Krieg in der Ukraine: Wie München hilft
Sie schaut erschöpft aus, übernächtigt, die Sorge um ihre Familie und die Freunde in der Ukraine lassen sie kaum noch schlafen. Aber in ihrer Wohnung nur auf neue Nachrichten zu warten, das hält Oleksandra nicht aus: "Ich muss etwas machen", sagt die 30-Jährige. Seit acht Jahren lebt sie in München, gerade ist sie mit ihrem Studium fertig geworden.
Nun steht sie gemeinsam mit ihrer deutschen Freundin Franziska (29) im Innenhof des Gemeindezentrums der ukrainisch-griechischen Katholiken in Giesing.

Die beiden Frauen sortierten Hygieneartikel: Windeln, Binden, Tampons, Einmalwaschlappen. Alles wird in Kartons gepackt und beschriftet.
Helfer kommen mit Bollerwägen und übervollen Tüten
Mit den beiden haben sich Dutzende weitere Helfer in der Schönstraße 55 zusammengefunden. Sie packen Kleidung, Schlafsäcke und Lebensmittel in Kartons. Männer haben eine Kette gebildet, sie reichen die Kartons von einem zum nächsten bis zur Ladefläche eines riesigen Lasters im Hof. Darin werden die Hilfsgüter sorgfältig verladen.
Draußen, in der Schönstraße warten schon zwei weitere leere 14-Tonner. Die Polizei muss den Verkehr regeln, wenn wieder einer ein- oder ausrangiert.
Neun Transporter sind schon unterwegs
Seit dem Wochenende wird in dem Gemeindezentrum Hilfe für die ukrainische Zivilbevölkerung koordiniert: spontan und unbürokratisch, organisiert über die sozialen Netzwerke und durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Allein am Sonntag sind von Giesing aus neun Transporter mit Hilfsgütern gestartet. Die Münchner kommen behängt mit großen blauen Ikeatüten voller Lebensmittel und nützlicher Dinge, sie haben Bollerwägen und Koffer dabei oder fahren gleich mit dem Auto samt Anhänger vor.
Manchmal sind es auch nur kleine Gesten, die helfen: Eine ältere Frau aus der Nachbarschaft bringt etwas Geld: Für Brezn, sagt sie, damit die Helfer sich stärken können.

"Der Helferkreis ist international", sagt Roman Basand, der dafür sorgt, dass wegen der an- und abfahrenden Fahrzeuge im Hof kein Chaos ausbricht. Er selbst ist gebürtig aus Polen. Der 56-Jährige hat alles stehen und liegenlassen, um am Montag mitzuhelfen - und er hat seine Kollegen gleich mitgebracht. Die Männer arbeiten für eine Hausmeisterfirma.
Statt ohne Fracht geht es mit Hilfsgütern zurück nach Polen
Während Roman Basand auf dem Kirchengelände Autos einweist, steht Andrzej Furczyk (54) neben ihm. Der Pole ist unrasiert, er hatte nicht mal Zeit zum Duschen. Erst vor wenigen Stunden, um 10 Uhr, hat er in München seine Fracht übergeben. Zuerst hieß es, er solle leer wieder zurückfahren. Dann erfuhr sein Chef von der Hilfsaktion und gab ihm am Handy die Order: "Du fährst in die Schönstraße, ich zahl's."
Kurz vor 15 Uhr manoviert Lkw-Fahrer Andrzej bravourös den nun bis unter die Decke gefüllten 14-Tonner aus der schmalen Hofeinfahrt. Er wird die Hilfsgüter ins polnische Swidnica (Schweidnitz) bringen. Dort sollen sie sortiert und per Zug in die Ukraine gebracht werden.

Kleidung wird in Giesing nun vorerst keine mehr gebraucht, dafür Medikamente wie Antibiotika oder rezeptfreie Schmerzmittel, Thermoskannen und Decken. Auch der Verein "Münchner Freiwillige" organisiert schon seit Donnerstag Hilfe.
Hilfsbereitschaft der Münchnerinnen und Münchner ist groß
Die Kerngruppe war bereits 2015 aktiv, als am Hauptbahnhof Geflüchtete ankamen. Mittlerweile fördert die Stadt den Verein, der in Krisen spontane Hilfsangebote bündelt. Wer beispielsweise ein Zimmer für geflüchtete ukrainische Familien anbieten kann oder auf andere Weise helfen will, kann sich über ein Formular auf der Webseite www.muenchner-freiwillige.de melden.
Der Rücklauf ist enorm. Allein bis Sonntag hatten sich rund 200 Münchnerinnen und Münchner mit freien privaten Schlafplätzen gemeldet. Bis gestern Nachmittag waren es 430 Wohnmöglichkeiten, berichtet Vereinschefin Petra Mühling der AZ, "und es kommen fast minütlich neue Angebote dazu, wir sind absolut begeistert von der Welle der Hilfsbereitschaft".
Manche Helfer böten Schlafplätze auf Sofas in ihren Wohnungen an, andere hätten Zimmer frei oder auch ganze Wohnungen. Sogar ein Haus ist im Angebot, das gerade frei sei, weil die Bewohner kürzlich in ein Pflegeheim gezogen seien.
Jeder Freiwillige ist willkommen!
Dazu kommen rund 800 Helferinnen und Helfer, die anbieten, sich in ihrer Freizeit um die Ankömmlinge zu kümmern. Bedarf gibt es auch an Menschen, die helfen, alle Angebote zu sortieren und Wohnungsanbieter mit ankommenden Familien zusammenzubringen. Wer dabei unterstützen will, meldet sich per Mail unter helfen@mfwh.de.
Bis Montag konnten zwei ukrainische Familien bereits in Privatunterkünfte ziehen. "Soweit wir wissen, kommt bis zum Abend eine dritte Familie an", sagt Vereinsvize Marina Lessig. Man gehe davon aus, dass in der kommenden Woche Hilfsbusse aus München Hunderte Menschen aus der Ukraine in die Stadt bringen werden.
Sie möchten spenden?
Der Verein "Münchner Freiwillige - Wir Helfen e. V." hat ein Spendenkonto bei der Stadtsparkasse München eingerichtet:
IBAN: DE32 7015 0000 1004 8704 14
BIC: SSKMDEMM
Unterkünfte für Familien gesucht: Wer kann mit Schlafplätzen oder als Fahrer helfen?
Auch das Kulturzentrum Gorod hat eine Hilfsaktion für Menschen gestartet, die aus der Ukraine flüchten. Hier können Münchnerinnen und Münchner Schlafplätze anbieten, oder als Fahrer oder Betreuer, mit Sach- und Geldspenden helfen.
Unterkünfte: Gorod und Heimatstern.org suchen Privatunterkünfte in München und der Region. Die ersten Busse an die Grenze sind bereits unterwegs und werden im Lauf der Woche die ersten Menschen nach München bringen. Wer helfen und seine leerstehende Wohnung, Ferienwohnung oder ein Gästezimmer zur Verfügung stellen will, kann das über eine Online-Plattform auf radiogong.de melden.
Sachspenden: Die Sammelstelle befindet sich in der Arnulfstraße 197. Gebraucht werden etwa Hygieneartikel oder Lebensmittel (bitte keine Kleiderspenden).
Fahrer: Gesucht werden Freiwillige, die Menschen von der ukrainischen Grenze abholen können.
Gebraucht werden auch Organisationshelfer und Menschen, die psychotherapeutische Unterstützung für die Geflüchteten leisten können. Melden kann man sich beim Kulturzentrum per Mail: info@gorod.de
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