Kontrollfreaks: Die Geheimregeln bei Abercrombie & Fitch
Von der Frisur über die Farbe der Kleidung bis zu den Fußnägeln: Was die angesagte US-Kette ihren Angestellten alles vorschreibt.
Kompliment, Abercrombie & Fitch. Der Laden ist der heißeste der Stadt. Halbnackte Männer-Models mit Six-Packs unter offenen roten Jacken. Jeden Tag die meterlange Schlange vor der Filiale in der Sendlinger Straße – ob’s windet, regnet oder schneit. Drinnen gibt’s teure Klamotten, Musik, Raumparfum und überdurchschnittlich gut aussehende Mitarbeiter.
Echt toll, echt erfolgreich. Aber das ist nur die eine Seite von Abercrombie & Fitch.
Die andere ist weniger sexy: Intern herrschen im US-Unternehmen Pingeligkeit, Kontrollwahn und Regelwut.
DIE NACHTSCHICHT
Abercrombie & Fitch kennt keinen Ladenschluss. Nachts sieht der Flagship Store in der Sendlinger Straße von draußen zwar geschlossen aus, hinter den schwarz verklebten Schaufenstern ist aber jede Menge los. Rund 50 Menschen arbeiten hier durch – an sechs Nächten die Woche, von Montagabend bis Sonntagmorgen, jeweils von 21 bis 6 Uhr.
Ihre Aufgabe: falten. T-Shirts, Hemden, Pullover, Hosen, Unterwäsche. Alles, was tagsüber von den Kunden angefasst, angeschaut und anprobiert wurde, muss wieder in Ordnung gebracht werden.
Jedes Kleidungsstück im Erdgeschoss und in den beiden Etagen wird wieder zusammengelegt – und zwar „millimetergenau“, wie eine Ex-Mitarbeiterin der AZ verrät. Die Münchnerin, die nicht erkannt werden will, hat hier seit der Eröffnung am 25. Oktober gearbeitet. Ihr Stundenlohn: knapp zwölf Euro brutto an Wochentagen und 21 Euro an Sonn- und Feiertagen.
Gutes Geld, aber dafür hätten sie und ihre Kollegen einige seltsame Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen.
DIE ZEHN REGELN
Die „Ten Rules“ zum Beispiel – die „Zehn Regeln“. Die waren den Münchnern bisher genauso wenig bekannt wie die Nachtschicht.
Sie lauten:
- Keine Handys
- Keine Getränke
- Kein Essen und keine Kaugummis
- „Boys“, also Männer, müssen frisch rasiert sein.
- „Girls“, also Frauen, dürfen nicht geschminkt sein – erlaubt ist höchstens leichter Lidschatten.
- Künstliche Fingernägel sind tabu, ebenso Nagellack – außer in Zartrosa.
- Kleidung darf nur blau, grau oder weiß sein.
- Fußball-Trikots oder Kleidung mit Werbe- oder Schriftzügen von Mitbewerbern sind verboten.
- Keine Schals.
- Kein Schmuck.
- Wenn das Telefon läutet, darf nur der Store-Manager abheben.
- Wer auf die Toilette will, muss sich beim Store-Manager abmelden.
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ABFRAGEN UND ANFRAGEN
Diese Regeln werden jeden Abend stichprobenartig abgefragt, sagt die Ex-Angestellte: „Am Anfang jeder Schicht versammeln die Store-Manager die Mitarbeiter. Dann fragen sie den einen oder anderen nach einer Regel. Man kann sich aber auch freiwillig melden.“ Andere Mitarbeiter bestätigten das der AZ.
Kein Schmuck, keine Schminke, keine Schals, keine schwarze Kleidung: Gleichförmigkeit ist alles bei Abercrombie – sogar nachts.
Manche der Regeln mögen noch als kurios durchgehen. Warum Mitarbeiter aber nicht trinken dürfen, wenn sie möchten, oder nur mit Erlaubnis auf die Toilette dürfen, ist zumindest fragwürdig.
Diese Fragen beantwortet Abercrombie & Fitch allerdings nicht. Die Pressesprecherin sagt auf AZ-Anfrage nur: „Kein Kommentar“.
DAS INTERNE HANDBUCH
Jeder, der bei Abercrombie & Fitch anfängt, kennt es – das „Interne Mitarbeiter-Handbuch Deutschland“: 24 Seiten voller Regeln und Bestimmungen. Viele sind kurios – vor allem, was das Aussehen betrifft (siehe Ausrisse).
Das Handbuch behandelt alle wichtigen Themen wie Urlaub, Arbeitszeit, Mitarbeiterrabatt, setzt aber auch Verhaltensstandards: Gewalt, Drogen und respektloses Verhalten sind natürlich verboten.
Neben nachvollziehbaren Bestimmungen finden sich aber auch seltsame Ratschläge wie: „Du solltest dich gegenüber Regierungsvertretern stets respektvoll und höflich verhalten.“
IMAGE IST ALLES
Ansonsten geht es vor allem um äußere Werte: Abercrombie & Fitch achtet penibel auf das Aussehen seiner Angestellten. Das sieht jeder Kunde auf den ersten Blick. Im Eingangsbereich der Filialen stehen halbnackte Models, die Mitarbeiter sind jung und schön.
Auch im Handbuch ist alles detailliert geregelt – in den „Richtlinien zum Erscheinungsbild“ geht es auf zwei Seiten um Kopfbedeckung, Frisur, Haarfarbe, Augen- und Lippen-Make-Up, Gesichtsbehaarung, Tätowierungen, Kleidung, Schmuck, Fingernägel und Schuhe. Sogar das Aussehen der Fußnägel ist geregelt.
„Als Mitarbeiter des Unternehmens sehen dich Kunden als Repräsentanten der Marke sowohl in Bezug auf Stil als auch auf die äußere Erscheinung“, schreibt Abercrombie im Handbuch dazu. Und: „Entsprechende Disziplinarmaßnahmen werden ergriffen, um die Einhaltung der Richtlinie zu gewährleisten.“
Mitarbeiterkontrolle vom Scheitel bis zur Sohle.
DIE KONTROLLEN
Bei Abercrombie & Fitch wird nicht nur das Aussehen reglementiert – auch die Mitarbeiter selbst müssen sich Überprüfungen unterziehen. Unter dem Punkt „Schadenverhütungs-Store-Richtlinien“ auf Seite 14 verlangt das Handbuch Taschen- und Jackenkontrollen an der Vordertür. In der Filiale muss ein „Mitglied des Managements“ sogar „jeden Müllcontainer“ durchsuchen – sogar die Art der Müllbeutel ist festgelegt: Sie müssen „transparent“ sein.
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