München: Kommt die Sondersteuer auf Einweg-Geschirr?
München - Pappbecher, Pizzakartons, Papiertüten, daneben noch ein paar Pfandflaschen. Vom Englischen Garten bis zur Isar, vom Gärtnerplatz bis zum Univiertel - dieses Bild bietet sich an vielen Ecken der Stadt. Vergangenes Jahr kam die Straßenreinigung kaum noch hinterher: Da war ihr Arbeitspensum im Frühling bereits so hoch wie im Hochsommer während der Grillsaison.
In Tübingen schon Realität: Sondersteuer für Einweg-Verpackungen
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat sich im Kampf gegen diese Müllberge ein Instrument einfallen lassen, über das auch München nachdenkt: Seit Januar müssen Gastronomien eine Sondersteuer zahlen, wenn sie Essen in Verpackungen verkaufen, die man hinterher wegschmeißen muss. Für Einwegverpackungen und Einweggeschirr sind 50 Cent netto fällig, auf Einwegbesteck beträgt die Steuer 20 Cent netto.
Zahlen müssen Gaststätten und Restaurants, aber auch Bäckereien, Tankstellen und Cafés - für den Pizzakarton ebenso wie für den To-go-Becher.

Gute Umsetzung, wenige Beschwerden: Tübingen als Vorbild für München?
Bis jetzt sei er von dem Effekt der Verpackungssteuer positiv überrascht, sagt Palmer zur AZ. "Ich habe mit vielen Beschwerden gerechnet." Stattdessen finden die meisten Tübinger die Steuer gut, glaubt er. Um die Sonderabgabe zu vermeiden, kaufen sie weniger To-go-Produkte, damit landet auch viel weniger Müll auf den Straßen. Im Januar sei 15 Prozent weniger angefallen als im gleichen Zeitraum vor Corona, so Palmer.
Die Grünen-Stadträtin Julia Post hat bereits vor zwei Jahren eine solche Steuer für München gefordert. Eine endgültige Entscheidung gibt es aber immer noch nicht. Im April 2021 erstellte das Kommunalreferat, das für die Abfallwirtschaftsbetriebe zuständig ist, zwar eine 22 Seiten lange Beschlussvorlage, wie die Stadt Mehrwegprodukte fördern könnte. Zufrieden war Julia Post damit allerdings nicht: "Die Verpackungssteuer wurde nur sehr oberflächlich betrachtet."

Boris Palmer: Viel Bürokratie vermeiden und einfach umsetzen
Die Kämmerei rechnete mit viel Bürokratie und bezweifelte, dass die Einnahmen groß genug sind, um den Personalaufwand zu decken. Ein weiteres Gegenargument: Statt Insellösungen zu schaffen, sei es zielführender, wenn alle Kommunen an einem Strang ziehen und sich für neue Bundesgesetze stark machen.
Für Boris Palmer ist das eine Ausrede: "Wenn man immer auf die anderen wartet, ist das ein Grund, wenn am Ende gar nichts vorwärtsgeht." Auch der bürokratische Aufwand halte sich in Grenzen: Zur Einführung seien zwei von 1.500 Mitarbeitern in seinem Rathaus beschäftigt gewesen. Langfristig rechnet er damit, dass eine halbe Stelle reicht. Rechnerisch könnte er mit der Steuer eine Million Euro einnehmen.
Doch im Tübinger Haushalt taucht diese Zahl nicht auf. Schließlich könne er nicht voraussehen, welchen Einfluss die Steuer tatsächlich auf das Kaufverhalten hat.

Stadträtin Post: Mehr Einnahmen, weniger Ausgaben für Straßenreinigung
Die Münchner Stadträtin Julia Post findet: Bei den Berechnungen müssten ohnehin nicht nur die möglichen Einnahmen mit einberechnet werden, sondern auch, dass die Stadt weniger Geld für die Straßenreinigung ausgeben muss. Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) hat berechnet, dass die deutschen Städte und Gemeinden im Jahr rund 700 Millionen Euro zahlen, um Parks und Straßen sauber zu halten.
Der Münchner Stadtrat hat gegen die Stimmen der FDP, der Bayernpartei und der AfD deshalb vor fast einem Jahr beschlossen, dass das Umweltreferat eine Verpackungssteuer gründlicher prüfen soll.
Zumindest der SPD wäre eine europaweit einheitliche Lösung lieber. SPD-Stadträtin Katrin Abele glaubt zwar, dass eine Steuer Anreize setzen kann, schlauer zu verpacken. Doch gleichzeitig will sie die Verbraucher nicht zusätzlich belasten.

McDonald's in Tübingen klagt: Entscheidung steht noch aus
Fertig ist das Umweltreferat mit seinem neuen Vorschlag noch nicht. Es wartet auf eine Entscheidung aus Baden-Württemberg. Denn auch in Tübingen gab es für die Verpackungssteuer nicht nur Lob: Eine McDonald's-Filiale klagte. Das Urteil des Verwaltungsgerichts in Mannheim steht noch aus. So lang will auch München keine Entscheidung treffen.
Palmer ist allerdings optimistisch. Zwar kippte in den 1990er Jahren schon einmal ein Gericht eine Verpackungssteuer in Kassel. Aber seitdem haben sich die Gesetze geändert, sagt Palmer. Berücksichtigen müsse das Verwaltungsgericht in Mannheim auch das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Dieses besagt, dass Deutschland mehr für den Klimaschutz tun müsse. Palmer ist sicher, dass bald viele Städte nachziehen. Denn schon jetzt habe eine größere zweistellige Anzahl an Städten angerufen, um zu hören, wie es in Tübingen läuft.