Kommt München doch noch um ein Diesel-Fahrverbot herum? "Alles, was ich sehe, ist: Stau"

Die Luft an der Landshuter Allee muss sauberer werden. Das hat das Gericht entschieden. Klappt das auch mit Tempo 30? Welche Maßnahmen die Stadt nun ergreifen könnte.
von  Christina Hertel
"Stau, Stau, Stau" - Tempo 30 hat alles nur noch schlimmer gemacht, beobachten Geschäftsleute dort. Dabei wollte die Stadt mit dieser Maßnahme Fahrverbote verhindern.
"Stau, Stau, Stau" - Tempo 30 hat alles nur noch schlimmer gemacht, beobachten Geschäftsleute dort. Dabei wollte die Stadt mit dieser Maßnahme Fahrverbote verhindern. © imago

München - Alle zwei Monate etwa muss Lena Thalmeier die Fenster ihres Kosmetikstudios putzen. Die Scheiben sind dann schwarz von den Abgasen der Autos, die an ihrem Geschäft vorbeirollen. "Im Schneckentempo", sagt sie. Ihr Studio "Face and Foot" liegt an der Landshuter Allee. "Schmutzigste Straße Deutschlands" haben die Medien die Landshuter Allee gerne genannt, weil dort die Grenzwerte für Stickstoffdioxid seit Jahren überschritten wurden. Das ist laut Bundesumweltministerium ein "ätzendes Reizgas", es kann zu Atemnot, Husten und Bronchitis führen.

Eigentlich hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im März geurteilt, dass die Stadt Maßnahmen ergreifen muss, um die Luft an der Landshuter Allee und an der Moosacher Straße, wo ebenfalls die Grenzwerte nicht eingehalten werden, sauberer zu bekommen. Konkret ging das Gericht damals nur auf weitere Fahrverbote für Euro-5-Diesel ein - entweder auf einem Abschnitt der Landshuter Allee oder in einer Zone innerhalb und auf dem Mittleren Ring. Das schienen die einzigen Optionen zu sein.

Das Münchner Rathaus entschied sich aber für einen eigenen Weg: Tempo 30 auf einer 2,5 Kilometer langen Strecke der Landshuter Allee. Gegen das Urteil legte die Stadt Revision ein. Als diese nicht zugelassen wurde, folgte eine Nichtzulassungsbeschwerde. Auch die hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nun abgelehnt. Das Urteil vom März ist also rechtskräftig. Doch was bedeutet das nun? Müssen weitere Fahrverbote folgen?

Alle Optionen prüft das Umweltreferat jetzt

Das Umweltreferat teilt der AZ mit, dass es das Urteil, noch prüfen müsse. Alle in Frage kommenden Maßnahmen würden abgewogen. Tatsächlich sind nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Fahrverbote nicht die einzige Möglichkeit. Die Stadt habe einen Spielraum, allerdings müssten die Maßnahmen die Luftverunreinigungen dauerhaft vermindern und möglichst schnell getroffen werden.

Die Landeshauptstadt München sei nun am Zug, zu ermitteln und zu entscheiden, welche Maßnahmen in Betracht kommen, so das Gericht. Und weiter: "Dabei kann sich zwar ergeben, dass nur ein Fahrverbot als Maßnahme verbleibt, zwingend ist dies jedoch nicht." Die Frage ist nun also, wie viel Tempo 30 auf der Landshuter Allee wirklich bringt. Seit Juni ist das Tempolimit in Kraft. Was hat sich verändert? "Die Autos stehen noch mehr im Stau als vorher", meint die Kosmetikerin Lena Thalmeier. "Noch mehr Stau, noch mehr Abgase", lautet auch das Fazit von Dimitri Davies, der ein Fotostudio an der Landshuter Allee betreibt.

"Tempo 30 hat das Verkehrschaos schlimmer gemacht"

Vergleicht man aber Stickstoffdioxid Werte von diesem Sommer mit dem davor, müsste er doch eine Verbesserung spüren? In diesem Juni wurden 39 µg/m3, im Jahr davor 46 µg/m3 gemessen. Im Juli lag der Wert bei 40 µg/m3, 2023 bei 55 µg/m3. Im August waren es 39 µg/m3 und ein Jahr vorher 45. "Ich bin ja kein Messgerät", antwortet der Fotograf darauf. "Aber alles, was ich sehe, ist: Stau, Stau, Stau." Er ist sicher: Tempo 30 hat das Verkehrschaos eher schlimmer gemacht. Das Umweltreferat will Tempo 30 noch nicht bewerten, sondern im ersten Quartal 2025 einen Bericht vorlegen. In den nächsten Wochen muss also wohl kein Dieselfahrer fürchten, dass sich etwas ändert.

Dass Tempo 30 wirklich etwas bringt, kann sich der Mobilitätsexperte der FDP-Fraktion Fritz Roth nicht vorstellen. Er wohnt in der Nähe der Landshuter Allee und beobachtet, dass die Autofahrer kurz vor dem Blitzer abbremsen und dahinter wieder beschleunigen. Roth erinnert daran: Im Sommer wurde die Landshuter Allee wochenlang saniert und war nur eingeschränkt befahrbar. Könnte also auch eine Auswirkung gehabt haben. Wenn die Schadstoffwerte sinken, liegt das aus seiner Sicht eher daran, dass die Autos moderner werden. Tatsächlich waren zum Jahresende 2023 rund 44.000 Euro-5-Diesel in München zugelassen, zehn Prozent weniger als ein Jahr davor. Statt Tempo 30 oder Fahrverbot plädiert der FDPler für ein besseres Angebot: Ein Ringbus müsste die Pendler vom Süden zu ihren Arbeitsplätzen im Norden (etwa bei BMW) bringen, fordert er.

Einen Effekt hatte Tempo 30 schon, meint Anna Hanusch (Grüne), die Chefin des Bezirksausschusses in Neuhausen: "Es ist leiser geworden. Aber gefühlt stehen die Autos genauso oder sogar mehr im Stau." Am schlüssigsten sei aus ihrer Sicht eine Verschärfung des Dieselfahrverbotes, so wie es der Stadtrat einst beschlossen hatte. Also nicht nur auf der Landshuter Allee, sondern auf und innerhalb des Rings - weil es sonst nur Ausweichverkehr in die Viertel gebe.

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