Bauern legen München lahm: "Haben die Schnauze voll!"
München - Schon in den frühen Morgenstunden haben sich Bauern aus ganz Bayern auf den Weg in die bayerische Landeshauptstadt gemacht, um dort lautstark unter dem Motto "Zu viel ist zu viel" gegen die Politik der Ampelregierung in Berlin zu protestieren. Vor Sonnenaufgang trafen sich Hunderte Landwirte an mehreren Sammelpunkten – unter anderem in Taufkirchen (Landkreis München). Am Zacherlweg befestigten die Bauern letzte Botschaften an ihren Traktoren.
"Grün-Gelb-Rot der Wirtschaft Tod", heißt es auf einem Schild. "Diese Politik ruiniert nicht nur die Landwirtschaft", steht auf einem anderen. Andere knüpften Verkehrsampeln an Galgen auf, um symbolisch das Ableben der Ampel darzustellen. An einigen Fahrzeugen waren Deutschlandflaggen befestigt. Extremistische Symbole wie etwa die Landvolkfahne, die am Sonntag unter anderem in Berlin gesichtet wurde, tauchten vor den Toren Münchens nicht auf.
Bauernproteste in München: Tausende Landwirte machen sich auf den Weg zum Odeonsplatz
Dann schalteten die Bauern und einige mitfahrende Spediteure ihre Rundumleuchten ein und machten sich auf den Weg zur Großkundgebung des Bayerischen Bauernverbands (BBV) am Odeonsplatz. Angekommen im Stadtbereich sorgten sie für zahlreiche Verkehrsbehinderungen. Doch die Autofahrer zeigten bis auf vereinzeltes Hupen Verständnis für die Proteste. Da es im Altstadtringtunnel zu einem größeren Stau kam, öffneten dort Busfahrer die Türen. Mitfahrende verließen die Unterführung daraufhin zu Fuß.

Währenddessen war der Odeonsplatz bereits gut gefüllt. Schon zu Beginn des Protests mahnte der Versammlungsleiter Martin Wunderlich: "Bitte tragt keine Waffen bei euch." Auch Mistgabeln seien verboten. "Wenn einer Dampf ablassen muss, dann fangt ihn wieder ein", sagte Wunderlich. Einige nahmen die Ansagen der Veranstalter allerdings weniger ernst. Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ließ sich mit einer Harke in der Hand von seinen Anhängern vor der Feldherrnhalle feiern ließ.
Vor der Demonstration gab es Befürchtungen, dass der friedliche Protest der Bauern durch Rechtsextreme und Verschwörungsideologen unterwandert werden könnte. Von diesem Milieu distanzierte sich der Präsident des Bayerischen Bauernverbands zu Beginn nochmals auf der Bühne. Extremisten würde man "nach Hause schicken", stellte Günther Felßner auf der Bühne klar.
"Bauern sind keine Chaoten – nicht wie die Klimakleber", so der 57-Jährige. Dass einige Bürger am Donnerstagabend in Schleswig-Holstein eine Fähre in Schlüttsiel – auf der sich der Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) befand – stürmen wollten, ginge deutlich zu weit. Durch den Protest in München wolle man lediglich der Ampelregierung nach ihrer "Bankrotterklärung" die "Rote Karte" zeigen. Der Staat habe kein "Einnahmeproblem", sondern ein "Ausgabenproblem". Dass jetzt ausgerechnet Steuervergünstigungen für die Bauern gestrichen werden sollen, sei unverständlich. "Diese Ampel hat Flasche leer", sagte Felßner und erntete dafür langen Applaus.

Bauerndemo: Schützenhilfe von Querdenkern am Königsplatz in München
Dass es den Veranstaltern offenbar nicht gelungen war, alle Extremisten bei der Veranstaltung auszuschließen, zeigte sich auch im Laufe von Felßners Rede. Als der Chef des Bauernverbands darauf hinwies, dass er die Regierung nicht stürzen wolle, schrien einige Teilnehmer, dass sie das "doch" wollen. "Ohne Bauernstand stirbt unser Bayernland" stand zudem auf einem Schild in den Farben der Reichsflagge. Laut dem "Bayerischen Rundfunk" sollen außerdem auch Vertreter der Identitären Bewegung sowie des Dritten Weges präsent gewesen sein.
Extremistische Äußerungen gab es auch auf dem Königsplatz: Deutschlandfahnen, AfD-Sprüche, Aufrufe zum Frieden und Anti-Ampel-Plakate wurden dort am Montagmittag in die Höhe gestreckt. Die Demonstration "Gehen in Deutschland bald die Lichter aus, schmeißen wir zuvor die Ampel raus!" soll den Protest vom Bayerischen Bauernverband flankieren. Doch die Landwirte verkommen bei der Veranstaltung am Königsplatz fast schon zu einer Randnotiz. Im Mittelpunkt steht der Frust: auf die derzeitige Regierung und eigentlich auf die ganze Politik. Die inhaltlichen Kernpunkte der Demonstration: Das Geld gehe an die Falschen, die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt und die Wirtschaft kaputtgemacht.

Der erst spärlich gefüllte Königsplatz wird im Laufe des Mittags immer voller - trotz eisiger Kälte. Und mit dem im Anschluss an die Reden beginnenden Protestmarsch samt Trillerpfeifen und Autohupen auch immer lauter. Von Veranstalterseite ist die Rede von über 1000 Teilnehmern. Laut Polizei sollen es in der Spitze 200 gewesen sein. Viele protestieren zu Fuß, einige folgen der Kolonne mit LKW und mit Autos - teils mit gegen die Ampel gerichteten Plakaten geschmückt. Darunter auch zahlreiche Vans von verschiedenen Sanitärunternehmen.
Rechte und Querdenker als Redner
Veranstalter ist Marcel Dold, der sich zu der Münchner Initiative "Kinder stehen auf!" bekennt – ein Ableger der während der Corona-Pandemie entstandenen Protestbewegung "München steht auf". Dementsprechend setzen sich auch die auftretenden Redner zusammen: Da wäre einmal Uli Henkel, ein AfD-Politiker, der in der letzten Legislaturperiode einen Sitz im Bayerischen Landtag hatte und sich während seiner Rede mit Martin Luther King vergleicht. Der unter dem Pseudonym "Benny" bekannte Redner der Protestbewegung "München steht auf", der den Aufruhr um den von Bauern bedrängten Robert Habeck (Grüne) belächelt. Der wegen Volksverhetzung verurteilte Unternehmer Daniel Langhans. Und die auf der Kundgebung als eine Art Moderatorin auftretende Politikerin Alexandra Motschmann, die zum bayerischen Landesvorstand der Basisdemokratischen Partei Deutschlands (die Basis) gehört und darüber schimpft, dass Deutschland "statt Demokratie Bürokratie" hat. Die Basis gilt gemeinhin als parteipolitischer Arm der "Querdenker"-Bewegung.
Zwischen den Rednern erklingt die dazu passende musikalische Untermalung: Die Schlager-Band "Corona Bavaria" performt Songs wie "Frieren für den Frieden". Die meist sarkastisch gemeinten Lieder haben denselben Sound wie die Reden: Wir lassen uns nichts mehr vorschreiben. Uns reicht es. Und das aus verschiedenen Gründen: Eine Rentnerin (71), die anonym bleiben möchte, nimmt an der Demonstration teil, weil "der Staat die Altersvorsorge der Rentner plündert". "Politiker bedienen sich, aber für Rentner ist nichts da", sagt sie. Der Anwalt Helmut Krause ist mit der Auswahl der heutigen Politiker unzufrieden. Und die aus einer britischen Bauernfamilie stammende Maria Lest (56) will sich aufgrund ihres Hintergrunds mit den Bauern solidarisieren.
"Blockiert nicht die Straßen": Grünen-Politiker wird ausgepfiffen
Als einziger Politiker aus der Bundestagsfraktion der Grünen, stellte sich der Abgeordnete Karl Bär der Kritik der Bauern am Odeonsplatz. Minutenlang wurde er vom Publikum ausgepfiffen. Von seinen Worten war nur wenig zu hören. "Blockiert nicht Straßen, damit ihr Subventionen bekommt", sagte er in einem stillen Moment. Als der Abgeordnete dann von "Erpressungsversuchen" der Bauern sprach, nahm die Lautstärke der Sprechchöre gegen ihn weiter zu. "Wir haben die Schnauze voll", plärrten Teilnehmer aus dem einen Eck. "Du kannst nach Hause gehen", ertönte es aus dem anderen.
Claus Hochrein von der Gruppierung Landwirtschaft verbindet Bayern (LSV) musste sich nach der Rede des Bundestagsabgeordneten erst einmal sammeln, wie er auf der Bühne erzählte. Bär sei mit einem "Grinsen" auf die Bühne gegangen und habe keinen Respekt gegenüber den Bauern gezeigt. "Sind wir verantwortlich für einen Haushalt, der gesetzeswidrig ist?", fragte Hochrein.
Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es am Odeonsplatz nicht. Wie Polizeisprecher Andreas Franken am Rande der Demonstration mitteilte, verlief die Kundgebung "störungsfrei". Was die Zahl der Traktoren und der Protestierenden betraf, gingen die Angaben auseinander. Während die Veranstalter von 7000 Traktoren und knapp 10.000 Versammlungsteilnehmern sprachen, nannte die Polizei offiziell rund 5500 Schleppern und etwa 8000 Demonstranten. "Der Münchner Bürger scheint sich hier auf das Versammlungsgeschehen eingestellt zu haben, so dass es hier nicht zu größeren Behinderungen kam. Es kam auch zu keinen Blockaden", bestätigte der Polizeisprecher. Einige Fahrzeuge seien aufgrund des großen Andrangs problemlos auf die Theresienwiese umgelotst worden. Unklar ist bisher, wie viele dort protestierten.