München will scharf gegen Bettelbanden vorgehen

Mit einem neuen Erlass will das KVR aggressive Bettler aus der Innenstadt verbannen – stilles Betteln bleibt dagegen weiterhin erlaubt. Gegen organisierte Bettelbanden wird die neue Regel kaum helfen
von  Florian Zick
Mit niedrig eingestellter Krücke und Pappbecher schleppt sich dieser Bettler durch die Bayerstraße. In Zukunft wollen KVR und Polizei gegen organisierte Bettelbanden stärker vorgehe.
Mit niedrig eingestellter Krücke und Pappbecher schleppt sich dieser Bettler durch die Bayerstraße. In Zukunft wollen KVR und Polizei gegen organisierte Bettelbanden stärker vorgehe. © Ralph Hub

München - Am späten Dienstagabend war es mal wieder soweit: Da ging gegen 23 Uhr ein Anruf bei der Münchner Polizei ein. In der Leitung ein Mann, der mit aufgeregter Stimme berichtete, dass ihn sein rumänischer Bettel-Zuhälter soeben verprügelt habe. Der Mann hatte sich von seinem tagsüber erbettelten Geld ein paar Latschen gekauft, abends konnte er kaum etwas abliefern. Dafür setzte es vom Chef der Bettelbande ein paar heftige Schläge.

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Fälle wie der vom Dienstagabendwerden in München leider viel zu selten aktenkundig. „Die Aussagebereitschaft der Bettler ist nicht sonderlich ausgeprägt“, sagt Robert Kopp, der Vizepräsident der Münchner Polizei. Bevor sie sich an die Behörden wenden, ertragen viele Bettler lieber die Demütigungen und Schikanen, die sie erleben müssen. Der Polizei fällt es entsprechend schwer, gegen die organisierte Bettelei vorzugehen. Die Szene schottet sich dafür zu sehr ab, Informationen sind nur schwer zu bekommen. Für die Polizei ist das überaus ärgerlich, denn in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Bettler in der Innenstadt massiv zugenommen, von etwa 20 zu Beginn 2012 auf mittlerweile rund 100. Viele davon sind bandenmäßige organisiert.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat auf diese Entwicklung nun reagiert und für den Bereich innerhalb des Altstadtrings und das südliche Bahnhofsviertel eine sogenannte Allgemeinverfügung erlassen. Im Geltungsbereich dieser Verordnung sind einzelne Formen von Betteln nun verboten, darunter aggressives Betteln und Betteln mit Kindern oder Hunden (siehe Kasten rechts). Stilles Betteln oder Demutsbetteln bleiben dagegen ausdrücklich erlaubt. „Eine Großstadt wie München muss akzeptieren, dass es Leute gibt, die sich für diese Form des Lebensunterhalts entscheiden“, sagt KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle. Der Stadt sei nicht daran gelegen, Armut komplett aus dem Stadtbild zu verdrängen. „Wir gehen nicht gegen Bettler vor, die andere nicht belästigen“, so Blume-Beyerle.

Das Betteln bleibt also weiterhin grundsätzlich erlaubt. Wer mit stillem Betteln sein Geld verdient, kann dies – mit Ausnahme von Fußgängerzone, Viktualienmarkt und Wiesn, wo ein absolutes Verbot gilt – auch in Zukunft tun. Bettler, die Passanten offensiv ansprechen, eine Behinderung vortäuschen oder mit Tieren versuchen, Mitleid zu erregen, die machen sich damit von Dienstag nächster Woche an strafbar.

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Die Polizei will die Einhaltung der neuen Regelung verstärkt kontrollieren. Die Beamten werden an die Bettler ein in mehrere Sprachen – darunter bulgarisch, slowakisch und rumänisch – übersetztes Faltblatt verteilen, das auf die Allgemeinverfügung hinweist. Sollte es zu Verstößen kommen, kann die Polizei Platzverweise aussprechen, Bußgelder verhängen oder, als letztes Mittel, Ersatzzwangshaft anordnen. Dabei ist eine Haft bis zu vier Wochen möglich. Wobei Blume-Beyerle vor allem auf das Aufenthaltsverbot setzt.

Als Blume-Beyerle gestern die neue Regelung im Kreisverwaltungsreferat vorstellte, störten ein paar Aktivisten der Initiative Zivilcourage die Veranstaltung. Das zugehörige Netzwerk gegen Bettelverbote verlieh seiner Befürchtung Ausdruck, durch die Allgemeinverfügung könnten alle Bettler pauschal kriminalisiert werden. Tatsächlich ist es auch nicht immer so einfach, zu erkennen, ob einen Bettler die Armut oder ein gewalttätiger Bandenchef auf die Straße zwingt.

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Polizei und KVR haben in den vergangenen Jahren deshalb Kriterien entwickelt, um organisierte Bettelei definieren zu können. Bandenmäßiges Betteln liegt demnach vor, wenn Bettler in gemeinsamen Unterkünften oder Zeltlagern in Parks und unter Brücken übernachten und wenn es einen Hintermann gibt, der ihnen die Bettelplätze zuweist und auch die Bettelerlöse regelmäßig abholt.

Mit der Allgemeinverfügung hat das KVR der Polizei nun die Möglichkeit eingeräumt, in der Innenstadt verstärkt gegen aggressives Betteln vorzugehen. Gegen die organisierte Bettelei ist damit aber noch kein Schlag gelungen. Dafür müsste öfter Bettler gegen ihre Bandenchefs aussagen – so, wie das am Dienstag passiert ist. Da konnte der gewalttätige Bettel-Zuhälter noch in der selben Nacht festgenommen werden.

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