"Kuchentratsch": Keine kann Kuchen wie Oma

Am besten backen die Omas, sagen zwei junge Unternehmerinnen. Darum lassen sie in ihrer Stube Seniorinnen backen und verkaufen die Kuchen an Cafés.
Sophie Anfang |
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Die Kuchentratsch-Gründerinnen Katharina Mayer und Katrin Blaschke.
Daniel von Loeper Die Kuchentratsch-Gründerinnen Katharina Mayer und Katrin Blaschke.

München Ein heller Raum, weiße Fließen und Küchenmöbel, Backöfen und Kochinseln. Immer mal wieder schellt eine Küchenuhr, ein Mixer dreht sich, Geschirr klappert. Eine normale Konditorei könnte man denken. Aber die Kuchen, die in dieser Großküche im Westend gebacken werden, sind besonders: echte Oma-Kuchen.

Zwei junge Wirtschaftswissenschaftlerinnen bringen Backwerk von Seniorinnen in Münchner Cafés. „Wir finden, dass Omas den besten Kuchen machen und wir wollen dieses Wissen aufrecht erhalten“, sagt Katrin Blaschke, eine der beiden Gründerinnen. Dreimal pro Woche kommen Seniorinnen in die Backstube, um Teig zu rühren und Formen zu füllen. Die fertigen Kuchen verkaufen Blaschke und ihre Kollegin Katharina Mayer an Cafés, Firmen oder Privatleute, die ihr Buffet aufpeppen wollen.

Bei „Kuchentratsch“ geht es aber nicht nur um schmackhaftes Gebäck. Die 25 Jahre alten Unternehmerinnen haben einen sozialen Ansatz. Durch das Backen sollen die älteren Damen sich etwas dazuverdienen und das Gefühl bekommen: Mein Wissen wird gebraucht. Auf einer Brasilienreise hatte Mayer gesehen, dass die Jungen das Gebäck der älteren Familienmitglieder auf der Straße verkauften. Das gefiel ihr: „Ich habe dann überlegt: Was gibt es bei uns an süßen Sachen.“

Weil ihre Oma selbst eine Meisterin am Backblech ist, kam Mayer schnell auf Kuchen. Blaschke, die damals zusammen mit Mayer in Innsbruck studierte, war von dem Projekt schnell angetan. Mehr als zwei Jahre ist das her. Inzwischen hat „Kuchentratsch“ einen Kundenstamm, 20 Seniorinnen, die regelmäßig backen – und eine eigene Großküche: Früher war hier eine Fischfabrik untergebracht. Doch daran erinnert nichts mehr. Statt nach Karpfen riecht es nach Kokosnuss und Schokolade.

Kein Wunder: Die Seniorinnen Maria Anna und Anke sind schon seit zwei Stunden eifrig am Werk. Ihr Alter wollen die beiden Damen lieber nicht verraten. Nur soviel: Bei Kuchentratsch backen Frauen zwischen 60 und 85. Fünf Kunden haben heute Gebäck bestellt, 20 Kuchen und 28 Muffins müssen gebacken werden. Meist backen bis zu sechs Frauen gleichzeitig, an diesem Tag sind es weniger.

Maria Anna, kurze Haare, flotte Brille, lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Ein Käsekuchen (Rezept: ehemalige Nachbarin aus Frankreich) und bunt verzierte Schokomuffins stehen schon duftend auf einer Anrichte, gerade rührt Maria Anna einen „Australian Banana Cake“. Ein englisches Wort oder zwei können ihr zwischendrin schon mal rausrutschen: Sie war jahrelang Übersetzerin – und stets leidenschaftliche Bäckerin: „Bei Partys bin ich seit Jahrzehnten für den Nachtisch zuständig“, sagt sie und lacht.

Lesen Sie hier: Patisserie ist kein Backen

Als sie von „Kuchentratsch“ erfahren hat, war ihr klar: Da will ich mitmachen. Das bessert nicht nur ihre Rente auf, sondern macht vor allem Spaß: „Ich mag die Idee mit dem Tratsch, dass man neue Leute kennenlernt.“ Anke geht das ähnlich. Ihre fünf Kinder sind aus dem Haus oder dabei, auszuziehen. „Ich habe immer gerne gebacken und jetzt bietet sich das nicht mehr so an, weil alle verstreut sind.“ Deshalb backe sie jetzt zwei bis dreimal die Woche hier. „Es ist schön, etwas zu tun, was man gerne macht“, sagt Anke und rührt gleich den nächsten Kuchen an. Bald kommt der erste Kunde, um seine Bestellung abzuholen.

Kunden wie Daniel Barras, der ein Café an der Münchner Freiheit leitet. Seit einem Jahr verkauft der 24-Jährige dort die Oma-Kuchen. Bei seinen Gästen kommt das an: „Viele fragen explizit danach.“ Zweimal in der Woche bekommt Barras eine Lieferung von „Kuchentratsch“, oft schneidet er sich gleich selbst ein Stück ab. Am Anfang ging es ihm vor allem um die Idee hinter dem Projekt, inzwischen könnten die Oma-Kuchen sogar mit denen der Konditorei mithalten, die das Café am Wochenende beliefert: „Die Qualität hat sich in den letzten Monaten total verändert.“ In der Backstube im Westend freut man sich über dieses Kompliment. „Es ist die Routine, die mittlerweile drin ist“, sagt Blaschke.

Mit der Zeit kommt Professionalität, die Omas kennen die Küche besser, Mayer und Blaschke bekommen mit der Organisation mehr Routine. „Wir kümmern uns um die Logistik, Vertrieb und die Buchhaltung“, sagt Blaschke. „Und eine Spülmaschine“, ruft Anna Maria augenzwinkernd dazwischen. Bislang spült man bei „Kuchentratsch“ noch per Hand. Das machen Mayer und Blaschke, die Seniorinnen sollen sich ganz aufs Backen konzentrieren können – und den Tratsch.

Kuchentratsch feiert heute ab 16 Uhr den Einzug in die neue Backstube in der Landsberger Straße 59. Interessierte sind herzlich eingeladen.

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