München: Kohleausstieg erst 2021 - Geteilte Meinungen zu Kraftwerk-Alternativen

München - Wie sollen die Stadtwerke mit der drohenden Abschaltung des Kohlekraftwerks im Münchner Norden umgehen? Diese Frage beschäftigte am Dienstag den Wirtschaftsausschuss – und schnell wurde deutlich: Eine Patentlösung scheint derzeit niemand zu haben. Der Diskussion zugrunde lag eine neue Untersuchung der Stadtwerke (SWM), in der sie verschiedene Alternativen und ihre Kosten analysieren. Zwischen 217 und – im schlimmsten Fall – 358 Millionen könnten der Ausstieg zum Jahr 2022 die SWM demnach kosten. Neben dem Geld geht es um die Versorgung der Münchner, und wie die garantiert werden kann. Darüber herrscht Uneinigkeit.
Tobias Ruff von der ÖDP monierte, dass ohne eine genaue Bedarfsanalyse überhaupt nicht erkennbar sei, ob Engpässe drohten. "Wir wissen nicht, ob und wo es nach der Abschaltung zwickt", sagte er. Die ÖDP favorisiert einen Ausbau der Geothermie. Die Partei ist sich recht sicher: Engpässe sollte es so nach Abschaltung des HKW Nord nicht geben. "Es ist auf Kante genäht, aber es funktioniert", so Ruff.
Geteilte Meinungen über die Alternativen zum Heizkraftwerk
Diese Prognose fand bei den anderen Parteien allerdings nur wenig Zustimmung. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) meinte: "Auf Kante nähen funktioniert nicht bei der Wärmeversorgung." Zustimmung fand lediglich Ruffs Vorschlag, sich von den Stadtwerken eine genauere Analyse des Wärmebedarfs präsentieren zu lassen.
Doch auch zu den Alternativen der Stadtwerke gab es geteilte Meinungen. Ein Szenario sieht mehrere Erdgas-Heizwerke in den Stadtvierteln vor. Derzeit werden die Pläne in den betroffenen Bezirksausschüssen präsentiert. Dass die Stadtteilgremien davon bisher wenig begeistert waren, ist im Rathaus angekommen. "Wir müssen feststellen: Niemand will ein Kraftwerk in seiner Nachbarschaft", so SPD-Fraktionsvorsitzender Alexander Reissl.
Die Grünen favorisieren unterdessen eine Gas- und Dampfturbinen-Anlage in Unterföhring. Der Bürgermeister des Ortes stehe dem Vorhaben zwar positiv gegenüber, aber auch hier wäre eine Bürgerbeteiligung nötig "und wie sich die öffentliche Meinung entwickelt, ist schwer vorhersehbar", so ein Vertreter der SWM. Dabei ist die Zeit schon jetzt knapp für Planung und Bau von Alternativen. Denn gelingt die Fertigstellung bis 2022 nicht, riskiert die SWM nicht nur Engpässe bei der Versorgung, sondern den Verlust von Fördergeldern in Millionenhöhe.
Ist München bald überversorgt?
Dazu kommt ein weiteres Problem: Ob die Alternativen am Ende überhaupt benötigt werden, ist noch völlig unklar. Denn das letzte Wort hat die Bundesnetzagentur, befindet sie den Meiler für systemrelevant, bleibt er am Netz. Bisher ging man davon aus, dass die dortigen Experten im kommenden Jahr eine Einschätzung abgeben. Doch die SWM erläuterte dem Ausschuss, dass dies erst 2021 – also ein Jahr vor einer möglichen Abschaltung – möglich sei.
Wenn es blöd läuft, könnte die Stadt also überversorgt sein – weil sie neu gebaut hat, aber das alte HKW Nord ersteinmal nicht vom Netz nehmen darf.
Die Stadt unterstützt deshalb die weitere Suche der SWM nach Alternativen: "Wir werden hier kein Risiko zulasten der Münchner Bevölkerung eingehen", so Reiter.