und Ernten vermietet.

Hohe Nachfrage und lange Wartelisten
Lange Zeit war Schrebergarten ein Synonym für Spießbürgertum. In den vergangenen zehn Jahren hat ein Generationenwechsel stattgefunden.
"Der Garten boomt", sagt Thomas Wagner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG). In wachsenden Städten wie Berlin, Hamburg und auch München sei die Nachfrage größer als das Angebot. "Der Trend zum Erlebniskonsum ist vorbei", sagt Wagner. "Wir haben zu wenig oder zu viel Freizeit, mehr Sorgen, mehr Stress. Wir suchen Ruhe, Erholung und Ausgleich." Und das betreffe nicht nur die ältere Generation, sondern besonders junge Menschen und Familien.

In München führen alle Vereine Wartelisten. Die sind in aller Regel geschlossen, damit die Wartezeit nicht überhand nimmt. Doch selbst wer es irgendwie auf eine Warteliste geschafft hat, muss sich in Geduld üben. Durchschnittlich zwei bis drei Jahre dauert es – in manchen Anlagen sogar fünf – bis ein Garten frei wird.
Zuweilen führt das zu zwielichtigen Inseraten. Für 10.000 Euro Ablöse werden in den Kleinanzeigen Gartenparzellen angeboten. Privatpersonen hätten überhaupt keinen Einfluss über deren Vergabe, betonen die Verbände. Neue Pächter würden immer von den Vereinen ausgesucht. Wer versucht, die offiziellen Wege zu umgehen, verliert seinen Pachtvertrag.
Da sich Münchens Gartengrün mittlerweile nicht mehr in Randlagen befindet, geraten die Flächen in Zeiten von Wohnungsnot vermehrt in den Fokus von Investoren.
Im Norden etwa kämpfen Kleingärtner um ihr Eggarten-Idyll. Die historische Kolonie soll mit bis zu 2.000 Wohnungen bebaut werden.

Auch wegen solcher Vorfälle legen die Kleingärtner mitunter penibel großen Wert auf die Einhaltung ihrer Gartenregeln. "Das Bundeskleingartengesetz schützt unsere Flächen vor dem Abriss", sagt Verbands-Vorsitzender Pils. So lange die Kleingärten gemeinnützig genutzt würden, könnten sie nicht als Bauland verkauft werden. Dazu sei es eben wichtig, dass der Kleingarten ein Kleingarten bleibe und kein Freizeitgarten werde.
Ersterer definiert sich zum Beispiel darüber, dass wenigstens auf einem Drittel der Fläche Gemüse oder Obst angebaut wird. Auf dem Rest der Parzelle darf sich der Pächter erholen. Grundsätzlich darf ein Garten nicht größer als 400 Quadratmeter sein – und eine Laube nicht mehr Platz als 24 Quadratmeter wegnehmen. Darüber hinaus gilt in München zusätzlich eine Gartenordnung, die einige Sonderregelungen beinhaltet.
Grünflächenmangel: Nur zehn neue Gärten pro Jahr
Während die Einwohnerzahl der Stadt in den vergangenen Jahren stetig steigt, werden Grünflächen rar. Neue Gartenparzellen entstehen heuer nur mehr durch die Teilung freiwerdender Gärten mit großer Quadratmeterzahl. So können etwa zehn neue Gärten pro Jahr geschaffen werden.
Weit kommt man damit nicht. Und somit warten weiterhin Tausende Münchner darauf, irgendwann eine historische Tomate von ihrem Stückerl Münchner Boden ernten zu dürfen.
Die Fakten zum Garteln in München
Geduldsprobe
In nahezu allen Gärten gibt es Wartelisten. Deshalb sollte man immer mal wieder beim Kleingartenverein seiner Wahl vorbeischauen.
Viel hilft wenig
Bei den Siedlungen sind Mehrfachanmeldungen unerwünscht. Interessenten müssen sich für eine Siedlung entscheiden.
Wer darf anpflanzen?
Auf die Warteliste setzen lassen, darf sich jeder, der einen Hauptwohnsitz in München hat. In den Anlagen der Bahn-Landwirtschaft werden Eisenbahner bei der Vergabe bevorzugt. In den anderen Kolonien kommt derjenige dran, der als nächstes auf der Liste steht. Dennoch achten die einzelnen Vereine auf eine gute Mischung zwischen Alt und Jung, Familien und Alleinstehenden.
Was kostet die Oase?
Für die Ablöse von Laube und Bepflanzung muss ein Neupächter mit etwa 3.000 Euro rechnen. Damit niemand übervorteilt wird, stellt ein unabhängiger Gutachter den Wert des Gartens fest.
Jährlich kostet ein Garten, je nach Quadratmeterzahl, inklusive Vereins- sowie Verbandsgebühr, Wasser und Versicherungen zwischen 300 und 400 Euro. Die städtischen Gärten legen 0,42 € zuzgl. 0,10 € pro m²/Jahr Aufwandsersatz zu Grunde.
Bund fürs Leben
Wer einmal eine Pacht unterschrieben hat, darf seinen Garten bis zum Tod behalten.

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