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Mega-Konzerte auf der Messe in München: Scharfe Kritik von Polizei und Behörden

Trotz deutlicher Worte der Polizei und aus der Politik sollen wieder bis zu zehn Mega-Shows auf dem Messegelände stattfinden. Unter anderem soll der britische Megastar Adele auftreten.
Jan Krattiger
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Begeisterte Fans jubeln Robbie Williams auf dem Messegelände Riem zu. Und Williams nutzt die Bühne bis zum letzten Zentimeter aus – im Gegensatz zu Helene Fischer, wie so mancher sagt.
Begeisterte Fans jubeln Robbie Williams auf dem Messegelände Riem zu. Und Williams nutzt die Bühne bis zum letzten Zentimeter aus – im Gegensatz zu Helene Fischer, wie so mancher sagt. © Daniel Loeper

München - Die Alarmglocken im Kreisverwaltungsreferat (KVR) sollten mittlerweile ziemlich laut zu hören sein. Das KVR ist die Behörde, die den Daumen hebt oder senkt für Veranstaltungen in München, wie zum Beispiel die bis zu zehn geplanten Großkonzerte des britischen Superstars Adele, die nächsten Sommer auf dem Messegelände stattfinden sollen.

Mega-Konzerte auf der Messe in München: Lange Mängelliste von Polizei und Behörden

2022 und 2023 gab das KVR die Erlaubnis für drei Großkonzerte und ein Hiphop-Festival, allesamt verantwortet von der Leutgeb Entertainment Group, die exklusiv die Rechte für solche Veranstaltungen zugesprochen bekommen hat – noch bis inklusive 2025.

Veranstalter Klaus Leutgeb.
Veranstalter Klaus Leutgeb. © Daniel von Loeper

Nun wird immer deutlicher, wie groß die Probleme mit diesen Veranstaltungen waren, abseits von dem Gezänke um Tickets und Erstattungen, das Konzertbesucher teilweise heute noch beschäftigt: Eine Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Landtagsabgeordneten Sanne Kurz (Grüne) zeigt, was aus Sicht der Behörden und der Polizei alles schief lief in den vergangenen zwei Jahren. Sie liegt der AZ exklusiv vor.

Konzerte in München: Sicherheitskonzept zu spät, zu wenig Ordner, zu wenig ÖPNV

Für die Konzerte von Helene Fischer, Robbie Williams und Andreas Gabalier 2022 (mit je bis zu 130.000 Zuschauern) hat der Veranstalter Live Nation das Sicherheitskonzept zu spät eingereicht. Und wie aus der Antwort des Staatsministeriums hervorgeht, hat die Stadt aufgrund von Erfahrungsberichten der Münchner Polizei mehr und eine größere Reserve an Ordnern und auch besser ausgebildete Ordner vorgeschlagen.

Obendrauf hat die Polizei einen höherer ÖPNV-Takt, einen besser organisierten Weg vom Festival zu den Verkehrsmitteln und allgemein weniger Besucher vorgeschlagen.

Sanne Kurz (Grüne): "Hätte man die Leute vor Ort gefragt"

Alles Dinge, die man vorher hätte wissen können, findet Kurz. Hätte man nur die Leute vor Ort gefragt: "Es ist zu recht gute Tradition von politischem Handeln, über die gewählten Vertreter vor Ort eine Expertise einzuholen, damit man es für die Menschen gut gestalten kann." Das sei "schwierig", wenn man dann nur mit "global agierenden Unternehmen" plane.

Susanne Kurz ist seit einer Legislaturperiode im Bayerischen Landtag.
Susanne Kurz ist seit einer Legislaturperiode im Bayerischen Landtag. © picture alliance/dpa

Für das riesige Areal der Messe München gilt außerdem seit 2022: Für globale Superstars wird der Platz freigeräumt, für die lokale Kulturszene, die händeringend nach Orten sucht, bleibt nichts übrig.

Dabei ginge ja auch beides: "Es spräche nichts dagegen, dass zum Beispiel bei Helene Fischer vorher drei Münchner Newcomerbands spielen", schlägt Kurz vor.

Wie ihr Vorbild Pink: Helene Fischer schwebt über Riem.
Wie ihr Vorbild Pink: Helene Fischer schwebt über Riem. © Jens Niering

Neues Sicherheitskonzept für "Rolling Loud"-Festival

Die Verbesserungsvorschläge der Sicherheitsbehörden im Nachgang der drei Großkonzerte 2022 hat der Veranstalter für das deutlich kleinere (täglich bis zu 50.000 Zuschauer), aber mehrtägige "Rolling Loud"-Festival 2023 übernommen und umgesetzt. Das Sicherheitskonzept wurde rechtzeitig eingereicht.

Dass dann "teilweise aggressive und dynamische" Festivalbesucher auftauchen und nicht "grundsätzlich friedliche", wie es in Beamtendeutsch heißt, hat die Veranstalter überrascht. Am Samstag und Sonntag des dreitägigen Festivals mussten sie darum stark nachbessern.

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Bilanz: Konzept "nicht ausreichend"

Rückblickend sei das ursprüngliche Ordnungsdienstkonzept "nicht ausreichend" gewesen. Die Veranstalter mussten auf Anweisung der Behörden mehrfach die Konzerte unterbrechen, mehr Ordner einsetzen, die Einlasskontrollen "intensivieren" und "bauliche Maßnahmen zur Besucherlenkung" umsetzen.

Das deutliche Fazit: Es kam an allen drei Tagen zu "zahlreichen erheblichen Sicherheitsstörungen mit entsprechenden Gefahrensituationen für Leib und Leben". Die teilweise aggressiven Festivalbesucher trafen dabei auf unvorbereitete und vor allem: viel zu wenige Ordner.

Trotz bestehender Infrastruktur Diesel-Generatoren im Einsatz

Ein weiterer Punkt, der vor allem beim "Rolling Loud" Festival für Empörung sorgte: Offenbar wurden bei all den Veranstaltungen Diesel-Generatoren eingesetzt, obwohl die Messe München vor Ort eine bestehende Infrastruktur hat. Und obwohl die hauseigene Nachhaltigkeitsstrategie das verbietet – allerdings nur für eigene, nicht aber für Fremdveranstaltungen.

Bei den drei Großkonzerten 2022 wurde "der überwiegende Strom" von der Messe München bezogen, es waren aber wie auch beim "Rolling Loud" Dieselgeneratoren im Einsatz. Eine "absolute Ausnahme", wie die Messe München beteuert.

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Das wird wohl das letzte Mal gewesen sein: "Aufgrund der aktuellen Erfahrungen" will die Messe München "darauf hinwirken", dass entweder Strom von der Messe München oder regenerativer Strom "bezogen werden muss".

Weitere Konzerte auf dem Messegelände in München: Staatsregierung zurückhaltend

Ganz unabhängig vom Strom gibt sich die Staatsregierung mit Bezug auf die Messe-Konzerte für die Zukunft zurückhaltend. Solche könnten zwar für die Zukunft "nicht ausgeschlossen werden". Die "absolute Priorität" liege aber auf dem Kerngeschäft, also den Messen.

Kritische Fragen der grün-roten Koalition im Stadtrat zu den Konzerten blieben bisher vom zuständigen Wirtschaftsreferat unbeantwortet. Die bereits verlängerte Frist läuft am 31. Dezember aus.

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10 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 19.12.2023 15:25 Uhr / Bewertung:

    Ich denke schon, dass man davon reden kann, dass diese Mega-Konzerte eine "Gelddruckmaschine" für den Veranstalter sind.
    Bronze-,Silber-,Gold,-Platintickets zu horrenden Preisen. Und jeder in seinem abgesperrten Bereich. Wie auf einer Weide. Und wer nicht hingehen kann, aus welchen Gründen auch immer, und das Ticket verkaufen will, zahlt nochmal. Der "eventim" spielt da doch auch mit.

    Und übernimmt die Gastro wieder Tobias Fendt, der im selben CSU-Kreisverband sitzt wie Baumgärtner? Siehe AZ-Artikel:
    https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/mega-konzerte-zoff-um-leutgeb-und-csu-stadtraete-fordern-klarheit-art-840479

    Ich war in meinem Leben auf vielen Konzerten, aber alleine dieses Ticket-System würde ich never mitmachen.

  • kartoffelsalat am 18.12.2023 22:16 Uhr / Bewertung:

    Der CSU-Wirtschaftsreferent treibt diesen Irrsinn mit seinen Spezln weiter voran und versucht Transparenz weitgehend zu vermeiden.

  • Geradeaus-Denker am 18.12.2023 23:29 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von kartoffelsalat

    Das ist eben die Kernkompetenz des Spass-Und Party-Minister unserer Stadt. Mit seinem Kumpanen Leuthgeb alle kirre machen. Rammstein im Winter auf der Theresienwiese neben Tollwood. Das ging nur mit einer Dringlichkeitssitzung des Stadtrats.
    Dafür gibt's dann schöne Fotos von ihm mit Helene Fischer, Kathy Himmels und anderen Stars oder Sternchen. Da ist er nicht wählerisch.

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