"Menschliche Tragödie": Münchenstift-Azubi aus dem Kongo landet plötzlich in Abschiebe-Haft
München - Um zwei Uhr in der Früh am Dienstag startet ein Abschiebeflug von Leipzig aus in den Kongo. Auch Daniel M. (26) soll dann mit an Bord gewesen sein, zumindest wenn es nach dem Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen geht. Obwohl er seit Herbst 2023 bei der Münchenstift eine Ausbildung zum Pflegefachhelfer macht. Obwohl sein Arbeitgeber seine Arbeit sehr schätzt. Obwohl er weiter ausgebildet werden soll zur Pflegefachkraft.
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist diese Entscheidung "über diese menschliche Tragödie hinaus", für Renate Binder, Geschäftsführerin der Münchenstift, nicht nachvollziehbar. "Wir können es uns nicht leisten, motivierte Menschen gegen ihren Willen in ihre Heimatländer zurückzuschicken", schreibt sie in einer Mitteilung.
"Völlig überraschend" festgenommen: Azubi der Münchenstift sollte abgeschoben werden
M. wurde nach Angaben seines Anwalts am Freitag Mittag "völlig überraschend" von der Polizei in Handschellen abgeführt und in Gewahrsam genommen. Da hatte er, wie er dachte, eigentlich einen Termin beim Landratsamt, um seine Duldung zu verlängern, die laut Münchenstift tags zuvor abgelaufen sei.
Das Landratsamt hat nach Angaben von M.'s Anwalt aber schon vorher die Abschiebung beantragt. Obwohl es von seiner Ausbildung bei der Münchenstift wusste. Und auch wusste, dass er seiner Tätigkeit "ordnungsgemäß nachkommt und gelobt wird", so sein Anwalt.
Wenn Geflüchtete in Deutschland eine Ausbildung machen, dürfen sie trotz abgelehntem Asylantrag während der Dauer der Ausbildung nicht abgeschoben werden. Diese sogenannte "Ausbildungsduldung" ist in Paragraph 60c des Aufenthaltsgesetzes festgelegt – und gilt für M., wenn es nach seinem Anwalt geht. Darauf sei aber beim Amtsgericht nicht eingegangen worden. Sein Asylantrag sei im Sommer abgelehnt worden, gleichzeitig habe er aber die Ausbildung begonnen, was vom Landratsamt gutgeheißen wurde.
Eilantrag und Petition eingereicht: Wird Azubi Daniel M. doch nicht abgeschoben?
Vor dem Amtsgericht habe das Landratsamt außerdem angegeben, dass M.'s Identität nicht geklärt worden sei. "Stimmt nicht", sagt sein Anwalt. Seine Identität als kongolesischer Staatsbürger sei mindestens seit letztem Jahr bekannt, bei einer Anhörung im November 2023 im kongolesischen Konsulat in München sei "ganz klar seine Identität festgestellt worden". Außerdem habe M. im April einen Termin in der Botschaft in Berlin, um seinen Pass zu verlängern.
Sein Anwalt hat am Montag einen Eilantrag eingereicht, und beim Bayerischen Landtag wurde eine Petition eingereicht, um die drohende Abschiebung von M. noch zu verhindern.
Die Zeit wurde also knapp, um die Abschiebung von M. in der Nacht auf Dienstag noch zu verhindern – oder zumindest aufzuschieben. Eine Abschiebung, die den Betroffenen völlig überrumpelt hat, "überfallmäßig" ist das Wort, das sein Anwalt verwendet. Es sei vorgehalten worden, dass M. untergetaucht wäre, wenn er rechtzeitig informiert worden wäre. "Eine reine erfundene Geschichte", sagt sein Anwalt dazu. Vielmehr hätte man dann Zeit gehabt, die Rechtslage zu klären. Dass M. wegen seiner Ausbildung im Pflegebereich nicht abgeschoben werden darf, habe der Gesetzgeber auch bei abgelehntem Asylantrag festgelegt.
Das sieht am Montagabend offenbar auch der Freistaat so, und teilt mit, der Innenminister habe entschieden, dass M. "noch eine Chance bekommt und aktuell nicht abgeschoben wird". Dies nach Bitten von Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) und des Integrationsbeauftragten des Freistaats.
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