„Lasst Flüchtlinge ins Schloss Nymphenburg!“

München - Wer hat denn da die ganzen Bilder rangemacht?“, fragt das Mädchen fast eifersüchtig. Es kennt das Gebäude bloß karg mit eingestaubten Fenstern. Jetzt kleben große Karikaturen daran und bunte Aufkleber. „Schaut schön aus, oder?“, fragt Wolfram P. Kastner. Er war’s, er hat das alles zusammen mit Unterstützern da rangemacht.
Der Aktionskünstler will einen Teil der Schlossanlage in Nymphenburg zur Flüchtlingsunterkunft machen. Im Westen der Anlage steht ein Trakt leer. „Seit anderthalb Jahren“, sagt Kastner. In dem Gebäude in der Maria-Ward-Straße befand sich zuletzt das Institut für Genetik und Mikrobiologie der Universität München, das aber 2009 nach Martinsried umgezogen ist. Seither seien die Räume ungenutzt, sagt Kastner.
Im Ministerium heißt es, die Räume seien nicht fürs Wohnen geeignet
Das ärgert ihn. „Hier könnte man sehr viele Menschen unterbringen und Jugendliche könnten in den nahen Schulen betreut werden“, sagt er. Um zu zeigen, dass das Geisterhaus bewohnt sein soll, klebt die Gruppe um den Künstler Plakate mit Zeichnungen von Gesichtern, angefertigt vom Karikaturisten Michael Heininger, auf die Fenster, außerdem ausgeschnittene Silhouetten und Aufkleber, auf denen „herein“ steht. Mit roter Farbe sprüht Kastner das Wort auch an die Eingangstüre des Gebäudes.
Mit der Kunstaktion erhält die Forderung, Flüchtlinge im leeren Trakt im Schloss Nymphenburg unterzubringen, neuen Rückenwind. Bereits Anfang August berichtete die AZ von diesem Vorschlag. Kastner hatte ihn damals auf Facebook verbreitet, der CSU-Stadtrat Marian Offman war darauf eingegangen und brachte ihn in den Stadtrat ein. Seine Idee: „Kurzfristig und temporär können dort alleinstehende Frauen mit Kindern oder weibliche unbegleitete Minderjährige im Asylverfahren untergebracht werden.“ Der Stadtrat kann hier allerdings wenig machen, da die Schlossanlage dem Freistaat gehört.
Sie sind für jede Kleinigkeit dankbar: Der etwas andere Flüchtlingskindergarten
Ein Mitarbeiter der Bayerischen Schlösserverwaltung kommt angeradelt, schaut grimmig, fordert Namen, droht mit einer Anzeige wegen Sachbeschädigung. Wenig später holt er seinen Chef dazu, der ihn aber zurückpfeift. Das Gebäude gehöre gar nicht zu den Liegenschaften der Schlösser-verwaltung, die dem Finanzministerium unterstellt ist, sondern sei Eigentum des Wissenschaft- und Kultusministeriums.
Dort gibt man der AZ auf Anfrage ausführlich Auskunft: Der Gebäudeteil gehört den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, die dort derzeit ein provisorisches Depot für einen Teil ihres Magazinbestands eingerichtet haben. In rund 18 Monaten soll der Bau abgerissen und neu gebaut werden, dann kommt ein Teil des neuen Naturkundemuseums hinein.
Mittelfristig ist das Gebäude also für ein Museum vorgesehen, aber kurzfristig? Im zuständigen Ministerium heißt es, die Räume seien fürs Wohnen nicht geeignet. „Wir haben das Gebäude beim Auszug des LMU-Insituts von Immobilien-Experten des Freitsaats bewerten lassen“, sagt Ludwig Unger, Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Das Ergebnis: Einziehen kann hier niemand. Es fehlen sanitäre Anlagen, die Technik sei veraltet, die Rettungswege seien unzureichend und der Brandschutz nicht gewährleistet. „Es ist ein Unterschied, ob einige Menschen hier arbeiteten, oder ob viele Menschen hier wohnen sollen.“ Die Ansprüche an eine Unterkunft seien bei dem Gebäude bei weitem nicht erfüllt.
Wolfram P. Kastner sieht das anders: Man könne hier eine Unterkunft schaffen, wenn man nur wollte, meint er.
Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung muss er wohl nicht fürchten. Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Wir gehen nicht gleich mit der Keule gegen solche Aktionen vor. Allerdings muss Kunst auch nicht unbedingt Eigentum beschädigen.“ Kastner sagt: „Doch. Kunst muss Dinge sichtbar machen.“ Das zumindest hat er geschafft.