Münchner Abfallwirtschaft: Eine Frau bei der Müllabfuhr - allein unter Müllmännern

Betriebsbeginn früh morgens kurz nach sechs auf dem Gelände der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM) am Georg-Brauchle-Ring: Männer in oranger Schutzkleidung laufen hektisch über den Hof, teilen sich in Teams auf und steuern ihre schweren Mülllaster einen nach dem anderen vom Hof. In dem Gewusel aus Menschen in unförmigen Arbeitsuniformen fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass unter einer der zahlreichen Mützen kein Männer-, sondern ein Frauengesicht mit schulterlangen blonden Haaren hervorschaut.
Ewa Thiemann ist seit knapp drei Jahren als Laderin bei den AWM tätig. Das heißt, jeden Morgen sorgt die gebürtige Polin dafür, dass der Müll unfallfrei aus den Tonnen der Stadt in den Abhollaster kommt. Im Volksmund nennt man diesen Beruf meist Müllmann.
Frauen sind bei der Müllabfuhr deutlich in der Unterzahl
Nur dass Thiemann eben kein Mann ist und damit absolute Exotin bei den AWM. 500 Lader beschäftigen die Abfallwirtschaftsbetriebe derzeit, nur fünf davon sind weiblich. Unter den rund 200 Fahrern der Mülllaster gibt es überhaupt keine Frau.
Zu dem Job mit der vermutlich niedrigsten Frauenquote der Stadt kam Thiemann über Bekannte: "Ich kannte Leute bei den AWM und habe immer gesagt, sie sollen mir Bescheid geben, wenn wieder was frei wird. Das haben sie irgendwann gemacht, ich habe mich beworben und wurde genommen“, erzählt sie.
Um 6.30 Uhr beginnt die Frühschicht. Thiemann stört das frühe Aufstehen nicht.
Über den Frauenanteil machte sich Thiemann da noch keine Gedanken: "Ich war einfach nur glücklich über den Job. Mein Sohn fragte aber irgendwann: ‘Du weißt schon, dass da nur Männer arbeiten?’“, erinnert sie sich lachend.
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Warum der Dienst am Müllfahrzeug für viele Frauen nur bedingt in die Kategorie Traumjob fällt, zeigt sich schon kurz nachdem Thiemann mit ihrem Team vom Hof gerollt ist. Denn ruhige Momente gibt es während der Schicht so gut wie keine, die Arbeit ist ein echter Knochenjob. Immer wieder springt Thiemann vom Tritt des Lasters, sammelt am Straßenrand stehende Mülltonnen ein und hängt sie in die Schüttvorrichtung des Fahrzeugs.
Leer wiegen die Tonnen um die 70 Kilo, voll werden es auch mal bis zu 120. Rund 35 Tonnen leert jeder Lader auf diese Art pro Schicht. Auch laufen die Arbeiter große Teile der Strecke neben dem Müllauto her. Je nach Einsatzgebiet kommen so am Tag schnell 20 gelaufene Kilometer zusammen – und das bei jedem Wetter. Nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit für die zierliche Thiemann: "Die Arbeit ist schon hart. Nach meinem ersten Arbeitstag bin ich nach Hause und war völlig kaputt“, erinnert sie sich. Inzwischen habe sie sich aber an die Anstrengungen gewöhnt.
Zupacken können müssen auch die Frauen bei den AWM. Das Entladen der Tonnen ist Knochenarbeit.
In diese Ladevorrichtung müssen die Tonnen vor dem Entladen eingehängt werden.
"Wenn Ewa mitfährt, ist die Stimmung immer gut."
Thiemann ist ein auffallend fröhlicher Mensch. Selbst dem Wetter kann sie etwas positives abgewinnen. "Also ich finde es romantisch“, entgegnet sie auf die Beschwerde eines Kollegen und lacht. Vom Fahrer gibt es dafür ein großes Kompliment: "Wenn Ewa mitfährt, ist die Stimmung immer gut.“
Überhaupt: Der Umgang mit den männlichen Kollegen scheint gut zu funktionieren. "Meine Jungs"oder "Schätzchen"nennt Thiemann sie liebevoll.
Akzeptanzprobleme habe es nie gegeben, sagt sie: "Meine Jungs haben mich sofort aufgenommen wie eine Schwester."Das mag auch daran liegen, dass Thiemann nie einen Frauenbonus gefordert hat: "Ich bin völlig gleichberechtigt und mache alles, was die Jungs auch machen. Alles andere würde für Unruhe sorgen“, meint sie.
Auch durch die engsten Hofeinfahrten können die Fahrer ihre Mülllaster bugsieren.
Trotzdem, wenn eine Frau mit an Bord ist, sind zumindest die Gesprächsthemen andere. "Ich rede mit den Männern auch übers Kuchenbacken und meine Enkel“, sagt Thiemann, glaubt aber: "Ein bisschen Abwechslung tut denen gut.“
Nach drei Jahren auf dem Mülllaster kann sich Thiemann einen Bürojob nicht mehr vorstellen. "Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und wollte schon immer draußen arbeiten. Früher habe ich in Kindergärten und Krankenhäusern gearbeitet, aber schon da wollte ich immer raus. Ich liebe meinen Beruf einfach“, erklärt sie und lächelt.
Warum sich nicht mehr Frauen an die Tonne wagen, das kann sich zumindest Thiemann so auch nur bedingt erklären: "Man muss sich das schon trauen, aber ich würde mich freuen, wenn mehr Frauen dabei wären."Nur an eine Regel sollten sich auch potenzielle neue Kolleginnen halten können, findet Thiemann: "Teamwork ist in unserem Job ganz wichtig. Ohne das geht es nicht.“