Mitbegründer in Rente: Abschied vom Eine-Welt-Haus
München - Die Anfragen von politischen Gruppen, sagt Anna Mackowiak, die hätten in letzter Zeit ein wenig abgenommen. Stattdessen: mehr Yoga-Gruppen und Gesangsvereine, die im Eine-Welt-Haus (EWH) einen Raum mieten wollen. "Oft sagen wir das ab und empfehlen den Yoga-Kursen alternative Räumlichkeiten", sagt Mackowiak. "Das Eine-Welt-Haus ist ein politisches Haus."
Dutzende Organisationen im Eine-Welt-Haus
Ein politisches Haus, in dem sich antifaschistische Gruppen, Naturschutzvereine und der Deutsch-Indonesische Kulturverein auf dem Flur begegnen. Bis zu 30 politische und humanitäre Organisationen nutzen das EWH täglich, um ihre Treffen abzuhalten, Ausstellungen auszurichten und Podiumsdiskussionen zu veranstalten.
Anna Mackowiak und ihr Mann Wolfgang Weber haben das Haus mit aufgebaut. Weil sein Vorläufer, das 3.Welt-Cafe in Sendling, irgendwann zu klein geworden war für die Vielzahl an linken und internationalen Gruppen, die Räume für ihre Treffen brauchten.
2001 kam deshalb der Umzug. Seither haben Mackowiak und Weber hier mitgearbeitet, haben Konzerte organisiert und Rechtsberatungen, in Solidaritäts-Komitees mitgearbeitet und über das Programm diskutiert. Ende März gingen die beiden in Rente. Ein paar Monate werden sie noch ehrenamtlich im Vorstand des Trägervereins bleiben, bis zur Mitgliederversammlung im Oktober. Dann werden sie auch dieses Amt niederlegen.

3.Welt-Cafe: Ein klassisches linkes Zentrum
Mackowiak und Weber wurden während ihrer Studienzeit politisiert, mehr als 40 Jahre ist das her. Sie teilte ein Wohnheim mit iranischen linken Oppositionellen, die ihr von der Unterdrückung durch den Schah und ihren Idealen erzählten. Er war in der Studentenvertretung Asta und fuhr mit Freunden nach Wackersdorf und auf Demonstrationen gegen die Aufrüstung. Bald engagierten sich die beiden in Solidaritäts-Komitees, er für Kuba, sie für Nicaragua.
"Am Anfang, da haben wir uns so durchgewurstelt", sagt Mackowiak. Treffen in der evangelischen Studentengemeinde, Veranstaltungen an wechselnden Orten. "Irgendwann haben wir uns zusammengeschlossen mit verschiedenen Gruppen und entschieden, ein Haus zu suchen."
Das 3.Welt-Cafe, das im Ergebnis 1988 seine Pforten öffnete, war gewissermaßen ein klassisches linkes Zentrum. "Der Betrieb lief in Selbstverwaltung, die Gruppen haben gemeinsam gekocht, alle waren viel näher dran aneinander", sagt Weber. "Mit dem Umzug ins heutige Eine-Welt-Haus haben wir uns, nunja, professionalisiert."
Corona sorgte für Schließung des EWH
Wäre nicht Corona dazwischengekommen, so hätten sie dieses Jahr wohl die 100.000-Besucher-Grenze geknackt. Aber weil das Virus auch die Schließung des EWH erzwungen hat, wird das 2020 wohl nichts mehr werden. Aktuell sind die Gänge leer, der Spielplatz verwaist und die Wirtschaft geschlossen.
Zumindest zahlt es sich jetzt aus, dass das Haus zu großen Teilen von der Stadt finanziert wird. Anders als viele andere Veranstaltungsorte in München muss das EWH deswegen nicht akut um seine Zukunft fürchten.

Gerichtsstreit um eine Filmvorführung
In der Vergangenheit war das gelegentlich ein Problem. Immer wieder versuchte die CSU, die Förderung für das Haus zu streichen. Und immer wieder gab es politische Konflikte mit dem Stadtrat. Zuletzt 2017, in der Debatte um das Verbot von Veranstaltungen der BDS-Kampagne, die zum Boykott israelischer Waren und Dienstleistungen aufruft. Der Stadtrat hatte damals beschlossen, dass Gruppen oder Einzelpersonen, die diese Kampagne unterstützen, nicht mehr in städtisch geförderten Räumen auftreten dürfen. Die Stadt versuchte auf der Grundlage des Beschlusses, eine Filmvorführung der "Jüdisch-palästinensischen Dialoggruppe" im EWH zu verhindern.
"Wir haben uns den Film angeschaut, er war absolut sachlich", sagt Mackowiak. "Da haben wir gesagt, dann zeigen wir den auch – ich sehe keinen Grund, warum man das verbieten sollte." Am Ende zog die Dialoggruppe vor Gericht – und gewann. Die Filmvorführung durfte stattfinden.

Für die Frage, welche Organisationen einen Raum erhalten, gibt es aus Sicht der beiden Aktivisten klare Kriterien. "Rechte, antisemitische oder rassistische Veranstaltungen beherbergen wir nicht", sagt Mackowiak. Um das sicherzustellen, diskutiert der "Programmausschuss", in dem auch Mackowiak sitzt, jede einzelne Veranstaltung vor. "Wir haben ja viele internationale Gruppen hier im Haus und oft ist es gar nicht so einfach, herauszufinden, was nun deren Inhalte sind", sagt sie. Dann wird recherchiert – so lange, bis man sich sicher ist.
Und jetzt, in der Rente? "Wir wollen mal was anderes machen", sagt Weber. Die Kuba-Reise, die sie für den April geplant hatten, ist durch Corona erstmal ins Wasser gefallen. Aber: "Es gibt so viel wichtige Initiativen in München, es ist Zeit für etwas Neues." Die Rechtshilfe für Geflüchtete, die Mackowiak jeden Dienstag kostenlos im Eine-Welt-Haus gibt, wird es dafür weiter geben. Jetzt schon das 38. Jahr.
Lesen Sie auch: Erfolg in der Maxvorstadt - Das Uni-Viertel leuchtet grün
- Themen:
- CSU
- Demonstrationen
- Evangelische Kirche