Mietpreisbremse in München: Beatrix Zurek im Interview mit der AZ

München - Beatrix Zurek im AZ-Interview. Die SPD-Politikerin ist Referentin für Bildung und Sport in München und Vorsitzende des Münchner Mietervereins.
AZ: Frau Zurek, bisher hat die Mietpreisbremse in München nicht wirklich funktioniert. Woran haperte es?
BEATRIX ZUREK: Das Gesetz gilt zum Beispiel nicht bei Neubau, es gilt nicht nach einer umfassenden Modernisierung. Und es gibt keine Sanktionen, wenn jemandem nachgewiesen wird, dass er dagegen verstoßen hat. Das ist so, als würde ich ein Tempolimit einführen und dem Raser dann sagen: "Fahr künftig langsamer" – aber kein Bußgeld verlangen.
Sind Sie von den Plänen Ihrer Parteikollegin Katarina Barley enttäuscht?
Wir hätten uns schon mehr gewünscht. Aber man kann Katarina Barley keine Vorwürfe machen. Das Problem ist, dass die CDU/CSU die Verbesserungen blockiert.
Mit dem neuen Mieterschutzgesetz sollen Vermieter eine Auskunftspflicht über die Vormiete haben. Wie läuft das konkret ab – etwa bei einem Sammeltermin in München mit Hunderten Bewerbern?
Bei dem angespannten Wohnungsmarkt kann sich das wohl kein Bewerber erlauben. Man kann die Mietpreisbremse auch erst treten, wenn man den Mietvertrag schon unterschrieben hat. Aber auch da ist das Problem: Der Mieter selbst muss die zu hohe Miete rügen. Und viele trauen sich das nicht, weil sie schlicht froh sind, eine Wohnung zu haben.
Welche Schlupflöcher haben Vermieter auch mit dem neuen Gesetz, um die Mietpreisbremse zu umgehen?
Wenn die Vormiete schon vor Einführung der Mietpreisbremse hoch war, darf sie es auch weiterhin bleiben. Und letztlich greift die Bremse auch nicht bei Mieterhöhungen durch Modernisierungen.
Künftig sollen Vermieter nur noch acht statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf Mieter umlegen können.
Die Senkung bringt nicht allzu viel. Allerdings wurde auch eine Deckelung beschlossen. Nur noch drei Euro pro Quadratmeter in sechs Jahren dürfen umgelegt werden. Das bringt schon einiges.
Hoch oben: Mit dem Heißluftballon über München
Warum schafft man diese sogenannte Modernisierungsumlage nicht komplett ab?
Wir sind auch für die Abschaffung. Das Gesetz ist völlig antiquiert und ungerecht. Und es ist ein Instrument, Mieter loszuwerden und die Wohnungen dann teuer weiterzuverkaufen.
Wie hart trifft es Vermieter, wenn Mieter mit Modernisierungen "loszuwerden" eine Ordnungswidrigkeit wird?
Es wird sicher ein großes Problem sein, das nachzuweisen. Da läuft vieles über rechtliche Grauzonen ab. Auch besteht die Gefahr, dass Investoren solche Kosten einfach einpreisen. Aber ich sehe das trotzdem als einen Fingerzeig in Richtung Spekulanten, ein Signal.
Welche zusätzlichen Maßnahmen braucht es, um Mieter zu schützen?
Die Liste ist lang. Besonders wichtig ist mir ein neues Bodenrecht. Die zügellose Spekulation mit Grund und Boden treibt die Preise in München ins Absurde, die Gewinne werden abgeschöpft, ohne dass die Allgemeinheit einen Anteil hat.
Könnte auch der Freistaat mehr für die Mieter tun?
Wenn ich zurzeit Söders große Töne höre, kann ich nur sagen: Der Freistaat hat Mieterschutz Jahrzehnte verhindert. Der Freistaat hat 30.000 GBW-Wohnungen verkauft – die 2.000 Wohnungen, die man nun mit der neuen BayernHeim bauen will, sind dagegen ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Freistaat müsste viel mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren, er müsste Werkswohnungen bauen für Staatsbedienstete. Es gäbe viel zu tun.
"Ausspekuliert" rechnet mit 10.000 Teilnehmern
Für die große Ausspekuliert-Demo am 15. September steht nun die Route fest: Um 14 Uhr soll es vom Mariahilfplatz aus über den Gärtnerplatz in Richtung Siegestor gehen. Stationen sind überall dort geplant, wo in den vergangenen Jahren Mieter aus ihren Häusern gemobbt worden sind.
Die Veranstalter rechnen inzwischen mit bis zu 10,000 Teilnehmern. Der Zuspruch sei so groß, dass man die Zahl nun deutlich nach oben korrigiert habe.
Die Demo richtet sich gegen die schier endlose Mietpreisspirale, die immer mehr Gruppen aus der Stadt verdrängt.
Florian Zick
AZ-Kommentar zum Thema: Neue Mietpreisbremse - Einen Ruck geben