Migrationsbeirat ist "entsetzt" über Reformpläne von CSU und Grünen

Grüne und CSU wollen den Münchner Migrationsbeirat reformieren. Der hält den Vorschlag jedoch für einen "fatalen Fehler".
von  Jan Krattiger
Der Migrationsbeirat der Stadt München ist "entsetzt" über die Reformvorschläge von Grün-Schwarz. (Archivbild)
Der Migrationsbeirat der Stadt München ist "entsetzt" über die Reformvorschläge von Grün-Schwarz. (Archivbild) © Matthias Balk/dpa

München - Der Münchner Migrationsbeirat fristete in den vergangenen Jahren meist ein Dasein am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit – wenn überhaupt. Kaum einer weiß, dass das Gremium eigentlich die Interessen ziemlich vieler Münchner vertritt, nämlich all jener ohne deutschen Pass. Das ist aktuell etwa ein Drittel der Bevölkerung. Der Rat hat ein eigenes Budget, über das er verfügen kann, zudem kann er Anträge an den Stadtrat stellen.

Grüne und CSU wollen Migrationsbeirat reformieren

Aktuell ist er jedoch in den Schlagzeilen, weil die Grünen gemeinsam mit der CSU und den Freien Wählern das ehrenamtliche Gremium reformieren wollen: Von 40 Mitgliedern sollen künftig nur noch 30 direkt gewählt werden, zehn soll der Stadtrat nach Fraktionsstärke selbst bestimmen. Außerdem soll die nächste Wahl zusammen mit der Wahl des Europarats 2024 und so alle fünf statt alle sechs Jahre stattfinden.

Migrationsbeirat "entsetzt" über Reformpläne

Die Rathaus-SPD hat sich schon kritisch zu den Vorschlägen geäußert. Was aber sagen die, über die hier so eifrig diskutiert wird? Theodora Sismani, stellvertretende Vorsitzende des Migrationsbeirats, findet deutliche Worte: "Der Migrationsbeirat ist entsetzt über den Antrag", sagt sie auf Anfrage der AZ. Eine solche Reform halte sie "für einen fatalen Fehler gegenüber der migrantischen Bevölkerung und der Demokratie". Es sei eine inakzeptable Bevormundung und ein "völlig undemokratischer Rückschritt", Mitglieder durch den Stadtrat zu ernennen, ganz gleich wie viele. 

Sismani: Grüne/CSU haben Vorschläge des Rats ignoriert

Sie erkenne zwar an, dass das Gremium nicht frei von Problemen sei (bei der letzten Wahl betrug die Stimmbeteiligung lediglich 3,62 Prozent), sieht in den grün-schwarzen Vorschlägen aber nicht die richtigen Schritte dazu. Der Migrationsbeirat selber hat ein Positionspapier mit Vorschlägen erarbeitet, um die Arbeit des Rats zu stärken. "Der jetzige Antrag der Grünen und der CSU geht in keinster Weise auf die Vorschläge des Migrationsbeirats ein", sagt Sismani. "Im Gegenteil: es wird bewusst in die demokratischen Rechte der Migranten eingegriffen, in dem diese bei der Bestimmung ihrer Vertreter eingeschränkt werden sollen."

Auch aus der linken Stadtratsfraktion kommt Kritik: "übergriffig und paternalistisch" nennt Thomas Lechner, der migrationspolitische Sprecher der Fraktion, den Vorstoß von Grün-Schwarz. Einen "Skandal" sieht Lechner darin, dass die Grünen dafür sogar aus den Koalitionsvereinbarungen aussteigen und sich mit der CSU verbünden. Denn so würde die Beteiligung nichtdeutscher Münchner "schrittweise verhindert" anstatt sie zu stärken.

Positionspapier von 2021 mit vielen Vorschlägen

In seinem Positionspapier schlägt der Migrationsbeirat zum Beispiel vor, die Wahl gleichzeitig mit den Kommunalwahlen stattfinden zu lassen. In Hessen habe dies zu einer steigenden Beteiligung beigetragen. Statt zehn vom Stadtrat ernannter Mitglieder schlägt der Rat vor, dass 11 beratende Mitglieder mit Rederecht (aber nicht stimmberechtigt) aus Politik, Verwaltung, Gewerkschaften etc. einberufen werden.

Neben der geringen Wahlbeteiligung hat der Migrationsbeirat vor allem Schlagzeilen gemacht, weil sich 2017 viele Kandidaten aus dem türkisch-nationalistischen Spektrum zur Wahl stellten und der Verdacht auf Wahlmanipulation im Raum stand.

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