München: Wie kommt der neue Alkoholfrei-Biergarten "Die Null" an

München Es macht einen Unterschied, ob es Mittag oder Spätnachmittag ist am Karl-Stützel-Platz neben dem Gewalt- und Drogenbrennpunkt Alter Botanischer Garten. Am Mittwochmittag brennt die Sonne auf die kahle Schotterfläche unter dem zwölf Meter hohen roten Ring-Kunstwerk. Der Verkehr rauscht über die Kreuzung Luisen-/Elisenstraße, keine 200 Meter vom Hauptbahnhof entfernt.

Auf einer Bank im Schatten hocken Männer mit trüben Augen. Und hinter dem noch geschlossenen Verkaufswagen des Alkoholfrei-Biergartens "Die Null", der vor einer Woche eröffnet hat, ist das Geschrei Betrunkener zu hören, die unter Bäumen campieren. Gegen halb fünf wird alles anders. Plötzlich tauchen die "Null"-Wirte Christian Lehner und Florian Schönhofer mit ihrer Helfertruppe auf. Verkaufswagen und Klowagen klappen auf, ruckzuck stehen Biertische, Sonnenschirme, Liegestühle. Das Eis-Bike öffnet. Die bunten Lämpchen vor der Bühne springen an und aus einem Lautsprecher tönt entspannte Chillmusik.
"Ist das cool, mit einem lauwarmen Bier auf einer Bank zu hocken?"
Wie ist es angelaufen, das Alkoholfrei-Pilotprojekt, das die Dealer- und Trinkerszene im Park verdrängen und Passanten mehr Sicherheitsgefühl geben soll? "Ich hab hier schon viel Spaß gehabt", sagt Christian Lehner, der das Park Café nur ein paar Meter weiter mitten im Alten Botanischen Garten betreibt und dort seit Jahren daran arbeitet, Trinker und Junkies aus seinem Biergarten fernzuhalten. 200, 300 Leute seien jeden Abend ab 17 Uhr in der Null gewesen, "Junge, Alte, Einheimische, Touristen", sagt er. "Vom trockenen Alkoholiker, der sich gefreut hat, in der Null gar nicht erst in Versuchung zu geraten, bis zu 14- und 15-Jährigen, die ganz happy sind, dass sie beim Getränkebestellen endlich mal keiner nach dem Alter fragt." Allein das mediale Echo (sogar die "New York Times" hat berichtet) sei ein Riesenerfolg, sagt Florian Schönhofer, der auch die benachbarte Kultbar Café Kosmos führt. "Wir haben eine Diskussion über die harte Trinkerszene angestoßen", findet er, "und ich hoffe, dass viele Leute sich jetzt mehr überlegen, ob das so cool ist, mit einem lauwarmen Bier auf einer Parkbank herumzuhocken."

"Münchner Singles" kommen als Damenründchen
Inzwischen haben sich die Liegestühle und Bierbänke gefüllt. Drei Schülerinnen vom benachbarten Luisengymnasium sitzen mit Schorlen an einem Tisch, eine Touristenfamilie aus Memmingen ist da, Oma, Tochter und vier Enkelsöhne, die noch ein bisserl Zeit haben, ehe ihr Zug nach Hause abfährt. Und ein Damenründchen, fünf Münchnerinnen im Rentenalter von den "Münchner Singles". Man hat schon Hoppebräu bestellt und das Alkoholfreie von Augustiner. "Das hab ich vorgeschlagen, dass wir uns diese Null gleich einmal anschauen", sagt die weißhaarige Brigitte, die in der Gruppe so etwas wie die Treffpunktansagerin ist, "weil, man muss ja auch mal was Neues ausprobieren."

Dealer, Trinker, Kiffer sind noch immer im Park
Im Park selbst, der gleich hinter dem Verkaufswagen beginnt, ist die Szene freilich nicht verschwunden. "Haschisch, Haschisch", wird schon auf den ersten Metern geflüstert. Die Hinweisschilder, die auf die neue Videoüberwachung des Parks hinweisen, scheinen weder Dealer noch Kiffer und Trinker arg zu beeindrucken. Viel Sicherheitsdienst ist allerdings zu sehen. Das grölende Trinkergrüppchen auf der Wiese ist von fünf Uniformierten eingekreist, die die Aufschrift "KVR" des Kommunalen Außendienstes auf dem Rücken tragen. Drei Sicherheitsleute sind wenig später im eingezäunten Spielplatz anzutreffen, den man ausdrücklich nur in Begleitung von Kindern betreten darf. Wer sich als Einzelgänger einschleicht, fliegt schnell raus.
Lokalpolitikerin: "Das wird dauern, aber das wird schon"
Die Null habe die Szene noch nicht wirklich verändert, meint die Chefin des zuständigen Bezirksausschusses Maxvorstadt, Svenja Jarchow (Grüne), die immer wieder mal am Alkfrei-Biergarten vorbeigeschaut hat. Zumal: Diagonal über der Kreuzung Luisen-/Elisenstraße hat schon letzten Sommer die Korbinian-Küche der Caritas ihr Zelt aufgebaut und gibt täglich bis zu 600 Essen an Arme und Wohnungslose aus. Gleich daneben ist das D3, in dem Alkoholkranke sich – seit dem Alkoholverbot rund um den Hauptbahnhof – treffen, Bier trinken und duschen können. Diese Menschen verschwinden nicht wegen eines Alkoholfrei-Biergartens mit Kulturprogramm, meint die Lokalpolitikerin, "aber vielleicht gelingt es, dass sich alles mehr verteilt und mehr mischt. Das wird dauern, aber das wird schon."

Ein neuer Biergarten am Neptunbrunnen ab 2. August
Am Neptunbrunnen ist von Verteilen und Durchmischen noch nichts zu sehen. 70, 80 jüngere und ältere Männer hocken oder liegen am Brunnenrand und auf den Bänken. Es wird getrunken, gekifft, gepöbelt. Man kann dabei zusehen, wie Geldscheine und kleine Päckchen die Besitzer wechseln. Ein Mann liegt regungslos auf dem Rücken, jemand hat ein Handy am Ohr, ein Rettungswagen ist wohl unterwegs.
Nächsten Freitag könnte hier vieles anders werden. Denn Christian Lehner hat 80 Meter Trinkwasserschlauch aus dem Park Café bis zum Neptunbrunnen verlegt. Seit Donnerstag kann man Gehämmer hören. Lehner baut zwei Standl auf, für Getränke und Grillspeisen. Ein richtiger Selbstbedienungs-Biergarten komme da jetzt hin. Ein Wumms mittendrin im Brennpunkt. 500 Plätze und Bühne. Mit richtigem Bier, Foodtruck, Eisstandl, vielleicht Steckerlfisch. "Da wird man essen, trinken, feiern können, die Füße in den Brunnen hängen", sagt der Park-Café-Wirt, "mit Blick auf den Brunnen und die tolle Fassade vom Justizpalast." Cool werde das. Ganz bestimmt. Schon nächsten Freitag (2. August) um 16 Uhr geht's los. Und vielleicht macht auch das dann wieder einen Unterschied.