Kopfschuss auf Polizistin in Unterföhring: Ist der Täter schuldfähig?

Einiges deutet darauf hin, dass Alexander B. psychisch gestört oder krank ist. Ärzte sollen nun begutachten, ob er vermindert oder gar nicht schuldfähig ist.
von  Nina Job, John Schneider
Auf Facebook zeigt sich der
Schütze mit seiner Tochter.
Auf Facebook zeigt sich der Schütze mit seiner Tochter.

München - In einer Münchner Klinik bangen die verzweifelten Eltern um das Leben ihrer 26-jährigen Tochter. Bianca T. (Name geändert) liegt mit einer lebensgefährlichen Kopfverletzung im künstlichen Koma. Sie ist nicht ansprechbar. Ihre Eltern, die in Sachsen leben, wurden mit einem Polizeihubschrauber nach München geflogen, um in der Nähe ihrer Tochter sein zu können.

Bianca T. ist die Polizistin, die am Dienstag am S-Bahnhof Unterföhring von dem 37-jährigen Alexander B. in den Kopf geschossen wurde. Ein Routineeinsatz, wie er täglich unzählige Male in Deutschland und überall auf der Welt geschieht, war innerhalb von Sekunden zu einem lebensbedrohlichen Einsatz geworden.

Ob die junge Kommissarin überleben wird und ob sie jemals wieder gesund wird, kann derzeit niemand sagen. "Ihr Zustand ist unverändert lebensbedrohlich und sehr kritisch", sagte Polizeisprecher Werner Kraus am Donnerstag.

Gegen den Schützen Alexander B., einen 37-jährigen gelernten Elektriker, der in Oberbayern geboren wurde, hat ein Ermittlungsrichter einen Unterbringungs-Befehl erlassen. Alexander B. ist nun in einer geschlossenen Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses Isar-Amper-Klinikum. Dort soll er nun begutachtet werden.

Am Dienstag, gegen 8.20 Uhr, war Bianca T. zusammen mit einem Kollegen von der Inspektion in Ismaning zu einem Einsatz an den S-Bahnhof in Unterföhring gerufen worden. In der S8 vom Flughafen war ein Mann plötzlich völlig grundlos auf einen Fahrgast losgegangen.

Alexander S. hatte dem Reisenden urplötzlich mit der Faust ins Gesicht geschlagen, als dieser völlig arg- und ahnungslos in seinem Smartphone E-Mails las. Das Opfer soll nicht einmal Augenkontakt mit dem Angreifer gehabt haben. Zeugen gingen dazwischen. Sie hielten Alexander B. fest und verständigten die Polizei.

Am Bahnsteig eskalierte die Situation wenige Minuten später. Der genaue Ablauf wird noch untersucht. Die Videoaufnahmen aus der Überwachungskamera wurden gesichert.

Während der Verletzte von einem Sanitäter versorgt wurde, verhielt sich Alexander B. zunächst offenbar ruhig. Der Polizist fragte nach seinen Personalien, machte sich Notizen. Als jedoch eine S-Bahn einfuhr, wurde Alexander B. aggressiv. Nach bisherigen Erkenntnissen versuchte er plötzlich, Bianca T.s Kollegen vor den einfahrenden Zug zu schubsen.

Täter sitzt in der geschlossenen Psychatrie

"Es gab einen heftigen Kampf zwischen Täter und Polizeibeamten", sagte Polizeipräsident Hubertus Andrä am Mittwoch. Dann hatte er plötzlich die Waffe des Beamten in der Hand und schoss das ganze Magazin leer. "Es ist nicht klar ersichtlich, ob der Täter die Waffe aus dem Holster oder aus der Hand des Beamten entriss", so der Polizeipräsident weiter.

Fakt ist, dass Alexander B. mit der Polizeipistole das ganze Magazin leer schoss und Bianca T. in den Kopf traf. Sie schoss ebenfalls – möglicherweise im Fallen – und traf Alexander B. in den Po. Der 37-Jährige versuchte noch zu Fuß zu flüchten, wurde aber überwältigt und festgenommen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte zunächst einen Haftbefehl wegen versuchten Mordes, dann erging jedoch ein Unterbringungsbefehl nach Paragraf 63: Alexander B. wurde nach Haar gebracht. Im Isar-Amper-Klinikum soll der 37-Jährige nun begutachtet werden, ob er schuldfähig ist. Ist er nur vermindert oder gar nicht schuldfähig, würde er auch nach einem Prozess in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Dies ist sogar unbegrenzt möglich.

Alexander B. ist wegen Körperverletzung bereits polizeibekannt

Offensichtlich gibt es Hinweise auf eine massive Persönlichkeitsstörung oder eine psychische Erkrankung des Schützen. Unmittelbar vor der Bluttat war Fahrgästen in der S8 aufgefallen, dass er Selbstgespräche in Englisch führte.

Der 37-Jährige, der zuletzt bei seinem Vater in einem Vorort von Denver in Colorado lebte, war auf Europareise, wollte Verwandte besuchen. Am Vortag der Bluttat war er um 21 Uhr mit einer Maschine aus Athen gelandet und hatte am Münchner Flughafen übernachtet.

Nach US-Medienberichten ist Alexander B. bereits wegen eines Rowdy-Delikts im Straßenverkehr sowie fahrlässiger Körperverletzung und Diebstahls polizeibekannt. Aktuell läuft vor Gericht ein Sorgerechtsstreit um seine Tochter.

Auf Facebook zeigt sich der
Schütze mit seiner Tochter.
Auf Facebook zeigt sich der Schütze mit seiner Tochter.

Seine Eltern hatten sich in München in einem Orchester kennengelernt, beide sind Musiker. Die Eltern wanderten aus und gründeten in den USA eine Musikschule. Beide sind Bayern-Fans und betreiben auf Volksfesten ein Imbiss-Zelt mit selbstgemachten "Krautburgers".

Lesen Sie hier: Unterföhring - Mann schießt am S-Bahnhof um sich

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