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Lufthansa-Streik in München: Ausnahmezustand am Flughafen

Während das Personal der Lufthansa  für mehr Gehalt protestiert, wissen viele Reisende am Mittwoch nicht, wie sie an ihr Ziel kommen sollen.
von  Leonie Fuchs
Reisende stehen mit ihrem Gepäck am Flughafen.
Reisende stehen mit ihrem Gepäck am Flughafen. © imago/aal.photo

München - Egon Bichler (47) ist gerade erst am Münchner Flughafen angekommen. Neben seinem Flug nach Sofia, der um 16.45 Uhr hätte starten sollen, steht auf der Anzeigetafel lediglich: annulliert. So wie ihm ist es am Mittwoch vielen Reisenden ergangen.

Die Gewerkschaft Verdi hat mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der Lufthansa weitgehend lahmgelegt. Während Beschäftigte für höhere Gehälter demonstrieren, bangen zahlreiche Passagiere um ihren Urlaub oder ihre Geschäftsreise.

Fast alle Lufthansa-Flüge in Frankfurt und München gestrichen

Insgesamt über 1.000 – und damit nahezu alle – Lufthansa-Flüge an den Drehkreuzen Frankfurt und München sind am Mittwoch gestrichen worden. 134.000 Passagiere mussten ihre Reisepläne ändern oder aufgeben. In München konnten 330 Flieger nicht abheben.

Vor den Service-Schaltern bildeten sich lange Schlangen meist ausländischer Passagiere. Viele von ihnen wussten nichts von dem Streik. So auch Bichler, der extra 600 Kilometer aus Italien angereist ist, um von München aus weiterzufliegen. Während Bichler sich zu den spärlich besetzten Service-Schaltern der Fluggesellschaft aufmacht, schallt es draußen vor dem Wirtshaus Airbräu durch das Megafon: "Ohne euch läuft hier nichts, ohne euch fliegt hier nichts. Das sieht man heute", so Verdi-Sprecher Dennis Dacke.

Die Geschäftsreise nach Sofia ist für Egon Bichler gestrichen.
Die Geschäftsreise nach Sofia ist für Egon Bichler gestrichen. © lf

Vor ihm haben sich Lufthansa-Mitarbeiter aus diversen Arbeitsbereichen versammelt: Technik, Logistik, Bodenabfertigung, Check-in. Insgesamt beteiligen sich 5.000 Beschäftigte an den Aktionen in Frankfurt und München. Sie alle fordern "mehr Respekt, mehr Wertschätzung", wie Peter Schmitt von Verdi Bayern ins Megafon ruft. Das Bodenpersonal sei "das Herz der Deutschen Lufthansa".

Beschäftigte des Bodenpersonals demonstrieren in München für Respekt – und höhere Löhne. Das Personal arbeite am Anschlag, so eine Mitarbeiterin.
Beschäftigte des Bodenpersonals demonstrieren in München für Respekt – und höhere Löhne. Das Personal arbeite am Anschlag, so eine Mitarbeiterin. © lf

Die Forderung von Verdi: 9,5 Prozent mehr Gehalt

Konkret verlangt die Gewerkschaft 9,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro. Ein erstes Angebot hat Verdi als zu niedrig abgelehnt. Neben der coronabedingten Lohnpause machen Überlastung durch Personalmangel und die hohe Inflation den Mitarbeitern zu schaffen. "Diese Belastungen gehen ins Mark", sagt Lufthansa-Airline-Chef Jens Ritter. Doch sei ein 26 Stunden lang andauernder Streik "unverhältnismäßig". Er erntet Buhrufe aus dem Publikum.

Auch Lufthansa-Sprecher Martin Leutke bezeichnete den Warnstreik als "unnötig, überzogen und viel zu umfänglich". Das Unternehmen habe ein substanzielles Angebot vorgelegt, über das man hätte sprechen können. Verdi habe sich aber entschieden, den Konflikt auf dem Rücken der Passagiere auszutragen. Dieser Meinung ist auch Susanne Dertinger (55) aus Feldkirchen, die mit ihrer Tochter nach Sevilla in Spanien reisen wollte. "Es wäre nach Corona der erste Urlaub seit drei Jahren gewesen", sagt die Oberärztin zur AZ. "Es ist eine Katastrophe." Sie verstehe zwar, dass das Personal mehr Gehalt fordere: "Aber es gibt andere Möglichkeiten, dies zu lösen."

Lufthansa-Mitarbeiter klagen über "nicht aushaltbare Situation"

Man habe versucht, die Belastung für Personal und Passagiere so gering wie möglich zu halten, sagt Schmitt von Verdi der AZ: "Wir haben uns den schwächsten Verkehrstag ausgesucht, vor den Ferien in Bayern. Die Kunden liegen uns sehr am Herzen." Doch Streik sei das einzige Mittel, um die Forderungen durchzusetzen. "Wir arbeiten seit Januar mit Minimalbesetzung", sagt Corinna Karow von der Bodenabfertigung der AZ. "Wir rennen im Schweinsgalopp durchs Terminal, es gibt keine Pausen mehr. Wir arbeiten am Anschlag, es ist eine nicht aushaltbare Situation."

Auch "Operation"-Mitarbeiterin Jacqueline Lang und Kerstin Lemm, die am Ticket-Schalter arbeitet, protestieren für "Anerkennung und gerechten Ausgleich". Die Bezahlung sei "unter aller Würde", so Lemm. Das Einstiegsgehalt eines Flugbegleiters liege bei 1.600 Euro brutto im Monat. "Davon können die jungen Kollegen nicht leben, viele haben zusätzlich einen Zweitjob", so Lang. Viele seien überarbeitet. "Das geht so nicht, das ist auch eine Frage der Sicherheit", warnt sie.

Lufthansa-Mitarbeiterinnen Lang (l.) und Lemm bei der Demo
Lufthansa-Mitarbeiterinnen Lang (l.) und Lemm bei der Demo © lf

"Wir sind müde und hungrig. Ich vermisse meine Familie", sagt derweil Klaudia Czuba (20), die mit ihrem Freund in München auf ihren Weiterflug wartet. Sie sind dort auf ihrer Reise von Polen zurück nach Irland gestrandet und müssen schon die zweite Nacht in einem Hotel in der Nähe übernachten. Immerhin haben sie gerade Cisska und Shai Blum aus Holland in der Warteschlange kennengelernt, erzählt Czuba lachend.

V.l.: Klaudia Czuba aus Irland sowie Shai und Cisska Blum aus Holland warten vor den Service-Schaltern am Münchner Flughafen.
V.l.: Klaudia Czuba aus Irland sowie Shai und Cisska Blum aus Holland warten vor den Service-Schaltern am Münchner Flughafen. © lf

Diese hoffen, am Donnerstag ihren Urlaub in Hongkong endlich starten zu können. Die Streiks zumindest sollen um sechs Uhr beendet sein.

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