"Leck mich am Ar***, ich mag nimmer": Große Show von Hubert Aiwanger beim LKW-Fahrer-Protest in München

Rund 2000 Lastwagen und Traktoren aus ganz Bayern belagern am Freitag die Theresienwiese – mit 3500 LKW-Fahrern. Die sind vor allem wütend über die fast verdoppelte LKW-Maut. "Ein Wahnsinnszeichen", findet der Veranstalter. Das große Stauchaos bleibt weitgehend aus.
Irene Kleber |
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Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) nimmt ein Selfie-Bad in der LKW-Fahrer-Menge auf der Theresienwiese.
Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) nimmt ein Selfie-Bad in der LKW-Fahrer-Menge auf der Theresienwiese. © dpa

München Da stehen sie also beieinander unter der Bavaria, kauen an Leberkässemmeln und Brezn und halten sich die Finger an Teetassen warm. 5 Grad Minus hat es am Morgen dieses großen Protestfreitags der Brummifahrer. Das fühlt sich noch eisiger an, wenn man, ziemlich übernächtig, schon seit 3 Uhr früh auf den Beinen ist, wie viele hier, die mit ihren Lastwagen aus dem tiefsten Bayern angerollt sind. Trotz ihrer Wut im Bauch warten sie still seit früh um 7.

Bis um 11.40 Uhr ein Mann mit Hut unter der Ruhmeshalle aus einem Auto steigt – und ein Pfeifkonzert beginnt, durchbrochen von "Hubsi!"-Rufen. Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW), der Popstar der bayerischen Bauern, ist da und schickt sich an, auch zum Helden der Transporteure zu werden, er kommt vor lauter Selfie-Wünschen kaum durch die Menge. Dass Aiwanger eine Stunde vor seiner Redezeit ankommt, dürfte er ähnlich erklären, wie Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der ebenfalls zu früh eingelaufen ist. "Mei", sagt der zur AZ, "ich hatte Sorge, dass ich nicht pünktlich durch den Stau komme."

Rund 2000 Lastwagen und Traktoren belagern beim LKW-Fahrer-Protest am Freitag mit rund 3500 Menschen die Theresienwiese. Sie beklagen die Belastungen, unter denen die Transporbranche leidet.
Rund 2000 Lastwagen und Traktoren belagern beim LKW-Fahrer-Protest am Freitag mit rund 3500 Menschen die Theresienwiese. Sie beklagen die Belastungen, unter denen die Transporbranche leidet. © Ben Sagmeister

LKW-Aufstand in München: "Mit einer so großen Beteiligung hat keiner gerechnet"

Dass sie es trotzdem geschafft haben, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass die LKW-Fahrer auf dem Weg zur Theresienwiese keine Straßen blockiert, sich zeitlich gut verteilt haben und der Polizei gefolgt sind. Die meldet später keine größeren Probleme auf den Straßen. 1000 Sattelzüge hatte der Landesverband Bayerischer Transporteure (LBV) für den Protesttag der Brummifahrer angekündigt, unterstützt von anderen Gruppen wie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und auch Landwirten.

"Aber jetzt sind 1600 Lastwagen da", ruft am Mittag LBV-Hauptgeschäftsführer Stephan Doppelhammer von der Bühne. Die Polizei zählt später rund 2000 Lastwagen und Traktoren und 3500 Menschen. "Unbeschreiblich, mit einer so großen Beteiligung hat keiner gerechnet", sagt Doppelhammer. "Das ist ein Wahnsinnszeichen, jetzt muss die Regierung uns hören, jetzt muss sie mit uns sprechen."

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Zorn der Brummifahrer auf der Theresienwiese: "Ein Saustall ist das, eine Frechheit"

Neben vielen anderen Kritikpunkten haben die Transporteure vor allem Wut darüber, dass die Ampel-Regierung zum 1. Dezember 2023 die LKW-Maut um 83 Prozent erhöht hat. Um darüber mal Luft abzulassen hat etwa der Transportunternehmer Gunther Weber (62) ab früh um kurz nach 4 Uhr einen Konvoi aus über 70 Sattelzugmaschinen aus der Oberpfalz und Oberfranken Richtung München angeführt, Dachdecker, Entsorger, Silotransporteure und Kollegen aus der Abfallwirtschaft. "Allein wir waren sieben Kilometer lang", sagt Weber.

Transportunternehmer Gunther Weber (62, r.) mit seinem Schwiegersohn Marco ist mit über 70 Lastwagen im Schlepptau aus der Oberpfalz angerollt.
Transportunternehmer Gunther Weber (62, r.) mit seinem Schwiegersohn Marco ist mit über 70 Lastwagen im Schlepptau aus der Oberpfalz angerollt. © Hannes Magerstädt

"Am meisten stinkt mir, wie viel von der LKW-Maut in die Bahn fließen soll statt in die Straßen, Rastplätze und maroden Sanitäranlagen, die längst gerichtet gehören. Die Bahn-Herren kriegen Boni und wir müssen das erarbeiten." "Ein Saustall ist das, eine Frechheit", findet auch Jürgen Schmid (55), der bei Schwandorf Silotransporte macht. Zehn Sattelschlepper und 13 Fahrer hat seine Firma, die Maut für seine Laster koste ihn jetzt mit 38.000 Euro fast doppelt so viel wie bisher.

"Da stehen wir doch mit dem Rücken an der Wand." Überhaupt, wenn jeder die Extrakosten auf den Auftraggeber umlege, "dann zahlt jeder Haushalt in Deutschland am Ende im Jahr 300, 400 Euro mehr für seine Äpfel, Fahrräder oder Fensterscheiben", hat man beim Verband ausgerechnet. Einfach nur noch "ein Inflationstreiber" sei diese Maut.

Jürgen Schmids Firma bei Schwandorf hat zehn Sattelschlepper, für die zahlt er nun fast doppelt so viel Maut, "eine Frechheit", findet er.
Jürgen Schmids Firma bei Schwandorf hat zehn Sattelschlepper, für die zahlt er nun fast doppelt so viel Maut, "eine Frechheit", findet er. © Hannes Magerstädt

"Ich mache meinen Beruf mit Herzblut"

Vor allem Familienbetrieben machen die Pläne der Ampel zu schaffen. Marina Ettengruber (21) ist die dritte Generation, die in Dachau Abbruch, Tiefbau und Transport macht – und auch selber Lastwagen fährt. 30 Lastwagen, Autokräne, Bagger, Radlader und mehr haben die Ettengrubers im Fuhrpark. "Ich mache meinen Beruf mit Herzblut", sagt sie, "aber neben der Maut nervt mich auch der brutale Papierkrieg, den man uns aufbürdet."

Marina Ettengruber (21), Juniorchefin im Familienbetrieb in Dachau, macht ihren Job "mit Herzblut" – aber ob er noch genug einbringen wird?
Marina Ettengruber (21), Juniorchefin im Familienbetrieb in Dachau, macht ihren Job "mit Herzblut" – aber ob er noch genug einbringen wird? © Hannes Magerstädt

"Ein LKW-Fahrer muss heute fast eine Sekretärin dabeihaben", wirft ihr Vater von der Seite ein, "ich weiß nicht, ob ich meiner Tochter unseren Beruf mit all den Hindernissen noch empfehlen kann." LKW-Fahrerinnen wie Christine Scheib (38) aus Gmund am Tegernsee kämpfen übergreifend fürs Ansehen ihres Berufsstands.

"Ich fahre täglich 800 Kilometer. Wir werden angehupt, ausgebremst, da wird der Mittelfinger rausgefahren, als wenn wir immer nur die Bösen und Schlechten auf der Straße wären und die Gesellschaft stören. Dabei wachsen die Sachen gar nicht im Supermarkt. Sie sind dort, weil wir sie hinbringen." Wenn jetzt auch noch Kleinbetriebe wie ihrer finanziell kaputtgemacht werden, dann gute Nacht.

LKW-Fahrerin Christine Scheib (38, l.) und Christiane Knaut (38) sind unter den 3500 protestierenden Transporteuren auf der Theresienwiese: Scheib: "Ich habe Sorge, dass Kleinunternehmen wir meins finanziell kaputtgemacht werden. Und ich kämpfe für meinen ganzen Berufsstand."
LKW-Fahrerin Christine Scheib (38, l.) und Christiane Knaut (38) sind unter den 3500 protestierenden Transporteuren auf der Theresienwiese: Scheib: "Ich habe Sorge, dass Kleinunternehmen wir meins finanziell kaputtgemacht werden. Und ich kämpfe für meinen ganzen Berufsstand." © Hannes Magerstädt

Hubert Aiwanger beim LKW-Protest in München: "Leck mich am Arsch, ich mag nimmer"

Die Bayerische Staatsregierung jedenfalls unterstützt den Protest der Transporteure – genau wie den der Bauern, aber ob's hilft? "Wir stehen weiter an Ihrer Seite", sagt CSU-Verkehrsminister Bernreiter auf der Bühne.

Deutlich lauter gefeiert wird Hubert Aiwanger, der ganz in seiner Art den Grant der Leute vorträgt: "Irgendwann geht auch der größte Lastesel in die Knie und sagt, Leck mich am Arsch, ich mag nimmer." Mit dem Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek stellt sich aber auch ein Grünen-Politiker der Brummifahrermenge: "Ich nehme Ihre Kritik ernst, ich nehme sie mit", sagt er. Und wird trotzdem ausgebuht.

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99 Kommentare
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  • Bongo am 14.01.2024 13:55 Uhr / Bewertung:

    Dafür hat sie auf 1 1/2 Jahren mehr falsch gemacht, als die Regierung vorher auf 16 Jahre!

  • Da Ding am 15.01.2024 14:01 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bongo

    Interessante Meinung. Leider nicht sonderlich Objektiv.

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 14.01.2024 10:08 Uhr / Bewertung:

    Großes Kompliment und Dankeschön an die Transport-Fahrer/Brummifahrer, dass eine noch höhere Beteiligung und ein noch größeres LKW-Aufkommen, als erwartet, so reibungslos für alle Beteiligten und Unbeteiligten über die Bühne gegangen ist. Stark.
    Diese Art von Protest ist vorbildlich, weil andere nicht mitreingezogen werden.
    Danke.

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