München: Kleines Bier für 4,40, Spritz für zwölf Euro – Ärger über saftige Preise in der Kultur-Gastro

Isarphilharmonie und Volkstheater bekommen Subventionen von der Stadt München. Warum sind dann die Preise fürs Essen und Getränke so saftig? Ein Publikumsverein kritisiert das scharf.
von  Christina Hertel
Das Volkstheater hat die Stadt errichtet. Auch ein nobles israelisches Restaurant ist eingezogen. Das günstigste Hauptgericht kostet 18,80 Euro.
Das Volkstheater hat die Stadt errichtet. Auch ein nobles israelisches Restaurant ist eingezogen. Das günstigste Hauptgericht kostet 18,80 Euro. © Florian Holzherr

München - Es ist Samstagabend. Ein Paar will ein Konzert der Münchner Philharmoniker besuchen, endlich einmal im neuen Saal des HP8 in Sendling sitzen. Sie sind keine reichen Leute, sie haben die günstigsten Tickets gewählt, 29 Euro kostete eins. Aber dann müssen sie noch ihre Mäntel an der Garderobe abgeben. 2,80 Euro pro Kleidungsstück. In der Pause sehen sie Menschen mit Prosecco in der Hand für 6,80 Euro das Glas – 0,1. Vielleicht doch ein Bier? Aber ein 0,33-Warsteiner-Pils für 4,40 Euro? Münchner Bier steht keines auf der Karte. Vielleicht wird sich das Paar fragen, wie es sein kann, dass ein Gastronom in einem Kulturbau, den die Stadt mit 43 Millionen Euro Steuergeld finanzierte und erst vor drei Jahren eröffnete, teurer sein darf als der Wirt ihrer Stammkneipe.

Ganz Ähnliches würde dieses Paar im städtischen Volkstheater erleben. Im Herbst 2021 hat es die Stadt eröffnet, 131 Millionen kostete der Bau aus roten Ziegeln im Schlachthofviertel. Dass die Münchner es ein Glasscherbenviertel nannten, ist schon lange her. Jetzt kann man hier Theater schauen. Und: viel Geld fürs Essen ausgeben. Auch das Schmock, ein nobler Israeli, ist in den Theaterbau gezogen. Das einzige Hauptgericht unter 20 Euro, das sich auf der Karte finden lässt, ist ein Gemüsecurry – für 18,80 Euro.

Preise in der Kultur-Gastronomie in München: "Zum Theatererlebnis gehört mehr als die Vorstellung"

"Viele Menschen fühlen sich nicht eingeladen. Zu einem schönen Theatererlebnis gehört eben mehr als nur die Vorstellung", sagt Melanie Franz. Sie ist die stellvertretende Leiterin des "Thea Kulturklubs". Das ist ein Verein, der die Interessen des Publikums in München vertritt, mit über 20.000 Mitgliedern.

Melanie Franz vertritt mit ihrem Verein das Publikum.
Melanie Franz vertritt mit ihrem Verein das Publikum. © privat

Mit der Gastro in den Münchner Theatern sei sie "mäßig zufrieden". Es sei schwer vermittelbar, wenn das günstigste Ticket 15 Euro kostet und der Spritz in der Pause zwölf Euro. Für Franz geht es bei der Debatte auch um die Frage, wie willkommen sich Menschen in Kultureinrichtungen fühlen – wenn sie ständig irgendwo anstehen und den Geldbeutel zücken müssen. Fürs Ticket. Für die Garderobe. Fürs Programmheft. Fürs Getränk in der Pause.

Auch die Gastro im Münchner Lenbachhaus ist teuer

Muss das so sein? Als zu teuer empfindet auch SPD-Fraktionschef Christian Köning die Preise in vielen Kultureinrichtungen. Denn sie sind nicht nur im Volkstheater und in der neuen Isarphilharmonie saftig. Sondern auch im Ella – dem Restaurant im Lenbachhaus, das nach der Sanierung 2013 einzog. Fast 60 Millionen Euro gab die Stadt damals aus. Auch hier gibt es auf der Speisekarte gerade mal ein Gericht unter 20 Euro – eine Pasta Arrabiata für 19,50 Euro. Das Bier dazu kostet 5,50 Euro.

Aber mehr als einen Appell an die Gastro in den städtischen Kultureinrichtungen äußert SPD-Chef Köning nicht. Aus seiner Sicht wäre es "angemessen", wenn sie einzelne Gerichte oder nicht-alkoholische Getränke günstiger anbieten würde. Der Kultur-Experte in der Grünen-Fraktion David Süß weist außerdem darauf hin, dass die Stadt marktübliche Mieten verlange – dann sei es auch schwierig, den Gastronomen die Preise zu diktieren. "München", sagt Süß, "ist einfach eine teure Stadt."

Münchner Stadträtin Marie Burneleit bohrt genauer nach 

Aber ist das Rathaus wirklich so machtlos? "Grundsätzlich kann die Stadt schon in ihren Ausschreibungen Vorgaben machen. Und wir sollten das auch tun", sagt Stadträtin Marie Burneleit von der Satirepartei "Die Partei".

Stadträtin Marie Burneleit fordert fairere Preise.
Stadträtin Marie Burneleit fordert fairere Preise. © Sigi Müller

Um genauer zu erfahren, welche Möglichkeiten die Stadt hat, bei Verpachtung von Gastro-Flächen faire Preise für die Besucher durchzusetzen, will Burneleit nächste Woche eine Anfrage an den Oberbürgermeister stellen. Wenn die Stadt eines Tages den Gasteig saniert, will Burneleit verhindern, dass dort nach der Eröffnung bloß Menschen sitzen, die es nicht kümmert, ob der Sekt in der Pause zehn oder zwölf Euro kostet.

Wie hoch die Mieten sind, verrät die Stadt München nicht 

Dass es grundsätzlich möglich ist, dass die Stadt Regeln aufstellt und dass sie auch bei der Miethöhe Spielräume hat, zeigt eine AZ-Anfrage an das Kommunalreferat. Dieses ist für die Immobilien der Stadt zuständig. "In der Regel wird in der Ausschreibung ein Mindestgebot veröffentlicht, zusätzlich zu weiteren, nicht-monetären Voraussetzungen", heißt es von der Pressestelle. Die genaue Miethöhe ergebe sich aus der Bewerbung des Interessenten. Wie hoch die Mieten sind, verrät das Kommunalreferat nicht. Es schreibt noch: "Für Neuausschreibungen wird geprüft, ob für bestimmte Produkte ein besonders günstiger Preis vereinbart werden kann."

Für bestehende Verträge kommt das zu spät. Die AZ hat erfahren, dass es für die Gastro im neuen Volkstheater keine neue Ausschreibung gegeben hat. Das Schmock gehörte schon zum Volkstheater, als es sich noch an der Brienner Straße befand. Das Schmock zahle eine marktübliche Pacht an die Stadt und sei damit auch frei in der Gestaltung der Preise, sagt Jennifer Becker, die Sprecherin des Kulturreferats. Für die Theaterbeschäftigten gebe ein Tagesgericht für 5,50 Euro. Ein Theaterbesucher bekommt dafür in der Pause einen doppelten Espresso – und kann sogar noch 30 Cent Trinkgeld geben.

Die Kammerspiele öffnen ihre Kantine

Doch es geht auch anders. Die Kammerspiele öffnen ihre Kantine Das Blaue Haus für die Öffentlichkeit. Auf der Abendkarte findet man einige Hauptgerichte unter 15 Euro. Penne mit Hirschragout (14,50 Euro) oder gebackene Blutwurst mit Kartoffelsalat (14 Euro). Der günstigste Weißwein kostet 3,40 Euro. Der Unterschied: Das Blaue Haus, das vom inklusiven Betrieb cba geführt wird, bezahle eine Kantinenpacht an die Kammerspiele, sagt Becker. Denn ein Teil des Lokals ist für die Beschäftigten abgetrennt. Hier isst und trinkt das Theaterteam noch mal ein paar Euro günstiger. Das Volkstheater wollte keine Kantine, sagt Becker. Sie weist auch darauf hin, dass es gar nicht so einfach sei, Gastronomen für Kultureinrichtungen zu finden. Nur das kurze Stoßgeschäft mit der Pausengastro lohne sich kaum – wenn die Stücke überhaupt eine Pause haben.

Dass es schwierig gewesen sein soll, einen Gastronomen zu gewinnen, hört man auch über das HP8. Der Stadtrat war nicht damit befasst, wer einzieht, heißt es von der Gasteig-Pressestelle. In der Ausschreibung seien "marktübliche Preise" festgelegt worden und dass auch im günstigeren Preissegment Angebote gemacht werden müssten. Ein Blick auf die Speisekarte des Gaia auf dem HP8-Gelände zeigt: hat so halb geklappt. Ein Glas 0,2 Weißwein kostet 11,90 Euro – so viel wie die Salami-Pizza.

Auch in der neuen Isarphilharmonie dürften manche bei den Getränkepreisen in der Pause erschrecken.
Auch in der neuen Isarphilharmonie dürften manche bei den Getränkepreisen in der Pause erschrecken. © Gasteig/HGEsch

Melanie Franz vom Publikumsverein hofft, dass sich die Häuser selbst etwas einfallen lassen, damit sich alle dort wohlfühlen. Sie weiß, dass das Theater in Mainz vor Kurzem ein neues Konzept einführte: Im Preis sind Garderobe, Programmheft, Getränke und Snacks enthalten. Die günstigste Karte kostet 16,50 Euro. Franz hält so ein Kombiticket für eine gute Idee. Und sie hat noch andere Anregungen: Sie fände gut, wenn Theater signalisieren würden, dass es okay ist, dass man sein eigenes Getränk mitbringt, sagt Franz. "Neben dem klassischen Theaterrestaurant könnte es doch auch Foodtrucks geben." Beim Volkstheater wäre dafür sogar noch Platz.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.