Machtloses KVR: Was tun gegen die Spielhallen-Flut in München?

Ludwigsvorstadt - Nein, einladend sehen sie wirklich nicht aus: verspiegelte oder mit undurchschaubaren Folien beklebte Schaufenster, Neonlichter außen, schummriges Licht innen – großflächige Mega-Spielhallen sind kein Ort, um zu verweilen. Sie sind für Menschen gedacht, die dort hängenbleiben.
Auch sie haben natürlich eine Existenzberechtigung. 227 Spielhallen gibt es in München laut Kreisverwaltungsreferat (KVR) an 133 Standorten – vor allem im Bahnhofsviertel schossen die Glücksspielläden zeitweise wie Fliegenpilze aus dem Boden.
Seit Juli gilt nun die verschärfte Fassung des Glücksspiel-Staatsvertrags – nach einer fünfjährigen Übergangszeit ist sie in Kraft getreten. Und die besagt unter anderem, dass zwischen zwei Spielhallen ein bestimmter räumlicher Mindestabstand eingehalten werden muss, nämlich 250 Meter Luftlinie, außerdem gilt ein Verbot von mehreren Spielhallen im selben baulichen Verbund. Was sinnvoll klingt, um eine Einarmige-Banditen-Zusammenrottung in einem Viertel zu verhindern, ist nicht ganz so einfach umzusetzen: Beispielsweise in der Goethe- oder Schillerstraße existieren solche Etablissements ja schon lange dicht an dicht. Wer muss schließen, wer darf bleiben? Wer entscheidet das – nach welchen Kriterien?
Von den 227 Hallen erfüllen 213 die neuen Vorgaben nicht
Momentan stellen sich diese Fragen allerdings noch nicht mit Nachdruck. Denn es passiert: erst einmal nichts. 213 der 227 Spielhallen erfüllen die gesetzlichen Vorgaben zum Mindestabstand nicht – eine "Auswahlentscheidung bezüglich der Schließung einzelner Spielhallen" werde allerdings derzeit nicht getroffen, heißt es vom KVR, "da nach jetzigem Stand nahezu alle Betreiber die erforderliche unbillige Härte im Sinne der ministeriellen Vollzugshinweise zum Weiterbetrieb nachweisen können".
Im Klartext heißt das: Auf irgendeine Weise haben sie bewiesen, dass sie in jüngster Vergangenheit so viel Geld in ihren Laden gesteckt haben, dass er als Härtefall gilt. "Man will den Leuten nicht die Investition zunichte machen, indem man die Läden sofort schließt", erklärt ein KVR-Sprecher. "Wir gehen aber davon aus, dass sich die Investitionen irgendwann amortisiert haben" – und dann könne man wieder über Schließungen sprechen. Die Betreiber müssen die Investitionen nachweisen – "das darf nicht nur ein neues Bild im Eingangsbereich sein". Letztendlich sei es aber immer eine Ermessensfrage, "sonst hätte man einen konkreten Betrag ins Gesetz geschrieben".
Schwanthalerstraße: Ein bisserl Broadway in der Stadt
Michael Mattar, Fraktionsvorsitzender von FDP/HUT, hat die Spielhallen im Rathaus immer wieder zum Thema gemacht. Er schießt allerdings nicht gegen das städtische KVR – sondern gegen den Freistaat, der für die Vorgaben verantwortlich ist, die die Stadt dann "nur" umsetzen kann.
Der Freistaat habe "bei der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages vollständig versagt": Wenn so viele Läden weiter betrieben werden könnten, "dann ist die Umsetzung durch den Freistaat ein schlechter Witz" und eine Verbesserung der Lage rund um den Hauptbahnhof nicht in Sicht. "Da gibt es für manche Betreiber Regelungen über unbillige Härten, die schwer nachvollziehbar sind", sagt Alexander Miklósy (Rosa Liste), der Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses (BA).
Von Spielhallen als Bestandteil eines Viertels ist er wenig begeistert: "Es gibt da vieles, was das Stadtbild ins Negative rückt", sagt er. "Die Schaufenster werden immer spiegel- oder dunkelverglast, das ist für das Stadtbild nicht besonders schön. Die Polizei vermutet und behauptet in der Nähe dieser Läden Anbahnungskriminalität. Eine Spielhalle, das sind zigtausend Quadratmeter, die von bestimmten Personengruppen nicht betreten werden dürfen oder wollen. Gelegenheitsspieler gibt es da kaum, das sind eher Spielsüchtige."
Auch der Verein Südliches Bahnhofsviertel hat schon unzählige Male auf die Problematik solcher Etablissement hingewiesen. "Man hat durch sie keine Aufenthaltsbereiche mehr auf der Straße, das ist im Grunde toter Straßenraum, sie bringen keine Lebensqualität", sagt der Vorsitzende Fritz Wickenhäuser. Er begrüße die 250-Meter-Regelung: "Durch den Glücksspielstaatsvertrag ist eine Neuansiedlung in unserem Bereich nicht mehr möglich – das war immer eins unserer ganz wesentlichen Ziele."
"Ich weiß kein Rezept, wie man die Läden, die da sind, ausdünnt"
Und die bestehenden Spielhallen? "Da halte ich mich raus", sagt Wickenhäuser, der auch Hotelbesitzer im Bahnhofsviertel ist. "Das sind zum Teil Spielhallen in der dritten Generation – wie wollen Sie denen sagen: ,Du musst jetzt weg und der neben dir nicht?’ Ich weiß kein Rezept, wie man die gegen den Willen der Betreiber ausdünnt, ohne dass man in Grundrechte eingreift." Und Michael Mattar, sagt er, wisse das auch.
BA-Chef Miklósy sieht ebenfalls keine Rechtssicherheit, Läden zu schließen: "Das wurde in der Goethestraße ja schon mehrmals erfolglos versucht."
OB Reiter hat im Februar dieses Jahres einen Brief ans Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr geschrieben, darin die "zu liberalen Vollzugshinweise" kritisiert und um deren Überarbeitung gebeten. "Leider können wir derzeit nur wenige Spielhallen zwingen, ihren Betrieb aufzugeben."
2021 läuft der derzeitige Glücksspielstaatsvertrag ab. Ab dann könnten andere Regeln gelten – rein theoretisch auch strengere. "Das warten wir jetzt mal ab", sagt Miklósy.
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