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München vor 50 Jahren: Leserin empört – Polizei hält sie für Prostituierte

Sie stoppte ein Taxi, dann kam die Polizei: Wie eine AZ-Leserin vor 50 Jahren an der Gabelsbergerstraße auf ein Taxi wartete und als "Dirne" abgeführt wurde.
Felix Müller
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AZ vor 50 Jahren: "Lachen Sie nie Polizisten an"
AZ vor 50 Jahren: "Lachen Sie nie Polizisten an" © Archiv/C. Strub

München – "Muss man eine Frau gleich für eine Prostituierte halten, nur weil sie abends alleine auf der Straße steht?" Elena Tintea ist hell empört, wie die AZ am 30. August 1974, vor genau 50 Jahren, berichtet. Als sie am Mittwoch kurz nach 22 Uhr in der Gabelsbergerstraße auf ein Taxi gewartet habe, sei sie von einer Zivilstreife kontrolliert und "zur Wache geschleppt" worden.

AZ-Leserin vor 50 Jahren empört über Polizei: Wurde für eine Prostituierte gehalten

Die aus heutiger Sicht durchaus kuriose Begründung der Polizei: "Die Frau hatte eine sehr kooperative Haltung zu den Autos hin und die Beamten bemerkten ihre freundliche Miene."

An dem Abend habe es geregnet, erzählt die 30-Jährige, in der Taxizentrale sei ständig belegt gewesen. "Deshalb konnte ich kein Taxi vorbestellen. Also ging ich aus meiner Wohnung hinunter auf die Straße, um einen Wagen abzupassen."

Endlich habe sie eine Droschke erwischt, so die AZ-Leserin. Aber sie kam nur 100 Meter weit – dann wurde das Taxi von Zivilpolizisten gestoppt, die ihren Ausweis verlangten. "Ich musste aussteigen und das Taxi bezahlen. Die Polizisten haben gesagt, ich sei eine Prostituierte und meinen Ausweis verlangt."

Als sie erklärt hätte, dass sie keinen habe, in der Gabelsbergerstraße wohne und Tänzerin sei, hätten die Beamten nur "höhnisch gelacht" und ihre Tasche durchsucht. Sie habe mit ins Revier fahren müssen und sei im Auto sogar geohrfeigt worden, so die 30-Jährige.

Polizei wehrt sich in der AZ:  "Frau wurde nicht geschlagen"

Die Polizei weist die Vorwürfe in der AZ ganz entschieden zurück. "Die Frau wurde nicht geschlagen!", sagte ein Sprecher. "Außerdem haben die Beamten sie nicht Prostituierte genannt, denn das dürfen sie nicht. Das wäre ja eine Beleidigung."

Es stimme nur, dass sie kontrolliert und aufs Revier gebracht worden sei – weil sie keinen Ausweis bei sich hatte. "Ein Anruf bei ihrem Arbeitgeber klärte ihre Identität und sie durfte gehen."

Elena Tintea auf jeden Fall ist stocksauer. "Das Ganze hat fast eine Stunde gedauert", klagt sie in der AZ. "Ich hatte in der Zwischenzeit meinen Auftritt versäumt! Ich finde es unerhört, dass man so behandelt werden kann, nur weil man als Frau allein aufs Taxi wartet."

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Der Polizeisprecher hingegen verteidigt das Vorgehen. In der Gegend um die Gabelsbergerstraße häuften sich die massiven Beschwerden über den Straßenstrich. "Außerdem ist dort ein Lokal, das nicht gerade den besten Ruf hat." So müsse man in der Gegend häufig kontrollieren.

AZ-Leserin: "Werde nie mehr freundlich schauen, wenn ich auf ein Taxi warte!"

Den Polizeibeamten sei im Vorbeifahren die "freundliche Miene" der Frau aufgefallen. "Da wollten sie ein Stück zurückfahren und die Identität der Frau überprüfen." In diesem Moment aber sei sie auf die Straße getreten und habe das Taxi angehalten.

Elena Tintea auf jeden Fall zieht klare Konsequenzen aus ihrem Ärger mit der Münchner Polizei. "Ich werde nie mehr freundlich schauen, wenn ich vor meiner Wohnung auf ein Taxi warte!", sagt sie bestimmt.

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  • SL am 30.08.2024 20:59 Uhr / Bewertung:

    Die Polizisten haben die Frau nicht geschlagen und auch nicht Prostituierte genannt. Ja auf den Korpsgeist ist eben Verlass.

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