Marx verspricht Platz in Klöstern für Ukraine-Flüchtlinge
München - Er trifft Menschen, deren Lebensplan gerade zusammengebrochen ist. Er sieht in kreidebleiche Gesichter: Kardinal Reinhard Marx. Gestern besuchte der Erzbischof von München und Freising den Caritas-Infopoint am Hauptbahnhof - die erste Anlaufstelle für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Vor allem Frauen mit kleinen Kindern, Mädchen und Senioren holen sich hier eine warme Linsensuppe im Becher. Sie füttern Babys mit Karottenbrei - und warten auf ein Zugticket oder eine Unterkunft in München.
Bundespolizist Michael Panitz (42) spricht Russisch - und hilft als ehrenamtlicher Übersetzer. Der Kardinal klopft dem Mann auf die Schulter: "Er macht das ohne Geld. Es ist eine wichtige Erfahrung, dass die Ankommenden in freundliche Gesichter schauen. Sie sehen: Nun sind sie in Sicherheit."
Ruhige Gespräche am Biergartentisch
Die Ukrainerin Anna (37) trägt Lederjacke und ein Käppi mit Sonnenbrille. An ihrem Hals hängt ein Kreuz. Die Frau ist russisch-orthodox. Mit ihrem behinderten Sohn ist sie in München eingetroffen. Reinhard Marx redet ganz in Ruhe mit ihr an einem Biergartentisch. Er fragt sie nett und persönlich nach ihrer Geschichte. "Alles Gute!", wünscht er zum Abschied.
Die Erzdiözese München und Freising hat für 2022 einen Etat von fünf Millionen Euro für Migrationsberatung und Flüchtlingshilfe. Eine halbe Million stellt sie für die akute Krise zur Verfügung. Etliche kirchliche Stellen haben übrigens Räume frei. Kardinal Marx sagt: "Ich weiß auf Anhieb zwei Klöster, die nach etwas Renovierung Geflüchtete aufnehmen könnten."
Rainer Boeck, Diözesanbeauftragter für Flucht, ergänzt: "Pfarreien, Studentenwohnheime und Schloss Fürstenried sind Teil meiner langen Liste von möglichen Unterkünften." Die katholische Pfarrei in Lochhausen und die spanische Gemeinde im Westend beherbergen bereits Menschen aus der Ukraine.

Zu den Zahlen: Am Montag waren in Bayern rund 700 ukrainische Kriegsflüchtlinge angekommen. "Es werden weniger. Doch der Krieg ist am 28. Februar, am Rosenmontag, hier vor der Tür gestanden", sagt Bettina Spahn von der katholischen und evangelischen Bahnhofsmission am Bahnhof. "Es ist wichtig, dass wir die anderen Geflüchteten nicht vergessen."
Kardinal Marx setzt Zeichen gegen Zwei-Klassen-Flüchtlings-Situation
Denn: Bewerber um Asyl, die teilweise seit Jahren in großen Unterkünften, auf ihre Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, warten, wundern sich. Gegen die Zwei-Klassen-Flüchtlings-Situation möchte Kardinal Reinhard Marx ein Zeichen setzen. Nächste Woche besucht er das Protestcamp der Männer aus Sierra Leone.
Marx: "Als katholische Kirche stehen wir auf der Seite der Geflüchteten." Rainer Boeck ergänzt: "Dass es zwei Klassen von Menschen gibt, damit können wir uns als Kirche nicht abfinden."
Zur Abwechslung gibt es gestern Lob für die Deutsche Bahn: "Die lange Zusammenarbeit und die gegenseitige Wertschätzung macht sich bemerkbar. Die DB hat uns über alle Maßen unterstützt, um die Situation in den Griff zu bekommen", erklärt Barbara Igl, von In Via, dem katholischen Verband für Frauensozialarbeit.
Dennoch: Am Hauptbahnhof geht die laute Großbaustelle weiter. Das leere Lokal neben der Schalterhalle, in dem Geflüchtete nachts Zuflucht fanden, steht nicht mehr zur Verfügung, weil Bauarbeiten anstehen. Eine Baustellen-Pause gibt es nicht.