Lockdown verschärft Gastro-Krise: "Ein flächendeckendes Desaster"

Dass gastronomische Betriebe weiter nicht öffnen dürfen, war absehbar. Nicht zu wissen, ob finanzielle Hilfen kommen oder nicht, bringt viele Wirte trotzdem an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Münchner Wirte berichten, wie es ihnen geht.
Ruth Frömmer
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Der Lockdown macht vielen Münchner Wirten zu schaffen. (Symboldbild)
Der Lockdown macht vielen Münchner Wirten zu schaffen. (Symboldbild) © Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa

München - Seit November befindet sich die Gastronomie wieder im staatlich verordneten Lockdown. Nun wird erneut verlängert und die Gastro bleibt weiterhin geschlossen. In der Branche stößt das zum Teil auf Unverständnis.

Infektionsgeschehen trotz Schließung unverändert 

"Dass sich das Infektionsgeschehen trotz Schließung bislang nicht verbessert hat, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass gastgewerbliche Betriebe nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind", sagt Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Bayern. Der Verband fordert nun endlich konkrete Informationen dazu, wann die Antragstellung möglich ist und wann die zugesagte Novemberhilfe für alle Unternehmen ausgezahlt wird.

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Wiesn-Wirt Christian Schottenhamel findet die Verschärfung grundsätzlich sinnvoll, sagt aber deutlich: "Für uns ist jetzt wichtig, dass die versprochenen Novemberhilfen in der versprochenen Höhe ausgezahlt werden. Dann können wir die nächsten Monate überbrücken." Aber die Lokale kurzfristig zu öffnen, um dann wieder zu schließen, bringe nichts.

Münchner Innenstadtwirte bauen auf November-Hilfen

Wenn die von der Politik versprochenen November-Hilfen tatsächlich kommen, ist das eine große Hilfe für die Gastronomie, so Gregor Lemke, Betreiber des Augustiner Klosterwirts und Sprecher der Münchner Innenstadtwirte. Aber bis jetzt konnten diese Hilfen ja noch nicht einmal beantragt werden. Die aktuelle Situation beschreibt er dramatisch: "Manche Kollegen können ihre Löhne nicht mehr bezahlen." Sie haben zuletzt die Oktoberlöhne ausbezahlt, das Kurzarbeitergeld noch nicht bekommen, dank November-Lockdown nichts mehr eingenommen und noch keine Novemberhilfen erhalten. Das ist ein extremes finanzielles Problem.

Gregor Lemke (r), hier mit Münchens OB Dieter Reiter.
Gregor Lemke (r), hier mit Münchens OB Dieter Reiter. © imago images/STL

To-go-Konzepte - ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein - eignen sich für die meisten Innenstadt-Wirte nicht. Laut Lemke "hat die Innenstadt ihre eigenen Gesetze. Unsere Zielgruppe ist nicht da. Die meisten Menschen, die normalerweise in der Mittagspause kommen, sind daheim im Homeoffice und Touristen gibt es auch keine." Die Pläne, Restaurants über die Weihnachtstage kurzzeitig zu öffnen, hält Lemke für "realitätsfremd". Einen gastronomischen Betrieb hoch- und wieder herunterzufahren inklusive Personal, Einkaufen, Vorkochen, Putzen usw. für maximal fünf Tage ohne zu wissen, wie viele Gäste tatsächlich kommen, lohne sich definitiv nicht.

Gaststätte Rumpler: Augustiner-Wirtschaft stellt sich auf harte Zeiten ein

"Ich bin müde", sagt Rumpler-Wirtin Karin Nessenius. Aber trotz allem bleibt sie positiv.
"Ich bin müde", sagt Rumpler-Wirtin Karin Nessenius. Aber trotz allem bleibt sie positiv. © Bernd Wackerbauer

Eine Überraschung war die Verlängerung des zweiten Lockdowns für die Rumpler-Wirtin Karin Nessenius nicht: "Ich habe mir da keine Illusionen gemacht", sagt sie und weiter: "Wenn wir die Novemberhilfen nicht kriegen, schaffen wir den Dezember nicht." Insgesamt 18 festangestellte Mitarbeiter arbeiten in der Augustiner Wirtschaft im Glockenbachviertel. Wie beim ersten Lockdown gibt es auch jetzt wieder Essen to go im Rumpler. Die Stammgäste versuchen, ihr Lokal zu unterstützen, aber das Essen zum Mitnehmen bringt maximal ein Drittel des Umsatzes. Dank großer Freischankfläche lief der Sommer einigermaßen gut. "Im Moment ist alles zu schaffen, aber jetzt müssen Hilfen her" fordert Nessenius. Aktuell hat die Wirtschaft 4,5 Stunden pro Tag geöffnet fürs To-go-Geschäft.

Für den November hat die Wirtin Kurzarbeit beantragt. Besonders bitter: Der Dezember ist normalerweise einer der umsatzstärksten Monate des Jahres dank Weihnachtsfeiern. Die aktuelle Situation nennt sie "ein flächendeckendes Desaster". Natürlich versteht Nessenius, dass etwas gegen Covid-19 unternommen werden muss: "Das ist richtig. Aber wir werden behandelt, als ob wir keinen Verstand hätten. Man darf keine Fragen mehr stellen, ohne abgeurteilt zu werden." Aber Aufgeben kommt nicht in Frage: "Ich bin jetzt 65 Jahre alt. Der Plan war eigentlich, mich langsam etwas zurückzunehmen. Vielleicht auch ab und zu Mal in die Berge zu gehen." Und jetzt steht sie vor solchen Problemen. Einen Schuldenberg möchte sie nicht hinterlassen, drum heißt es jetzt einfach weitermachen. Denn ein Leben ohne eine gemütliche Stadtteilwirtschaft wie den Rumpler ist undenkbar.

Baumstraße 21; So-Fr: 11.30-14.00 und 17.30-20 Uhr, Sa: 17.30-20.30 Uhr.

Jones - K's Original American Diner in München

Natalie Kunze, Geschäftsführerin im Jones Diner fasst ihre Stimmung kurz und knapp zusammen: "Katastrophe, Desaster, nicht mehr lustig". Während des ersten Lockdowns konnte sich das Lokal dank Reserven noch über Wasser halten. Aber jetzt ist das Diner an seine Grenzen gestoßen. Für ihre zwölf Mitarbeiter hat Kunze beim ersten Lockdown kein Kurzarbeitergeld beantragt und diese noch voll bezahlt. Schließlich fühlt sie sich verantwortlich für ihr Wohlergehen. "Mit dem Kurzarbeitergeld kann man in München nicht überleben. Zumal ja das Trinkgeld komplett wegfällt", sagt sie. Dafür ist sie auch an ihr Privatvermögen gegangen. Aber langsam wird es finanziell eng.

Originale New York Hot Dogs sind in München rar.
Originale New York Hot Dogs sind in München rar. © Natalie Kunze

Das Problem: jetzt kann sie das Kurzarbeitergeld zusammen mit den Novemberhilfen so schnell nicht mehr beantragen. Über die Hinhaltetaktik der Politik kann sie nur den Kopf schütteln. Das Jones lebt stark von seiner amerikanischen Atmosphäre im 50er-Jahre-Stil. Schwarz-weiß karierter Boden, rote Kunstleder-Stühle und Personal, das im typischen Diner-Outfit Burger, Chicken Wings, Sandwiches und mehr serviert.

Mit Hot Dogs in die Zukunft blicken

Ein Take-away-Konzept würde das Restaurant-Erlebnis für die Gäste nicht ersetzen. Lieferdienste lohnen sich nicht. Die Kosten sind zu hoch und Produkte wie Pommes frites muss man frisch essen. Aber das Team hat eine neue Idee. Ab nächster Woche wird es einen Straßenverkauf für Hot Dogs geben, und zwar original New York Beef Hot Dogs. Für die Herstellung der Rindfleisch-Würstl hat Kunze eigens einen Metzger gewinnen können. Zwischen 3,50 und 5,50 Euro werden die Hot Dogs auf die Hand kosten. Auf Wunsch gibt es sie auch mit Sauerkraut und/oder Käse.

Straßenverkauf  in der Karlstraße 56 ab 2.12: Mi-Fr: 11.30 bis 14.30 Uhr.

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24 Kommentare
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  • Superturner am 27.11.2020 11:40 Uhr / Bewertung:

    Problem sind die Wirte und Gäste doch selbst, wenns zu eng, zu voll und zu besoffen wird, werden alle Regeln über den Haufen geschmissen, dann kannst als gesitteter Gast nach Hause gehen..
    Das Skifahren ist eigentlich null Problem, aber wer schon mal selbst beim Apres Ski in Ischgl war, in der engen Kneipe geht die Post ab, und das ist das Problem....
    Oder die schriftliche Adressabgabe, so ein unnützer Blödsinn......

  • Der wahre tscharlie am 26.11.2020 18:06 Uhr / Bewertung:

    "Dass sich das Infektionsgeschehen trotz Schließung bislang nicht verbessert hat, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass gastgewerbliche Betriebe nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind", sagt Angela Inselkammer"

    Genau so ist es! In SH ist diese Erkenntnis schon durchgedrungen. Dort wird anders gehandelt.

  • Le Bavarois am 26.11.2020 19:32 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Das ist von Eigennutz geprägter Unfug und hat mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der gelebten Realität nichts zu tun. Die "Logik" dieser "Wirtschaftsvirologen" ist ausschliesslich von ihren, nachvollziehbaren, geschäftlichen Nöten geprägt. Sie sollten aber ihr unternehmerisches Risiko, das ja vom Steuerzahler, also uns allen, reichlich gemindert wird, nicht zu einem gesundheitlichen Risiko für die Bevölkerung werden lassen.

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