Landtagswahl? Am liebsten daheim: Immer mehr Bayern wählen per Briefwahl

Immer mehr Bürger gehen nicht mehr ins Wahllokal, sondern machen ihr Kreuz Zuhause. Warum der Siegeszug der Briefwahl bei Verfassungsrechtlern und Demokratieforschern auf Skepsis stößt.
Ralf Müller |
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Briefwahlunterlagen für die Landtags- und Bezirkswahlen im Freistaat.
Briefwahlunterlagen für die Landtags- und Bezirkswahlen im Freistaat. © Sven Hoppe/dpa

München - Bei der bayerischen Landtagswahl am kommenden Sonntag könnte auch eine verfassungsrechtlich nicht unbedeutende Latte gerissen werden. Beim Münchner Kreisverwaltungsreferat rechnet man beim anstehenden Wahlgang mit einer halben Million Briefwahlstimmen.

Das wären deutlich mehr als 50 Prozent der etwa 950.000 Wahlberechtigten in der Landeshauptstadt und würde eine Art Hürde überspringen. Denn eigentlich sieht man beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe so hohe Briefwahlquoten nicht gerne. Durch mehrere Entscheidungen zieht sich der Grundsatz, dass die Briefwahl "nicht zum Regelfall" werden dürfe.

In Bayern seit 1957 erlaubt: Doch noch immer gibt es Bedenken gegen die Briefwahl

Das war sie auch bis 2008 nicht. Bis dahin musste jeder, der sich am Wahltag den Gang ins Wahllokal sparen wollte, seine Abwesenheit an diesem Tag "glaubhaft" machen – etwa wegen Alter und Gebrechlichkeit oder zwingender Abwesenheit vom Wohnort.

Zum ersten Mal wurde auf dieser Basis die Briefwahl in Bayern bei der Landtagswahl 1957 zugelassen. Erleichtert wurde die Briefwahl, um der sinkenden Wahlbeteiligung in Deutschland entgegenzuwirken, hinzu kam ein Effekt in der Pandemie. Doch der Wahl per Post begegnen etliche Bedenken, die nicht so einfach wegzuwischen sind.

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Ob die Briefwahl geheim stattfindet, lässt sich nicht überprüfen

Argument Nummer eins: Es kann nicht überprüft werden, ob eine Briefwahl wirklich geheim und unbeeinflusst stattfindet. Niemand weiß, ob auf den Wählenden am Küchentisch nicht Druck ausgeübt wird, eine bestimmte Partei zu favorisieren oder auszuschließen. Auch der Stimmenkauf ist theoretisch möglich. Bisher sind keine größeren Unregelmäßigkeiten bei Briefwahlen bekannt geworden, wohl aber kleinere Manipulationen in den Jahren 1996 und 2002 in Dachau und 2008 in Roding.

Argument Nummer zwei: Die Briefwahl ist fehleranfällig. Wer sie beantragt, bekam in Bayern dieses Mal drei Kuverts und vier Stimmzettel zugeschickt, von denen zwei so groß sind, dass sie kaum auf einen Wohnzimmertisch passen. Dennoch durfte nur jeweils ein Kreuz gesetzt und das Ganze in einem dicken Wahlbrief mit einer eidesstattlichen Versicherung zurückgeschickt werden. "Tendenziell", so das Bayerische Landesamt für Statistik in Fürth, werde bei Briefwahlen jedoch nur ein "geringfügig höherer Anteil an ungültigen Stimmen" registriert.

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Durch eine frühzeitige Stimmabgabe bleiben kurzfristige Ereignisse unberücksichtigt

Argument Nummer drei: Wer schon frühzeitig per Brief wählt, kann auf mögliche schwerwiegende politische Vorkommnisse in den Wochen vor dem Wahlgang nicht mehr reagieren. Durch eine frühzeitige Stimmabgabe, die ab sechs Wochen vor der Wahl möglich ist, können relevante Ereignisse wie etwa schwere Verfehlungen eines Kandidaten übergangen werden.

Während es bei SPD und FDP kaum Abweichungen im Wahlverhalten gab, erhielt die CSU laut Wissenschaftlern aus Mannheim sowie der Universität Duisburg-Essen von Briefwählern deutlich mehr Zuspruch als bei Urnenwählern. Auch die Grünen lagen in der Gunst der Briefwähler etwas vor denen im Wahllokal. Umgekehrt war es bei der AfD. Bei ihr war in den Wahlurnen deutlich mehr Zustimmung zu finden als in den Wahlbriefen.

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10 Kommentare
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  • muc6 am 07.10.2023 20:07 Uhr / Bewertung:

    Den Punkt, bei der Briefwahl nicht mehr auf plötzlich bekannt werdende neue Fakten reagieren zu können, halte ich für sehr valide.

  • tutnixzursache am 07.10.2023 19:29 Uhr / Bewertung:

    Lauter Scheinargumente

  • FFF-Nein Danke am 07.10.2023 17:48 Uhr / Bewertung:

    Argument Nummer 4: Bei der Auszählung der Briefwahl kann es zu Unstimmigkeiten kommen.

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