Lodenfrey-Gesellschafter Markus Höhn: "Die Perspektive war ein einziges Fragezeichen"
AZ: Grüß Gott, Herr Höhn, wie haben Sie die vergangenen Monate überstanden?
MARKUS HÖHN: Zum Glück gut. Aber es liegen bewegte Zeiten hinter uns, der erste Total-Lockdown war heftig, die Welt hat sich wohl für jeden von uns von heute auf morgen komplett verändert. Wir hatten das Lodenfrey-Lager gerade voll mit frischer Sommerware, dazu 450 hochmotivierte Mitarbeiter - und mussten alles auf unabsehbare Zeit zusperren. Das gab's ja so noch nie. Ich hätte mir das persönlich nie vorstellen können, das war ein Tiefpunkt. Die Perspektive war ein einziges Fragezeichen.
Dann müsste es Ihnen heute deutlich besser gehen, oder?
Die Dinge verändern sich in die richtige Richtung. Wir genießen täglich die immer besser werdenden Nachrichten - vom sinkenden Inzidenzwert bis zur Lockerung der Maskenpflicht.

Die Gastronomie ist wichtig für den Handel
Wie lief das Geschäft zuvor mit Click & Meet/Collect, der Testpflicht, der Begrenzung?
Machen wir uns nichts vor: Der Kunde musste extrem viele Hürden auf sich nehmen, wenn er einkaufen wollte. Obendrein musste er durchschauen, was wann erlaubt war, was nicht. Dazu haben wir gemerkt, wie wichtig die Gastronomie für den Handel ist - besonders in der Innenstadt. Wie stark beides zusammenhängt. Dennoch war ich überrascht, wie viele Menschen eine so hohe Leidensfähigkeit haben und trotz der ganzen Einschränkungen zu uns gekommen sind. Das freut einen besonders - und motiviert. Die Kaufrate ist deutlich gestiegen, die Zeit des Bummelns war dafür vorbei.
Es hat sich also nicht alles ins Online-Geschäft verlagert?
Nein. Obwohl das Online-Geschäft sehr stark gewachsen ist. Aber wir denken bei Lodenfrey in keiner Weise darüber nach, nur noch online zu verkaufen. Das Herzstück ist und bleibt unser Stammhaus in der Münchner Innenstadt.
Ist jetzt alles wieder gut?
Völlig normal ist es noch nicht. Wird es je genau so wie früher? Was hat die Krise mit uns allen gemacht? Diese Fragen beschäftigen uns.
Ihre Antworten?
Die Zeit wird es zeigen. An sich finde ich die Anpassungsfähigkeiten der Menschen erstaunlich. Es hat mich gefreut, zu sehen, wie mental stark die Mehrheit geblieben ist. Insbesondere unsere Mitarbeiter, die uns monatelang mit ihrer Bereitschaft zur Kurzarbeit unterstützt haben, aber auch meine Partner und Mehrheitsgesellschafter. Für Lodenfrey kann ich sagen: Natürlich sind noch deutlich weniger Touristen als sonst in München. Auch ist die erneute Absage der Wiesn für uns als weltweit größter Trachtenanbieter schwer zu verdauen, so verständlich der Schritt war. Da gibt es nichts schönzureden. Umso mehr fokussieren wir uns auf die Zukunft. Langsam zieht der Trachtenverkauf wieder an. Es werden Hochzeiten nachgeholt, kleine private Feiern - und die Lust auf Tracht scheint ungebrochen. Das sind schöne Signale.
"Ich glaube, die Mode wird mit einem Feuerwerk zurückkommen"
Wird die Pandemie auch die Mode nachhaltig verändern?
Es gab einige Trends - vor allem der Casual Style...
... also die Jogginghosen.
Genau, das Einigeln daheim hat sicher dafür gesorgt, dass Ballkleider und Anzüge weniger gefragt waren. Anlassbezogene Mode brach völlig weg. Die Mode wurde sportlicher, sogar im Luxussegment. Kaschmir kann schließlich auch bequem sein. Im Ernst: Ich glaube, die Mode wird mit einem Feuerwerk zurückkommen. Das haben auch Krisen in der Vergangenheit gezeigt. Jedem Trend folgt ein Gegentrend. Gut möglich, dass nach der Casualisierung alles sehr glamourös wird. Das Schöne an der Mode ist auch immer das Überraschungsmoment.
Haben Sie Veränderungen bei Lodenfrey vor?
Wir wollen das Einkaufen noch gemütlicher machen und bauen gerade das erste Ralph Lauren Coffee in Europa aus. Einkaufen soll Spaß machen, wir möchten noch mehr Kunden zum Verweilen einladen.
Über das Innenstadt-Sterben wurde viel diskutiert. Gibt's eine Wiederauferstehung?
Bei vielen Menschen hat sich viel angestaut - emotional und bei einigen auch finanziell. Das Nachholbedürfnis ist groß. Wenn man den Zahlen glauben kann, haben die Menschen wieder Geld für Mode übrig. Mit jeder Lockerung werden die Innenstädte wieder voller. Allein die Gastro-Öffnung hat viel bewirkt. Ich bin sehr optimistisch. Wichtig wäre nun eine Verkehrspolitik in München, die für alle gemacht ist.
Und nicht nur für Radler?
Dieser Eindruck konnte durch wegfallende Parkplätze und immer mehr Radlstreifen entstehen. Es gibt viele Menschen aus dem Umland und aus München, die gern in die Innenstadt fahren, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht herradeln. Die dürfen sich nicht übergangen fühlen. Geschäfte müssen für alle gut erreichbar sein.
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