München platzt aus allen Nähten: Das steht im neuen Demografiebericht

300.000 Menschen mehr als heute werden 2035 hier leben – glauben die Demographen. Jung, Alt, Männer, Frauen und Migranten – wie verteilen sie sich?
München - Wer schon lang Münchner ist, den nervt es fast überall: Im Supermarkt, in der U-Bahn, an der Isar oder beim Wohnungsuchen – es ist ungemütlich eng geworden. Kein Wunder. Rund 130.000 Neubürger sind allein 2015 in die Stadt gezogen, aber nur rund 100.000 weg. Macht (Geburten- und Sterberate eingerechnet) ein Plus von 32.328 Menschen, die sich irgendwo dazwischen quetschen. Wohnen, arbeiten, shoppen, sich erholen.
Noch mal so viele kamen letztes Jahr dazu (macht über 60.000 in zwei Jahren). Und heuer werden es noch mehr sein. Und nächstes Jahr, und übernächstes wieder. Weil einerseits jährlich 5.000 Kinder mehr geboren werden als Münchner sterben. Und andererseits die Stadt – grün, alpennah, voller Kultur und Jobs wie sie ist – massiv Zuzügler anzieht. Aus Bayern, Deutschland und vor allem aus EU-Ländern.
Wachstums-Prognose nochmal nach oben korrigiert
München ist so sehr eine Wachstums-Stadt geworden, dass die städtischen Demographen ihre eh schon ambitionierte Prognose für 2030 nochmal nach oben schrauben müssen: Von jetzt 1,5 auf dann 1,7 Millionen Einwohner werde die Stadt bis dahin wachsen, dachten die Experten bisher. Jetzt rechnen sie mit 1,8 Millionen. Danach, glauben sie, werden immer noch viele Menschen nach München ziehen. Aber nicht mehr in dieser Dichte.
Bis 2035 rechnen sie mit 1,85 Millionen. Das wären rund 300.000 mehr als heute. So jedenfalls steht’s im neuen "Demografiebericht", den Stadtbaurätin Elisabeth Merk am Mittwoch im Stadtrat vorlegen will.
Wo die Stadt nur kann, kauft sie deshalb freie Grundstücke auf. Im Turboverfahren lässt OB Dieter Reiter (SPD) Schulen, Kindergärten und Wohnungen auf Stelzen bauen. Die Stadt plant am Landshuter-Allee- und Englischer-Garten-Tunnel, an U-Bahn- und Tramstrecken und tüftelt an den letzten großen neuen Siedlungsgebieten – "München-Nordost" und "Nord" rund um Feldmoching.
Wie eng wird es also in den Stadtbezirken? Wird’s künftig mehr Junge oder Alte geben? Männer oder Frauen? Wie entwickelt sich der Anteil der Münchner mit ausländischem Pass? Ein Überblick.
Mehr Junge
Schon jetzt leben (dank der Unis und vieler Ausbildungsplätze) überdurchschnittlich viele junge Menschen an der Isar. Die Zukunft heißt: noch mehr junge Erwachsene und deutlich mehr Babys und Kinder. München wird also wohl keine Stadt sein, die schnell überaltert.
60.000 Menschen mehr im Alter von 25 bis 39 Jahren erwarten die Demographen bis zum Jahr 2035. Dazu 9.000 zusätzliche Grundschulkinder. Und: so viele Babys wie nie zuvor. Bereits vor zwei Jahren hatte die Geburtenrate in München schon fast wieder das Niveau des Babyboomer-Jahrs 1966 erreicht (mit 17.143 Neugeborenen in der Stadt). 2035 wird mit fast 20.000 Babys wohl eine neue Rekordzahl bei den Geburten erreicht.
Allerdings wird sich die Verteilung der Jungen und Jüngsten auf die Stadt voraussichtlich ändern: Noch sind die jüngsten Viertel die Maxvorstadt, Schwanthalerhöhe und Ludwigs-/Isarvorstadt (hier leben viele Studenten und junge Erwachsene und nur wenige Senioren). In Zukunft wird sich vor allem der Stadtrand mit den jungen Neubauvierteln verjüngen. In Schwabing-Freimann, Milbertshofen-Am Hart und Ramersdorf-Perlach erwarten die Demographen bis 2030 jährlich rund 300 mehr Geburten als Sterbefälle.
Mehr Frauen
Einen Frauenüberschuss von über 13.000 Damen hat München heute schon (2015 lebten 782.334 Frauen hier – neben 769.009 Männern).
Wobei auffällt: Bei den Münchnern mit deutschen Pass gibt’s vor allem unter den jungen Leuten zwischen 18 bis 28 Jahren deutlich mehr Frauen – also unter Azubis, Studenten und bei den jungen Akademikern. Dieser Trend dürfte noch eine Weile anhalten. In etwas höherem Alter (35 bis 55 Jahre) holen die Herren dann wieder ein Stück auf.
Etwas anders schaut’s bei den Münchnern mit ausländischem Pass aus: Hier überwiegt der Männeranteil bei den 14- bis 60-Jährigen.
Mehr Hochbetagte
Aber auch um die Versorgung der über 75-Jährigen muss die Stadt sich vorausschauend kümmern – und zwar lieber früher als später. Bis zum Jahr 2035 werden rund 25.000 mehr Senioren ab diesem Alter erwartet – insgesamt dann also 156.000 Ältere und Hochbetagte.
Viele Senioren leben aktuell im feinen Bogenhausen und im Südwesten Münchens (in den Einfamilienhäusern von Untergiesing-Harlaching und Solln).
Deutlich altern könnte Trudering-Riem (wenn die Kinder von heute aus dem Haus und die heutigen Eltern dann Großeltern geworden sind). Die Bezirke mit den ältesten Bürgern werden 2030 wohl Untergiesing-Harlaching und Laim sein.
Mehr Ausländer
Im Jahr 2015 hatte etwas mehr als jeder vierte Münchner (420.978 Menschen, 27,1 Prozent) einen ausländischen Pass. Der Anteil ist höher als im Bundes-Schnitt (da sind es 21 Prozent). Vor allem durch viele EU-Zuwanderer steigt der Anteil bis 2035 um weitere fünf Prozent. Damit wird die Stadt nochmal ein wenig internationaler.
Menschen aus 173 Nationen sind 2015 nach München (oder auch von München weg) gezogen. Ein Drittel der Zuzügler kam aus dem europäischen Ausland. Darunter 3.897 Kroaten, 2.799 Rumänen, 2.407 Italiener, 1.742 Bulgaren, 1.637 Polen, 1.239 Griechen und 963 Ungarn.
Heute leben in den Stadtbezirken Milbertshofen-Am Hart, Schwanthalerhöhe und Ramersdorf-Perlach die meisten Auslands-Münchner. Ihre Zahl wird laut den Prognosen in fast allen Vierteln steigen. Vor allem in Bogenhausen, Obersendling und Aubing.
Die wenigsten Veränderungen werden in den engen Innenstadtbereichen erwartet: in der Ludwigs-/Isarvorstadt und auf der Schwanthalerhöhe.
Eng, enger, München
Hier geht nicht mehr viel: Wo eh schon fast jeder Winkel zugebaut ist (und man nur noch Dachböden ausbauen kann), ist halt kaum noch Platz für zusätzliche Wohnungen. Das gilt vor allem für die Innenstadtbereiche mit Altstadt, Lehel und Schwanthalerhöhe, wo zwar noch viel saniert und umgezogen wird, aber kaum noch neu gebaut.
In der Maxvorstadt, in der viele junge Leute leben, entstehen zwar noch ein paar hundert Wohnungen. Erwartet wird aber eine schrumpfende Einwohnerzahl: weniger Studenten-WGs, dafür mehr große Luxuswohnungen.
Hier wird es noch viel enger: Positiv betrachtet könnte man es so sagen: Der größte Einwohner-Gewinner könnte bis 2030 der nördliche Stadtbezirk Schwabing-Freimann sein: 27.000 Menschen mehr als heute werden dann dort leben, weil die Neubauten auf der Bayernkaserne, Funkkaserne und in der Parkstadt Schwabing fertig sind (mit rund 8.300 neuen Wohnungen). Macht: 37,4 Prozent mehr Menschen als heute.
Ähnlich sieht’s im Westen aus, im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied. Wenn das neue Viertel Freiham (8.000 Wohnungen) fertig ist, werden 25.000 Neu-Münchner zugezogen sein. Das erhöht die Einwohnerzahl im Bezirk um ein Drittel.
Auch der riesige Stadtbezirk Thalkirchen-Obersendling muss sich auf mehr Gedrängel einstellen: Wenn alle Wohnungen auf dem ehemaligen Siemens-Areal fertig sind, wird jeder fünfte Einwohner ein Neu-Münchner sein (plus 23.000 Menschen).
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