Mit dem Elektroauto ins Zentrum?

München - München hat eine Menge Potenzial, findet Elisabeth Merk. Die Stadt stemmt schließlich jedes Jahr das Oktoberfest. Mit der AZ sprach die Stadtbaurätin über Autos in der Innenstadt, die Gestaltung des Kunstareals und Flächenmanagement im Stadtgebiet.
Elisabeth Merk: Die Architektin (51) aus Regensburg leitet seit 2007 das Referat für Stadtplanung und Bauordnung
AZ: Frau Merk, 1 490 681 Münchner wurden am 31. Dezember gezählt, die 1,5-Millionen-Marke dürfte also bald erreicht sein.
ELISABETH MERK: Und diese Menschen müssen irgendwo wohnen, insofern ist die Schaffung von Wohnraum unser dringlichstes Problem.
Das könnte man mit einer Nachverdichtung oder der Weiterentwicklung mit der Metropolregion München lösen. Was favorisieren Sie denn?
Beides. Wenngleich die Flächen, die in Frage kommen, naturgemäß endlich sind. Und dann wollen wir bei der Nachverdichtung ja auch die Lebensqualität erhalten. Deshalb haben wir unter anderem ein Konzept zur langfristigen Freiraumentwicklung erstellt, es sollen ja nicht Parks und grüne Korridore zugebaut werden. Ich sehe allerdings Spielraum auf Flächen, die bereits bebaut, aber nicht effizient organisiert und genutzt sind. Das betrifft auch einige unserer eigenen städtischen Flächen. Nicht umsonst wird diskutiert, wie sich zum Beispiel das Viehhof-Areal künftig entwickeln soll. BMW ist ein gutes Beispiel. Da geht es zwar nicht ums Wohnen, aber wenn ein Konzern es schafft, durch intelligente Masterplanung auf seinem Areal 20 000 zusätzliche Arbeitsplätze unterzubringen, dann muss das doch auch in anderen Bereichen möglich sein.
Und wie kann die Weiterentwicklung sinnvoll funktionieren?
Mit einzelnen Konzeptionen kommt man da nicht mehr weiter. Das muss mit den Gemeinden in der Region geplant werden, vom gemeinsamen Flächenmanagement und dem Wohnungs- und Gewerbebau bis hin zur Infrastruktur.
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Die Verkehrsanbindung ist doch der Knackpunkt. Wenn ich drei Busse brauche, um zur S-Bahn nach München zu kommen…
… macht das keinen Sinn mehr. Sicher, der Schlüssel zum Glück ist der öffentliche Nahverkehr. Und als nächstes geht es um die Bewältigung der sozialen Infrastruktur. Einige Gemeinden würden sicher gern mehr Wohnungen bauen, wenn sie die Belastungen im Sozialbereich nicht alleine schultern müssten. Immer nur auf die eigenen Kosten zu schielen, gehört zu den überholten Denkweisen. Ich sehe übrigens auch in der Zusammenarbeit von städtischen und regionalen Wohnungsbaugesellschaften eine große Chance.
Lassen Sie uns zur Innenstadt kommen. Sie hätten die Autos gerne draußen, auch die Regierung von Oberbayern verweist auf die hohe Feinstaubbelastung – aber da macht die Stadtspitze nicht mit. Wie also lösen Sie das Problem der Mobilität?
Ich werde oft zu plakativ zitiert, und dann wird nicht zwischen Innen- und Altstadt unterschieden. Ganz klar: Eine komplett autofreie Innenstadt oder Altstadt ist für mich weder erstrebenswert, noch realistisch. Aber man muss künftig besser differenzieren: Selbstverständlich sollen die Anwohner zu ihrer Wohnung fahren können und entsprechende Stellplätze erhalten. Genauso Menschen, deren Mobilität eingeschränkt ist. Ärzte müssen gut erreichbar bleiben, da gibt es sicher noch einige Beispiele. Aber damit genau das funktioniert, können wir nicht alle nach freiem Gutdünken in die Altstadt fahren.
"Die Museen arbeiten ja schon zusammen"
Wie wollen Sie das dann regeln?
Wir müssen über neue Formen der Verkehrsberuhigung und die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel nachdenken. Noch in den 70ern war der Autoverkehr über den Marienplatz normal, das würde heute niemand mehr wollen. Und ich habe noch eine andere Hoffnung: Wir haben es zum ersten Mal mit einer jungen Generation zu tun, die nicht sofort mit 18 ein Auto will. Man macht Car-Sharing, lässt sich auf Verkehrssplitting ein, wechselt also zwischen U-Bahn, Rad, Tram… Darin sehe ich eine Riesenchance. Und wir haben zum ersten Mal Elektromobilität in einem nennenswerten Umfang. Das Elektroauto wird sicher nicht alle unsere Probleme lösen – mit dem steckt man genauso im Stau. Aber innerhalb des Mittleren Rings verstärkt darauf zu setzen, würde uns extrem entlasten. Ich setze auf die Kombination verschiedener Möglichkeiten.
Dass im Kunstareal nichts vorwärts geht – diesen Vorwurf müssen sich Stadt und Freistaat gerade ständig anhören.
Der Stadtrat hat eben erst eine Stelle zur Koordinierung der Projektarbeit im Kunstareal bewilligt. Da wird sich jetzt einiges tun, die Museen arbeiten ja schon untereinander zusammen.
Und der Verkehr?
Mit einer neuen Verkehrsregelung wollen wir eine andere Durchlässigkeit schaffen. Dazu soll etwa die Einbahnstraßenregelung aufgehoben werden. Und dann geht es uns um die Orientierung im Kunstareal und eine Verknüpfung zum Hauptbahnhof.
Herausforderungen Mobilität und Regionalentwicklung
Dafür gibt es ja dann die U 9. Damit ist das Kunstareal aber noch nicht sinnvoll an die Altstadt angebunden. Das Siemensareal, das dazwischen liegt, wird gerade neu gestaltet. Der Altstadttunnel soll saniert werden. Das eröffnet doch neue Möglichkeiten.
Mit der Sanierung des Tunnels am Oskar-von-Miller-Ring kann man sicher nicht die komplette Situation verändern, aber die Übergangsbereiche eindeutig verbessern. Die Markuskirche oder das Palais Dürckheim erhalten so auch ein anderes Vorfeld. Mit einer aufgelassenen Unterführung und anständigen Fußgängerüberwegen wird dieser Übergang wirklich entzerrt. Und im Vorfeld des Siemensneubaus entsteht ein hochwertiger Platz mit Aufenthaltsqualität, der die Wahrnehmung dieses Stadtraumes verändern wird.
Wie viel Utopie ist in München möglich?
Das ist nach oben offen! Eine Stadt, die es schafft, einmal im Jahr zwei Wochen lang das Oktoberfest zu stemmen, kann sich alles vornehmen. Unsere großen Herausforderungen sind die Mobilität und die Regionalentwicklung, das kann man nur gemeinsam leisten. Insofern ist meine größte Utopie, dass wir in der Lange sein werden, die Kooperation mit allen Akteuren in der Stadt und in der Region zu verstärken. An die Realisierung dieser Utopie glaube ich!